Nur zwei Wochen nach meiner ersten “Fast”-Auszeit in gut vier Jahren hat auch mich diese Nachricht erschüttert: “freitag.de” schließt den Blog! Wieso, weshalb, warum – die Gründe lesen sich nicht komplett nachvollziehbar. Doch was ist noch wirklich “nachvollziehbar” in diesen Zeiten, die sich wenden, winden und Wände bilden – zwischen uns Menschen, uns und unserer Umwelt und … und … und – nicht nur der letztwöchige Beitrag verdeutlicht es. Und nun diese letzte Woche: Mittendrin gekappt, in seiner Aktualität abgeschafft und gleichzeitig konserviert für alle Zeiten der (digitalen) Ewigkeit. Wer mag, möge mich an anderer Stelle weiterlesen …
Wenn ich auf die ersten Beiträge schaue, muss ich staunen: Mein Bekanntenkreis hat sich ebenso verändert wie meine Kunst – und damit meine ich weniger das Schreiben als vielmehr die Musik sowie die audiovisuelle Produktion. Die Art zu Schreiben hingegen, die ich zu Beginn der sogenannten “Corona-Krise” kultivieren wollte, ist auf der Strecke geblieben – denn gerade hatte ich begonnen auf den Zugfahrten zu meiner Arbeitsstelle einen Roman zu entwickeln. Meinen ersten. Das Thema des begonnenen Buches – ich werde es an dieser Stelle nicht verraten – ist heute aktueller denn je. Wieder einmal war ich mit einer Idee ganz vorne und konnte sie weder vollenden, noch Profit aus ihr schlagen. Das ist wohl eines meiner Hauptprobleme: Ich habe zu viele Ideen und werde zu oft davon abgelenkt, sie komplett umzusetzen – durch andere und durch mich selbst, der neue Herausforderungen oft spannender findet als das, woran er gerade arbeitet. Hinzu kommt: Wenn mich etwas interessiert, dann lerne ich sehr schnell und komme zügig zu recht guten Ergebnissen – und das ist verführerisch. Bisweilen schüttle ich Dinge einfach so aus dem Ärmel, freue mich, und dann geht’s weiter. Oft geschieht das so schnell, dass die Ideen bei anderen noch gar nicht angekommen sind, während ich schon wieder woanders bin.
Wenn ich sehe, was andere in die Welt setzen – beziehungsweise was in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung überhaupt als “Ideen” protegiert und gefeiert wird – kann ich oft nur mit dem Kopf schütteln und es verstetigt sich eine traurige Erkenntnis: Besonders banale, bisweilen üble – und oft eigentlich auch gar keine Ideen werden mit derart immensem Aufwand in unsere ohnehin schon zugemüllte Welt gepresst, dass es kaum mehr ein Entrinnen gibt. So sind meine Äußerungen oft eine Reaktion auf den uns umgebenden Unsinn: Sie wollen Fluchtwege aus einer brachial zunehmenden Fantasie-, Bildungs- und Geistlosigkeit anbieten. Parallel zu den hier veröffentlichten hunderten an Texten unter den Titeln “Das Leben in den Zeiten der Corona” und “Willkommen zwischen den Zeitenwänden” ist einiges entstanden, auf das ich an dieser Stelle abschließend hinweisen möchte.
Mit den “Brexies” haben meine Partnerin Susanne und ich eine Vielzahl von kurzen und zuletzt auch längeren Filmen geschaffen, die die Welt mit Hilfe kleiner Filz-Helden zu erklären versuchen. Fühlen Sie sich eingeladen, die Seite http://diebrexies.de/ zu besuchen und auf Entdeckungsreise zu gehen!
Unser Duo “Liquid Words” hat ein zweites Album produziert und es sind einige außergewöhnliche Musik-Videos entstanden, unter anderem hier zu finden: https://www.youtube.com/@liquidwords850
Besonders inspirierend war und ist die (neue) Bekanntschaft mit Markus Stockhausen, die mich als Improvisationsmusiker durch einige Städte der Republik geführt und zu einem Teilzeit-Veranstalter hat werden lassen – auch davon gibt es Videos und einen Konzertfilm. Ich habe in diesen gut vier Jahren viele Musiker kennengelernt und die Veranstaltung von Konzerten ist zu einer Art künstlerischem Überlebenskampf geworden – denn Kunst und Kultur gehören zu den größten Opfern, die die Corona-Maßnahmen gefordert haben. Nicht nur kommerziell, sondern auch ideell.
Daneben habe ich mich politisch engagiert – für ein Landschaftsschutzgebiet und gegen einen Schnellwegausbau. Eines der unrühmlichsten Kapitel Hannovers wird derzeit gegen den Willen betroffener Bürger und durch reine Staatsraison sowie einige Hundertschaften Polizei geschrieben. Während die Zahl der jährlichen Straftatbestände gegen Schutz-, Sicherheits- und Polizeikräfte auf unfassbare fast 35.000 (Statistik aus 2022) angestiegen ist, konnten wir drögen Hannoveraner nicht einen einzigen Beamten daran hindern, die menschen- und naturverachtenden Rodungsmaßnahmen in der Leinemasch zu verteidigen. Paradoxon einer Zeit, in der sich “richtig” und “falsch” in (nicht nur) mediales (Wohl)gefallen aufzulösen scheinen – und die Gesellschaft, wie wir sie kannten, gleich mit.
Für all diese Aktivitäten bin ich für eine Weile aus dem bürgerlichen Berufsleben ausgestiegen und zu dem Schluss gekommen, dass ich dort auch gar nicht mehr so ganz mit Haut und Haaren einsteigen möchte. Aus verschiedenen Gründen arbeite ich nun zumindest vorübergehend wieder in Teilzeit – doch es kommt mir vieles von dem, was man uns abverlangt, wie Realsatire vor: Unlogisch, nicht nachhaltig und höchst alibihaft im Sinne eines sogenannten Sozialstaates, der in Ermangelung kluger Ideen und der Fähigkeit zur Erneuerung mit dem Geld (das er nicht hat) nur so um sich wirft. Oder soll das alles ganz bewusst so schieflaufen?
Wie auch immer – dieser Block ist vollendet. Endlich habe mal ich durchgehalten und eine leidlich konstante Performance abgeliefert, während die Bedingungen um mich herum nicht durchgehalten haben. Das ist neu in meinem Leben und ich danke all denen, die mir Inspiration waren, denen, die mich gelesen haben (könnten) und natürlich “freitag.de”. Doch ganz besonders danke ich meiner Lektorin und langjährigen Partnerin Susanne.
Wir sehen, lesen und hören uns hoffentlich wieder – egal, wie die Welt um uns herum dann aussehen mag!
Christoph Abée am 21. 05. 2024 – einen Tag bevor eine der besten medialen Einrichtungen der letzten Jahre seine Pforten schließt.