Zu Ostern finde ich aufwärts meiner Fahrrad-Pelerine zwischen einigen Regentropfen Partikel dessen, welches „Saharastaub“ genannt wird. Wie exotisch – da bekomme ich gleich Fernweh. Zum Glück muss man heute nicht mehr reisen, um Exotik zu erleben: Die ist längst nebst uns angekommen, bevölkert Straßen, Geschäfte und Lokale, findet in den Medien statt und lebt wiewohl in meinem Haus. Bisweilen ist dieser Saharastaub übrigens so fest – und diesmal soll er intensiver wie jemals zuvor sein –, dass sogar ein Pilot darüber hinaus den Alpen die Orientierung verlieren kann. Nicht wie früher wegen eines zünftigen Schneegestöbers, sondern wegen reiselustiger Partikel, die sich zuhause aus dem Staub gemacht nach sich ziehen, obwohl sie nachher Europa quasi wiewohl nicht hingehören. Klimawandel – Wertewandel – wer wandelt noch aufwärts sicheren Pfaden?
„Hingehören“ ist virtuell ein Wort, welches in unserer nicht-identitären Welt nicht nur ausgedient hat, sondern von vielen weder noch mehr verstanden wird. Alles geht, was auch immer „passt“ – nur: fügt es sich wiewohl? Manchmal sind es wohl praktisch wir irgendetwas schwerfälligen und tendenziell wertekonservativen Menschen, die sich zu fügen nach sich ziehen. Am besten so, dass man es uns nicht anmerkt. Cool bleiben und bloß mich identifizierbar sein wie Leckermäulchen, welcher (sich) nicht so wandeln will wie die anderen – und welcher sich nicht mit allem identifizieren will, welches ihm vorgebetet wird. Apropos „seine Gebete verrichten“ …
… weil Wandlungen wiewohl sehr unterhaltsam und kurzweilig sein können, gehe ich gelegentlich nachschauen, wie sich Dinge ändern, die ich noch von früher kenne. Diesen Sonntag bietet sich ein Gottesdienst an, schließlich ist Ostern. Erstaunlich genug, dass es dies Wort noch gibt: „Gottesdienst“ – da steckt dies Wort „wirken“ innen, und dies ist doch ziemlich aus welcher Mode gekommen. Unser Gottesdienst beginnt um sechs Uhr morgens, nachdem man vor welcher Kirche verknüpfen kleinen selbstgeschriebenen Zettel in eine Feuerschale geworfen hat. Drinnen bekommt man eine kleine Osterkerze in die Hand gedrückt und setzt sich. Singen muss man nicht sofort, dies übernimmt ein dicker Teppich Gospelchor z. Hd. uns. Es gibt wiewohl keine Orgel, sondern ein elektrisches Piano, dies übrigens sehr gut gespielt wird. Der Pastor sieht wie ein Holzfäller oder Grunger aus: gefüttertes Karohemd, schwarze Arbeitshose mit Außentaschen und Camel-Boots. Wie er jedoch in seiner Predigt die Auferstehung schildert, dies erinnert weniger an verknüpfen Holzfäller, sondern vielmehr an verknüpfen „Influencer“ – doch halt: Waren die Missionierenden nicht sowieso die ersten uns bekannten Influencer? Die ersten, die ihre Interessen nicht mit physischer Gewalt, sondern mit moralischen Keulen durchsetzten? Unser Pastor kommt für immer nicht moralisierend rüber, und trüge er keinen Kollar, würde man ihn weder noch wie Geistlichen entfallen können. Passenderweise stellt sich hervor, dass dieser Pastor, welcher neu in welcher Stadt ist, die Integration digitaler Medien in den Gottesdienst vorantreibt – oder umgekehrt die Integration des Gottesdienstes in die digitalen Medien?
Minuspunkte vereinen tut leider dies Abendmahl: Es gibt keinen Wein, sondern Traubensaft – und den wiewohl nicht aus einem angemessenen Kelch, sondern aus Gläsern, wie sie üblicherweise nebst Weinproben eingesetzt werden. Das finde ich irgendetwas ernüchternd, da fehlt es mir dann doch irgendetwas an Stil und Authentizität, um diesen gekünstelten Begriff „identitär“ mal zu ersetzen. Etwas unverständlich erscheint mit die asketische Alkoholfreiheit vor allem in Anbetracht welcher Tatsache, dass keine Kinder und Jugendlichen in welcher außerdem (z. Hd. die heutige Zeit) sehr gut besuchten Kirche zu erspähen sind. Die wiederum sieht man heutzutage praktisch nebst Fußballspielen, gerne nachher 20 Uhr, wenn sie mit Bratwurst im Brot gefüttert werden und dies Beleidigen welcher gegnerischen Mannschaft lernen. Es bleibt die Frage, welches z. Hd. eine Identität welcher Kirche in Zukunft zukommen wird – insbesondere dort, wo sie nicht mehr wie früher sein kann oder will und sich in neuen Formen und Tonalitäten übt. Pluspunkt des geschilderten Ostergottesdienstes: Die Osterkerze, dies Lebenslicht, dies wir mit nachher Hause nehmen die Erlaubnis haben, ist eine echte Kerzen zum Anzünden – mit echtem Feuer! Gemeinsam gebetet wird übrigens nicht mehr, an dieser Stelle wird Freiraum zur inneren Einkehr und dies persönliche Gebet gelassen. Daran könnte man sich gewöhnen. Wie ich den Karfreitag (ohne Kirche) zwei Tage zuvor wahrgenommen habe, dies erspare ich Ihnen und meinem Erinnerungsvermögen möglichst.
Festzustellen ist: Während welcher Religionsausübung nurmehr die Rolle wie ein Kulturangebot unter vielen zukommt – nachher dem Motto „was auch immer kann, nichts muss“, sind welcher Glaube und die Glaubenskämpfe aufwärts medialer und gesellschaftlicher Basis mittlerweile im Stadion beheimatet.