Cyberkriminalität: Festnahmen im Juicy-Fields-Betrug

Hohe Renditen durch Investitionen in virtuelle Gewächshäuser und den Verkauf von medizinischem Cannabis: Auf dieses Szenario wollten sich vom Frühjahr 2020 an Privatanleger auf der ganzen Welt einlassen – befeuert durch eine liberalere Drogenpolitik in verschiedenen Ländern und die Öffnung neuer Märkte. Die Onlineplattform Juicy Fields versprach Anlegern für ihren geringen Einsatz von mindestens 50 Euro Traumgewinne – nach Angaben internationaler Ermittler sollen die Profite je nach Cannabis-Anbau zwischen 70 Prozent und 168 Prozent im Jahr gelegen haben.

Dass sich Europol und nationale Polizeibehörden aus bis zu 35 Ländern überhaupt für den legalen Handel mit medizinischem Hanf interessieren, hat einen Grund: Mitte Juli 2022 hatten sich die Betreiber der Plattform mit den eingenommenen Geldern abgesetzt. Durch den „Exit-Scam“, so der Fachbegriff unter Kriminalbeamten, hatten die Anleger keinen Zugriff mehr auf ihre Konten und ihr eingezahltes Kapital. Allein in den ersten Tagen gingen hierzulande 230 Anzeigen von Anlegern ein.

Geld versickert in Firmengeflecht

Nach fast zwei Jahren gehen die Ermittler davon aus, dass es sich bei dem „E-Grow­ing“ von Juicy Fields um ein groß angelegtes Schneeballsystem handelte, bei dem neu eingesammeltes Geld dazu diente, die wenigen misstrauischen Anleger zu beruhigen, während der Großteil des Kapitals in einem undurchsichtigen Firmengeflecht versickerte. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hatten global rund 186.500 Anleger auf der Plattform investiert, davon vermutlich mehrere zehntausend in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Insgesamt, so gab die Generalstaatsanwaltschaft Berlin vor wenigen Tagen bekannt, haben die Hintermänner knapp 645 Millionen Euro ergaunert, davon knapp 190 Millionen Euro in Kryptowährungen: Juicy Fields ist damit einer der größten Fälle von Cyberkriminalität der vergangenen Jahre.

In der vergangenen Woche haben Staatsanwälte und Ermittler im Rahmen eines von Europol und Eurojus organisierten „Action Day“ nun zurückgeschlagen. In elf Ländern durchsuchten Ermittler Wohnungen, gegen neun mutmaßliche Verantwortliche der Online-Plattform wurden Haftbefehle vollstreckt und zahlreiche Vermögenswerte beschlagnahmt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin kürzlich mit.

Allein in Deutschland waren 264 Ermittler im Einsatz, darunter neben Datenforensikern und Kunstfahndern auch Spezialisten für Krypto- und Wirtschaftskriminalität. Sie durchsuchten 17 Wohnungen, überwiegend in Berlin, sowie weitere Privat- und Geschäftsräume von Beschuldigten in Lettland, Estland und Polen. Weitere Razzien fanden in der Dominikanischen Republik, Großbritannien (wo es zu Festnahmen kam), Italien, Portugal, der Schweiz und auf Malta statt.

Verdächtige in U-Haft

Wie die Anklagebehörde mitteilt, wurde in Berlin ein mit Haftbefehl gesuchter 60 Jahre alter Mann festgenommen. Er soll über eine Liechtensteiner Stiftung verdeckt Anteile an Juicy Fields halten und Vorstand einer Aktiengesellschaft des Firmengeflechts sein. In Baden-Württemberg gelang die Festnahme eines weiteren mutmaßlichen Strippenziehers. Der 55 Jahre alte Verdächtige soll als Geschäftsführer und Gesellschafter Zugriff auf sämtliche Geschäftskonten von Juicy Fields gehabt haben. Außerdem beschlagnahmten die Ermittler bei den Beschuldigten rund 500.000 Euro Vermögen. Laut der Nachrichtenagentur „Reuters“ sollen bei einer internationalen Großrazzia im Jahr 2022 Bankkonten und Immobilien mit einem deutlich höheren Wert beschlagnahmt worden sein.

Die Finanzaufsicht Bafin hatte der Juicy Holdings B.V. im Juni 2022 jegliche Angebote für Investitionen in Cannabispflanzen untersagt. Dann ermittelte die Behörde wegen Verstoßes gegen das Vermögensanlagegesetz und warnte Verbraucher eindringlich. Zumindest für versierte Anleger war dies das letzte Warnsignal zum Handeln. Ein Großteil der Privatanleger dürfte jedoch von den Insolvenzen der niederländischen Holding und der deutschen „Juicy Grow“ in den folgenden Wochen überrascht worden sein.

Wer in den Verfahren Forderungen angemeldet hat, wird sich – wenn überhaupt – als Nachranggläubiger ganz hinten anstellen müssen. Diese Erfahrung mussten schon zehntausende Kleinanleger im Wirecard-Skandal machen. Auch bei Juicy Fields dürften die Anleger nicht direkt von den sichergestellten Vermögenswerten profitieren. Wie bei anderen Schneeballsystemen ist mit einem Totalverlust der investierten Summen zu rechnen – oder um im Bild zu bleiben: Der erhoffte Gewinn mit medizinischem Cannabis hat sich für viele Anleger in Rauch aufgelöst.

AngeboteBBaden-WürttembergBerlinBetrugCannabisCyberkriminalitätDeutschlandDrogenpolitikEstlandEuroEuropolFestnahmeGeldGroßbritannienHandelImmobilienINGInsolvenzenInvestitionenItalienJuliNeuerÖsterreichPersonenPolenPortugalRenditenschlagenSchweizVVerbraucherVorstandWELTWirecardWohnungen