Das Strafverfahren gegen Christian Olearius kommt weiter nicht zum Laufen. Wie das Landgericht Bonn auf Nachfrage der F.A.Z. bestätigte, ist die für diesen Mittwoch angesetzte Verhandlung aufgehoben worden. Nach derzeitiger Planung der 13. Großen Strafkammer soll der aktuell prominenteste Prozess um Cum-ex-Geschäfte in Deutschland frühestens Mitte Juni fortgesetzt werden. Damit pausiert das Verfahren gegen den Miteigentümer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg schon drei Monate – und das nur wenige Wochen vor der Sommerpause. Damit dürfte der ursprüngliche Zeitplan des Gerichts, das Termine bis Dezember 2024 festgesetzt hat, nicht mehr zu halten sein.
Schon vor Wochen war aus dem Umfeld des wegen schwerer Steuerhinterziehung Angeklagten zu hören, dass der mittlerweile 82 Jahre alte Olearius weiter unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet. Seit dem Prozessauftakt im September 2023 begleitet eine Ärztin Olearius bei den zeitweise mehrtägigen Verhandlungsterminen in Bonn. Zwischenzeitlich verstarb Olearius’ Ehefrau, schon damals hob die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf mehrere Sitzungen auf.
Kronzeuge unter Druck
Der Prozess befindet sich in einer brisanten Phase. Beim letzten Termin am 12. März musste sich der Rechtsanwalt S., der in vielen Cum-ex-Fällen als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft Köln auftritt, den unangenehmen Fragen von Olearius’ Verteidigung stellen. Sie warf dem früheren Berater der Warburg-Bank vor, bewusst zu lügen. Gemeinsam mit dem zwischenzeitlich verurteilten Steueranwalt Hanno Berger hatte S. bei Cum-ex-Geschäften beraten, sich aber ab Herbst 2016 dafür entschieden, mit den Ermittlern zu kooperieren.
Auf Nachfrage von Richterin Slota-Haaf hatte S. am ersten Tag seiner Zeugenaussage im März erklärt, „Anfang 2007“ in den Räumen der Warburg-Bank an einem Treffen mit Olearius und seinem Kanzlei-Partner Berger teilgenommen zu haben. Dabei seien alle zentralen Punkte der Cum-ex-Transaktionen, insbesondere die Einbindung sogenannter Leerverkäufer besprochen worden. Auf seinen Angaben baut die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Olearius auf – der die Vorwürfe im Ermittlungsverfahren und vor Gericht weiter abstreitet.
Seine Verteidiger legten dem Zeugen S. Kalendereinträge vor, die seine Lüge beweisen sollen. Demnach habe er am besagten Tag in London einen Friseurtermin gehabt und sei nicht in Hamburg gewesen, wo die Warburg-Bank ihren Sitz hat. Zu einem tatsächlich dokumentierten Treffen sei es dann erst im November 2008 gekommen. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen in Frage gestellt. Wegen der Unterbrechung hatte die Staatsanwaltschaft noch keine Möglichkeit S. in dem laufenden Prozess weiter zu den Behauptungen von Olearius’ Strafverteidigern zu befragen.
Zwischenzeitlich haben die Strafverfolger ihrerseits Anklage gegen S. wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben. Über die Zulassung der Anklageschrift muss eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn noch entscheiden. Dieses Verfahren wird nicht mehr von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker betreut werden. Sie scheidet zum Monatsende aus dem Staatsdienst aus und wird Geschäftsführerin bei der Bürgerbewegung Finanzwende.