Cum-ex-Prozess: Der Blutdruck von Christian Olearius

Die Justiz in Bonn ist auf den Ernstfall vorbereitet. Knapp eine halbe Stunde, bevor nach einer Unterbrechung von genau drei Monaten am Donnerstag das Cum-ex-Strafverfahren gegen Christian Olearius fortgesetzt wird, taucht ein Sanitäter mit einem Notfallkoffer vor dem Sitzungssaal W 1.13 im Landgericht Bonn auf. Wie schon länger bekannt ist, steht es nicht gut um den Gesundheitszustand des mittlerweile 82 Jahre alten Angeklagten. Die 13. Große Strafkammer hat in den vergangenen Monaten bereits mehrere Termine in dem Prozess aufgehoben, das seit September 2023 gegen Olearius läuft.

Die Staatsanwaltschaft Köln wirft dem früheren Chef und Miteigentümer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg insgesamt 15 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung zwischen 2006 und Ende 2019 vor. Mehrere Taschen mit Akten werden in den Sitzungssaal getragen. Dann, fünf Minuten vor Beginn der Verhandlung, betritt Olearius mit seinen Verteidigern den Raum, unter ihnen Peter Gauweiler. Der einst mächtigste Privatbankier der Hansestadt Hamburg wirkt müde, manchmal wie abwesend, den Blick auf die Tischplatte vor sich gerichtet.

Gutachten der Uni Köln

Den Grund dafür liefert die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf wenige Minuten später. Ankläger und Verteidiger waren in den vergangenen drei Monaten alles andere als untätig. Zwei Rechtsgespräche im März und im Mai haben stattgefunden, zahlreiche Schriftsätze sind bei Gericht eingegangen.

Ein Gutachten der Rechtsmedizin der Universität Köln wird darüber entscheiden, wie und ob der Prozess überhaupt fortgesetzt werden kann: Slota-Haaf teilt mit, dass Olearius ernsthafte gesundheitliche Probleme mit seinem Blutdruck habe. Nach Einschätzung der Kölner Rechtsmediziner kann der Angeklagte maximal 45 Minuten am Tag einer Sitzung folgen, Olearius ist also derzeit weitgehend verhandlungsunfähig – bis die Schwankungen mit Hilfe seiner Ärzte in den Griff zu bekommen sind.

Verteidiger pochen auf Freispruch

Die Verteidiger, so wird aus den Ausführungen von Slota-Haaf in den kommenden Minuten im Gerichtssaal immer wieder deutlich, nutzten dies ihrerseits für Vorstöße. So habe Bernd Schünemann, Rechtsprofessor aus München und einer der Anwälte von Olearius, mehrfach auf das große Rehabilitationsinteresse seines Mandanten hingewiesen. Die Beweisaufnahme habe eben keinen hinreichenden Tatverdacht gegen seinen Mandanten erhärtet, Olearius müsse deshalb freigesprochen werden, liest die Vorsitzende vor.

Richterin Slota-Haaf zeigt geduldig die Alternativen auf. Vor allem aus Fürsorgepflicht müsse das Gericht von sofort an auf die kurze Sitzungsdauer achten. Doch auf eine schnelle Entscheidung – sei es ein Prozessurteil, eine Aussetzung des Verfahrens oder eine mögliche Einstellung – will sich die Strafkammer nicht festlegen. Den Prozessbeteiligten ist klar: Ohne den sichtbar angeschlagenen Angeklagten kann das Strafverfahren nicht wie derzeit geplant bis zum Dezember 2024 fortgesetzt werden.

Nach etwas mehr als 50 Minuten unterbricht Slota-Haaf die Sitzung bis Freitagmorgen. Verteidiger und Ankläger bleiben sitzen, Olearius selbst verlässt mit langsamen, unsicheren Schritten den Saal – begleitet von dem Mediziner.

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