Manche sagten, es werde Beamte gegeben haben, die sich daran störten, dass Söder im öffentlichen Dienst kürzen will. Oder junge Eltern, die ihm die Abschaffung des Familiengelds übel nehmen. Wieder andere gaben seinen Social-Media-Stunts eine Mitschuld. Oder der Jungen Union. Söder hatte den Parteinachwuchs beim Deutschlandtag hoffen lassen, er werde der SPD Änderungen am Rentenkonzept abtrotzen, trug dieses dann aber doch mit.
Mäßiges Ergebnis nach Irrsinnsaufwand
Ein schwächeres Wahlergebnis kann vorkommen – und ist relativ. SPD-Chef Klingbeil holte bei seiner Wahl desaströse 64,9 Prozent, obwohl er, wie Söder, bei den Koalitionsverhandlungen viel für seine Partei herausgeholt hatte. Zu denken geben müsste Söder allerdings, dass das Ergebnis so mäßig ist, obwohl er davor einen Irrsinnsaufwand betrieben hat: innerparteiliche Gesprächsformate ohne Ende, mediale Omnipräsenz, kaum Sticheleien. Selbst zu dem weithin gelobten Haushalt ohne neue Schulden soll Söder durch die Aussicht motiviert worden sein, als Bewahrer des stoiberschen Erbes vor die Delegierten treten zu können.
Was die ganze CSU ins Grübeln bringen müsste (und es teilweise auch tut): dass trotz der von Schwarz-Rot beschlossenen Investitionen samt Schulden in Rekordhöhe das Wachstum bisher kaum anzieht. Ökonomen sagen, das werde noch auf Jahre so bleiben.
Damit könnte Söder nicht nur ein Problem bei der nächsten Landtagswahl bekommen, es steht auch die Grundannahme von CSU und CDU auf wackligen Füßen: dass viele Probleme gelöst würden, wenn nur die alte Prosperität erreicht sei. Eben das gilt auch als Patentrezept im Kampf gegen die AfD. Eine andere Erfolg versprechende Strategie gibt es bisher nicht. Jedenfalls haben weder Söders Abgrenzung noch die „Asylwende“ verhindert, dass die Partei in Bayern bei 19 Prozent angekommen ist.
Schwächen im Umweltschutz und beim „S“
Söder hat auf dem Parteitag in einer angenehm unpolemischen Rede versucht, an die großen Traditionen der CSU anzuknüpfen. Beim Thema technologischer Fortschritt muss er sich da nichts nachsagen lassen. Da hat er mit seiner Hightech-Agenda die Zeichen der Zeit erkannt.
Anders beim Umweltschutz, den man zwanglos vom C in CSU herleiten könnte. Da gilt inzwischen das Prinzip „bauen, bauen, bauen“. Von der Flächenversiegelung wird man wohl erst wieder beim nächsten Hochwasser hören.
Dünn wurde es auch, als es um das S in CSU ging, das Soziale. Da kam nur die – auch in der CSU nicht unumstrittene – Mütterrente. Söder sagte, die CSU sei die „Schutzmacht der kleinen Leute“. Das ist schöne Nostalgie und Utopie zugleich. Die Gegenwart ist eher, dass viele CSU-Promis sich wohler fühlen bei Executive Nights am Tegernsee als in der von Strauß beschworenen Leberkäs-Etage.
Das Gegenangebot der AfD
Ins Vakuum stößt nicht zuletzt die AfD. Söder sagt zu Recht, dass man dieser Partei das Land nicht anvertrauen dürfe. Es gibt dort aber auch theoretisch beschlagene Leute, die sich mit sozialen Fragen befassen („Marx von rechts“), die den Umweltschutz als Heimatschutz für sich entdecken und die dem Unernst oder Pseudoernst mancher Debatte der etablierten Parteien so etwas wie das Eigentliche, das Entschiedene, das Existenzielle entgegenzusetzen versuchen. Wozu diese Konzepte führen können, wenn sie von den Falschen besetzt werden, sollte bekannt sein.
Über solche Fragen wurde auf dem CSU-Parteitag nicht einmal in Ansätzen debattiert. Auch nicht wirklich über das Verhältnis zu Amerika oder die Ukraine. Manfred Weber, EVP-Chef und CSU-Vize, versucht gerade, aus der programmatischen und strategischen Bequemlichkeit auszubrechen. Er hat ein deutlich besseres Ergebnis bekommen als Söder. Warum?
Eine Erklärung ist, dass er es leichter hat, weil er in seiner Rolle kaum einem in der CSU wehtun muss. Das gilt auch für Ilse Aigner, die Landtagspräsidentin, die noch besser abschnitt.
In einer offenen Feldschlacht würden die beiden Söder wohl unterliegen, aber sie stehen eben für die Bandbreite der Partei, zumindest charakterlich.
Würde Söder sie, statt sie zu beargwöhnen, ins Schaufenster stellen, so wie er das mit Alexander Dobrindt tat, könnte ihn das entlasten von der selbst gestellten Aufgabe, das Schicksal seiner Partei, ja des Landes quasi allein wenden zu müssen. Das könnte sich auch für ihn auszahlen, Stichwort Stoibers Erbe. Über den sagte ein Delegierter, er sei als CSU-Chef alle drei Jahre in den Kreisverband gekommen. Das sei immer etwas Besonderes gewesen. Söder hingegen sei alle drei Monate da.
Source: faz.net