In der Aufarbeitung der Beschaffung von Corona-Schutzmasken übt die Ampelkoalition Druck auf ihren eigenen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP wollte der Haushaltsausschuss des Bundestags die Regierung am Mittwochnachmittag auffordern, dass die Prüfung über die von Lauterbach angestoßene interne Revision in der ersten Phase der Pandemie hinausgehen müsse. Auch fordern die Parlamentarier in dem sogenannten Maßgabebeschluss, der der F.A.Z. vorliegt, den Bundestag stärker als bisher in die Untersuchung einzubeziehen.
„Der potentielle finanzielle Schaden der massiven Überbeschaffung durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU in Höhe von 2,3 Milliarden Euro ist gravierend“, sagte die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta. Es sei von zentraler Bedeutung, dass nicht nur, wie von Lauterbach geplant, Licht in die unbegrenzte Festpreisbestellung des „Open-House-Verfahrens“ gebracht werde, sondern „dass alle Beschaffungsprozesse vollständig aufgearbeitet werden und das Parlament in die Untersuchung einbezogen wird.“
Der FDP-Obmann im Haushaltsausschuss, Karsten Klein, sprach von einer „massiven Überbeschaffung“, die auch mit der damaligen Krisensituation nicht zu erklären sei. Die vom Ausschuss geforderte umfangreichere Aufarbeitung diene dazu, in Zukunft besser vorbereitet zu sein und mit Steuergeld sorgfältiger umzugehen. „Zu den offenen Fragen gehört, warum selbst dann noch neue Verträge über Maskenlieferungen vereinbart wurden, als die Bundesregierung schon den Stopp der Maskenbeschaffung beschlossen hatte“, so Klein. Um die Maskenkäufe im Frühjahr 2020 zu untersuchen, hatte Lauterbach im Juli 2024 Margaretha Sudhof (SPD) als „Aufklärungsbeauftragte für die Maskenvorgänge“ eingesetzt. Die F.A.Z. berichtete als erste darüber.
Bericht bis Jahresende
Die Juristin Sudhof war zuvor Staatssekretärin im Justiz- und Verteidigungsministerium gewesen. Sie soll Lauterbach bis zum Jahresende einen Bericht dazu vorlegen, warum das offene Beschaffungsverfahren für die Masken (Open House) aus dem Ruder lief. Weil es keine Mengenbegrenzung im Einkauf gab, weil hohe feste Stückpreise gezahlt wurden und weil die Lager schnell überfüllt wurden, war das Ministerium damals vorzeitig von vielen Verträgen zurückgetreten. Dagegen sind rund 100 Klagen anhängig, die in einigen Fällen schon im Sinne der Lieferanten entschieden worden sind.
In dem Maßgabebeschluss vom Mittwoch begrüßen die Abgeordneten Sudhofs Einsetzung, halten Lauterbachs Auftrag an sie aber für inhaltlich und zeitlich zu begrenzt und darüber hinaus für intransparent. Sie fordern die Bundesregierung auf, bis Mitte Oktober den Inhalt und die rechtliche Grundlage von Sudhofs Mandat offenzulegen. Der Ausschuss verlangt auch, die „Gründe für die massive Überbeschaffung von Schutzmasken während der Coronapandemie […] umfassend und transparent aufzuarbeiten und dem Haushaltsauschuss einen (Zwischen-)Bericht bis zum 15.01.2025 über die Ergebnisse vorzulegen“.
Sudhofs bisherige Erkenntnisse sollen darin einfließen, sie dürfen nach dem Willen des Ausschusses also nicht nur Lauterbach als Teil der Exekutive, sondern müssen auch der Legislative ausgehändigt werden. Dabei sei der Sudhof-Bericht allerdings nur ein Teil der geforderten Gesamtprüfung der Maskenbeschaffung. Klarzustellen habe das Ministerium zudem, wie die „Bedarfsermittlung“ am Beginn der Pandemie wirklich ausgesehen habe. Indirekt gerügt wird auch die schlampige Buchführung im Gesundheitsministerium, die schon der Bundesrechnungshof in seiner Kritik der überschießenden Maskenbeschaffung angeprangert hatte. In dem Ausschusspapier heißt es jetzt: „Entscheidungen und Entscheidungsprozesse [sind] auch in Krisenzeiten in angemessener Weise zu dokumentieren und so eine Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit zu gewährleisten.“