Chemieproduktion nachher Wetterlage? Branchenverband kritisiert Netzpläne welcher Regierung

Die Pläne der Bundesregierung für das Strommarktdesign der Zukunft sind auf deutliche Kritik der chemischen Industrie gestoßen. Die Produktion abhängig von Wind und Wetter hochzufahren oder zu drosseln ist nach Darstellung des Branchenverbands VCI nur schwer möglich und wenn doch, dann nur zu höheren Kosten. „Chemieanlagen sind kein Herd, den man einfach an- und ausschalten kann“, sagte VCI-Experte Matthias Belitz im Gespräch mit Journalisten.

Nach einem Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur sollen bis zum Jahr 2026 die Netzentgelte neu geregelt werden, also die Einnahmen der Netzbetreiber. Die Netze müssen schließlich erheblich ausgebaut werden, um sie für die Energiewende zu rüsten. Und das ist teuer: Der VCI spricht von einem Investitionsbedarf von gut 460 Milliarden Euro bis ins Jahr 2045. Schon im vergangenen Jahr habe sich das durchschnittliche Übertragungsnetzentgelt auf 6,43 Cent je Kilowattstunde erhöht. Es werde in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen.

Bisher erhalten Großverbraucher allerdings erhebliche Rabatte – 80 bis 90 Prozent – auf die Netzentgelte. Vorausgesetzt, sie stellen eine sogenannte Bandlast sicher, sie bestellen also konstant große Mengen im Jahr. 400 solche Bandlastkunden gibt es. Deren Gesamtrabatt beziffert die Bundesnetzagentur dieses Jahr auf etwa 1 Milliarde Euro.

Die Rabattregelung war in einer Zeit eingeführt worden mit weniger großen Energieerzeugern. Kraftwerke und Netzbetreiber konnten so besser planen. In der neuen Energiewelt mit vielen Erzeugern und wetterbedingten Schwankungen verlieren diese Rabatte allerdings ihren Sinn. Kritiker werfen den Unternehmen sogar vor, sie hätten ihre Stromnachfrage zum Teil künstlich verstetigt, nur um an besagte Rabatte zu kommen.

Der VCI befürchtet dagegen, dass der Wegfall der Rabatte die Energiekosten weiter in die Höhe treibt. Allein die Kosten für die Netzentgelte würden auf das Fünf- bis Zehnfache steigen, sagte Belitz. Bei einzelnen Unternehmen könnten sich die Mehrkosten auf einen kleineren zweistelligen Millionenbetrag summieren.

„Flexibilität gibt es nicht zum Nulltarif“

Die Pläne der Bundesregierung für ein „Strommarktdesign der Zukunft“ sehen vor, dass Unternehmen künftig nur dann einen Rabatt bekommen, wenn sie bei Stromüberschüssen ihren Verbrauch erhöhen oder bei einer Flaute die Produktion herunterfahren. Für die chemische Industrie, deren Anlagen oft gleichmäßig rund um die Uhr laufen, ist dies ein Pro­blem.

Bislang, sagte Belitz, würden Anlagen möglichst konstant gefahren und möglichst hoch ausgelastet. Damit würden Fixkosten gesenkt, und die Effizienz würde erhöht. Zudem benötige die chemische Industrie planbare und sichere Mengen für die nachfolgenden Produktionsstufen. Die Pläne der Bundesnetzagentur würden dieser Komplexität nicht gerecht. Belitz verwies auf die Chloralkali-Elek­trolyse, bei der gleich drei wichtige Grundchemikalien Chlor, Wasserstoff und Natronlauge für die Weiterverarbeitung erzeugt werden. Ein Produktionsverbund umfasse manchmal 30 Stufen.

Vor allem am Anfang der Wertschöpfungskette sei die Flexibilität deshalb gering und die Stromintensität hoch. Grundsätzlich sei es zwar möglich, die Produktion flexibler zu gestalten. Doch so ein Umbau habe seinen Preis. Unternehmen müssten in Speicherkapazitäten und neue Lager investieren und damit auch neue Sicherheitsauflagen erfüllen. „Flexibilität gibt es nicht zum Nulltarif.“

Das mögliche Sparpotential bezifferte der VCI nicht. Belitz sagte nur, gemessen am aktuellen Strombedarf der chemischen Industrie von 48 Terawattstunden im Jahr wäre ein einstelliger Prozentbereich ohne viele Veränderungen möglich.

Gleichwohl lobt der VCI die Konsultationen mit der Bundesregierung. Immerhin werde die Industrie in die neuen Überlegungen einbezogen. Die Neuregelungen sollen erst nach weiteren Gesprächen voraussichtlich Anfang 2026 in Kraft treten. Die Niederlande hatten kürzlich das Bandprivileg kurzfristig ganz abgeschafft – ohne Absprache mit der Industrie.

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