Die Aufforderung ist unmissverständlich. Bis zum 31. Dezember soll der Wohnungseigentümer Auskunft geben über den „Zustand der Heizungsanlage“, sämtliche „Bestandteile der Heizungsanlage“ und „Ausstattungen zur Effizienzsteigerung“. So steht es in einem Formular, das der Mittvierziger – seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen – von der Hausverwaltung bekommen hat. Der Eigentümer vermietet im Frankfurter Stadtteil Bornheim eine kleine Altbauwohnung mit Gas-Etagenheizung. Nach einer Erneuerung der Anlage vor drei Jahren für mehrere Tausend Euro dachte er eigentlich, er hätte jetzt erst mal Ruhe. Das war vor der Verschärfung des Gebäudeenergiegesetzes im vergangenen Jahr, besser bekannt als Heizungsgesetz.
In dem Formular ist davon die Rede, dass demnächst eine fünfjährige Übergangsfrist beginne und von da an eingebaute Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. „Wie das funktionieren soll, konnte mir bislang niemand sagen. Es gibt hier nur einen Gasanschluss, und für eine Wärmepumpe ist das Haus laut Installateur nicht geeignet“, sagt der Vermieter. Voraussetzung für eine Wärmepumpe wäre eine aufwendige Dämmung, welcher der Denkmalschutz und die langwierigen Abläufe in der Eigentümergemeinschaft im Wege stünden. „Was soll ich machen, wenn in ein paar Jahren meine Heizung kaputtgeht? Mir illegal eine Gasheizung besorgen?“
„Natürlich ein Drama“
Gasheizungen ja, Wärmepumpe nein danke – die Wärmewende läuft nicht so wie von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) erhofft. Nach den Zahlen des Branchenverbands BDH wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres 548.000 neue Heizungen abgesetzt. Davon waren nur 141.500 Wärmepumpen. Die mit Abstand beliebteste Technik war mit 313.000 Stück weiterhin die Gasheizung. Das von Habeck ausgegebene Ziel, 500.000 Wärmepumpen im Jahr zu installieren, ist in weite Ferne gerückt. Der Verband rechnet für das Gesamtjahr 2024 mit insgesamt 740.000 abgesetzten Heizungen, davon nur rund 200.000 Wärmepumpen. Das wären 45 Prozent weniger als im Vorjahr. Ob Ankündigungen wie die der Mannheimer Stadtwerke, ihren Gaskunden 2035 die Versorgung abzudrehen, an diesem Trend etwas ändern werden, ist fraglich. Viele Hauseigentümer warten derzeit erst mal ab, wohin sich die Politik und der Heizungsmarkt entwickeln.
Für Martin Sabel, den Geschäftsführer des Wärmepumpenverbandes, sind das schlechte Nachrichten. Fragt man ihn, warum immer noch so viele Gasheizungen verkauft werden, obwohl das Gerät doch angeblich ein Auslaufmodell ist, hat er gleich eine ganze Reihe an Erklärungen parat. „Mich wundert es nicht, aber es ist natürlich ein Drama“, sagt Sabel. Für Kunden, deren alte Gasheizung jetzt kaputtgeht, sei die Wärmepumpe – inklusive Förderung und angesichts steigender CO2-Preise – in den meisten Fällen schon heute die wirtschaftlichere Lösung. Doch viele Verbraucher schauten allein auf die Anschaffungskosten, die bei Gasheizungen oft nur halb so hoch sind wie bei Wärmepumpen. „Die wenigsten Kunden betrachten den gesamten Investitionszeitraum von 20 Jahren“, sagt der Wärmepumpenlobbyist. „So erkennen sie gar nicht, in welche Falle sie reinlaufen, wenn sie jetzt noch einmal wieder auf fossile Systeme setzen.“ Genau davon hätten die ordnungsrechtlichen Vorgaben im Gebäudeenergiegesetz die Kunden eigentlich abhalten sollen.
„Möglicherweise wird der Handwerker auch versucht sein, dem Kunden die neue Gasheizung nicht auszureden, weil er das auch ganz gut kann und damit vertraut ist“, sagt der Verbandschef. Den Menschen sei 30 Jahre lang erzählt worden, dass neue Gasheizungen das umweltfreundlichste System seien. „Viele Handwerker haben sich inzwischen fortgebildet. Aber es ist trotzdem einfach noch sehr verführerisch für Handwerker und Endkunden, dann noch einmal auf die gelernte Gasheizung zu setzen.“
Wärmepumpe braucht Planungszeit
An den Installateuren liege das Festhalten an der Gasheizung nicht, widerspricht Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). „Unsere Innungsfachbetriebe beraten grundsätzlich technologieoffen und nicht einseitig pro Gas.“ Der Faktor Zeit spiele aber eine wichtige Rolle. Etwa ein Drittel der neuen Heizungen wird Bramann zufolge eingebaut, weil es zuvor eine Havarie gab, die bisherige Heizung nicht mehr funktioniert. „Da muss es, gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, schnell gehen. Daher wird oft einfach der Gaskessel getauscht. Das geht schnell, ist vergleichsweise günstig, und man hat erst mal Ruhe.“
Der Einbau einer Wärmepumpe brauche dagegen Planungszeit. Zugänge müssen geschaffen, ein Fundament muss gegossen werden. Teils müssen auch Erdbohrungen beantragt und durchgeführt werden. 80 Prozent der Betriebe könnten Wärmepumpen, sagt der Verband. Aber das Verfahren dauert, kostet und lässt viele Eigentümer zögern. Das Thema wird aufgeschoben. Großstädte haben bis Mitte 2026 Zeit, um ihre Wärmeplanung abzuschließen. Erst danach greift die von Habeck eingeführte Pflicht, dass neue Heizungen zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen. Kleinere Städte haben noch zwei Jahre länger Zeit.
Heizungsgesetz „recht technologieoffen“
Die Verbraucherzentralen rieten in ihrer Energieberatung meistens von einer neuen Gasheizung ab, sagt Peter Kafke vom Bundesverband (VZBV). „Wir empfehlen in den meisten Fällen eine Wärmepumpe, in Einzelfällen auch eine Heiztechnik für Holz, das heißt Pellets oder eventuell Stückholz oder Hackschnitzel – das kommt auf die individuellen Rahmenbedingungen an.“ Das Heizungsgesetz sei entgegen anderslautenden Behauptungen „recht technologieoffen“ und erlaube unterschiedliche Heizungsformen. „Wir erwarten Wärmenetze und Wärmepumpen als Standardlösungen, Biomasse in Ausnahmefällen und Wasserstoff praktisch nicht.“ Verringere sich der Preisabstand zwischen Gas und Strom, setze sich die Wärmepumpe weiter durch.
In Mannheim sollen viele der bisherigen Gaskunden innerhalb der nächsten zehn Jahre ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das ist für Eigentümer erst mal bequem, weil die Einrichtung einer Übergabestation – wenn die Leitungen erst mal liegen – kein großer Aufwand ist und sich der Versorger um die Ergrünung der Fernwärme – bislang oft noch mit Kohle erzeugt – kümmern muss. Im laufenden Betrieb kann es mit der Fernwärme aber unangenehm werden. Verbraucherschützer kritisieren undurchsichtige Preise und hohe Unterschiede zwischen den Städten. Auch das kann dazu beitragen, dass Installateure erst mal wieder zu einer neuen Gasheizung raten. „Handwerker kennen die Preise der verschiedenen Heizsysteme. Und da muss man klar sagen: Fernwärme ist wegen der Monopolstellung der Anbieter zumeist eine der teuersten Varianten, um ein Haus warm zu bekommen“, sagt Helmut Bramann vom Heizungsverband. Auch Wärmepumpen-Verbandschef Sabel warnt vor überzogenen Erwartungen an den Fernwärmeausbau.
Union will Förderung beenden
Wie geht es jetzt weiter? Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Reform des Gebäudeenergiegesetzes im vergangenen Jahr nicht die letzte war. Die CDU kündigt bei jeder Gelegenheit an, das „Heizungsgesetz zurücknehmen“ zu wollen, wie Unions-Fraktionsvize Jens Spahn kürzlich im F.A.Z. Podcast sagte. Ähnlich äußerte sich am Montag FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Dass die Union das komplette Gesetz abschaffen will, darf allerdings bezweifelt werden – es wurde schließlich unter einer CDU-geführten Bundesregierung 2020 erst eingeführt. Eher schon zu erwarten ist, dass unter einem Kanzler Friedrich Merz die Vorgaben für die Nutzung von Erneuerbaren gelockert und das Heizen mit Biomasse wie Holz erleichtert wird. Überraschende Rückendeckung bekamen Spahn & Co. kürzlich von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Sie sprach sich auf einer Veranstaltung der Wohnungswirtschaft für eine grundlegende Reform des Gebäudeenergiegesetzes aus. Es müsse „viel, viel“ einfacher gemacht werden.
Eine Frage, die viele Hauseigentümer umtreiben dürfte, ist die nach der Förderung. Von Unions-Fraktionsvize Spahn stammt auch die Aussage: „Wir beenden die habeckschen Subventionsprogramme.“ Das Geld soll nach dem Willen der Union an anderer Stelle genutzt werden, etwa zur Stärkung der Wirtschaft. In diesem Jahr stehen im Klima- und Transformationsfonds für die Gebäudeförderung 16,7 Milliarden Euro bereit. Das Programm ist unter Hauseigentümern beliebt, und diese sind eine wichtige Wählerklientel der CDU. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings auch gezeigt, dass nicht alles eingeplante Geld auch abgerufen wird.
„Das Gesetz abschaffen kann man nicht, man kann und sollte es aber besser machen“, sagt Bramann. „Wir müssen weg von der Benachteiligung von Biomasse wie Holz. Das ist ideologiegetrieben. Es bringt auch nichts, die Wärmepumpe zum Nonplusultra zu erklären, wenn die Stromnetzbetreiber die Leistung drosseln, wenn zu viele Wärmepumpen gleichzeitig angehen. Wer befürchten muss, sein Haus nicht warm zu bekommen, wird sich keine Wärmepumpe einbauen.“
Zurück nach Frankfurt-Bornheim. Auf dem Formular, das der Wohnungseigentümer ausfüllen muss, hat er notiert, was sein Installateur zu seiner Gasheizung gesagt hat. „Hält ewig“, steht da. Und: „Viel besser als Habecks Wärmepumpen, selbst Schuld wer die Grünen wählt.“ Die Grünen, erzählt er, stünden in dem Frankfurter Stadtteil eigentlich hoch im Kurs. Aber: „Das hilft ihnen sicher nicht, was hier gerade passiert.“