Zentrale Vorgaben zur Struktur und Arbeitsweise des Bundesverfassungsgerichts werden ins Grundgesetz aufgenommen. Das hat der Bundestag mit Stimmen von SPD, Union, Grünen, FDP und der Gruppe Die Linke beschlossen. Der Bundesrat muss dem Gesetzesvorhaben, das die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Gerichts auch in politisch stürmischen Zeiten sicherstellen soll, noch zustimmen.
600 Abgeordnete stimmten nach den Worten von Bundestagsvizepräsident
Wolfgang Kubicki (FDP) dafür, 69 Abgeordnete votierten dagegen. Insgesamt sitzen 733 Abgeordnete im derzeitigen Bundestag. Damit
wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. Der Bundesrat wird sich mit der Reform bereits an diesem Freitag beschäftigen. Das
ist möglich, weil die Länder einer Fristverkürzung zugestimmt haben.
Die Reform sei notwendig, um kein Einfallstor für die Feinde der
Demokratie offenzulassen, argumentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in
der abschließenden Debatte und erinnerte an die
gescheiterte Weimarer Demokratie. Diese sei nicht zuletzt ein Scheitern der Demokratinnen
und Demokraten gewesen. Denn diese hätten es versäumt, die notwendigen Schritte zum Schutz und zur Verteidigung ihrer Demokratie zu machen.
Der Entwurf war von den Fraktionen der ehemaligen
Ampelregierung aus SPD, Grünen
und FDP, sowie CDU/CSU eingebracht worden, um mit der Grundgesetzänderung das
Bundesverfassungsgericht resilienter zu machen. Dieses solle deutlicher als
Verfassungsorgan im Gesetzestext markiert werden, teilten die Parteien in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit.
Sicherung des Verfassungsgerichts im Grundgesetz
Die zwölfjährige Amtszeit
der Richterinnen und Richter, der Ausschluss einer Wiederwahl sowie die
Altersgrenze von 68 Jahren sollen ins Grundgesetz übertragen werden.
Diese und andere Vorgaben zu Status, Struktur und Arbeitsweise des
Gerichts regelte bislang das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Das aber
kann mit einfacher Mehrheit geändert werden – das Grundgesetz nicht.
Ins
Grundgesetz soll auch die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in keinem Fall gefährdet ist,
soll im Grundgesetz künftig außerdem stehen, dass ein Richter seine
Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Das Gleiche gilt für die
Geschäftsordnungsautonomie, also den Grundsatz, dass das
Bundesverfassungsgericht seine inneren Angelegenheiten selbst regeln
darf. Das bedeutet unter anderem, dass die Richter selbst entscheiden
können, in welcher Reihenfolge sie Akten bearbeiten. So will man
verhindern, dass Politiker bestimmte Entscheidungen des Gerichts
hinauszögern können.
Neuer Mechanismus zur Richterwahl
Zudem soll für den Fall einer Sperrminorität bei der Richterwahl ein Ersatzwahlmechanismus eingeführt werden: Falls keine
Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, soll das Wahlrecht vom Bundestag
auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt. Das soll eine dauerhafte
Blockade verhindern. Die Details zu dieser neu geschaffenen Möglichkeit haben die Initiatoren der Reform ins Bundesverfassungsgerichtsgesetz eingefügt, über das getrennt abgestimmt wurde. Auch hier stimmte eine große Mehrheit für den Entwurf.
„Schnell werden sie zur Zielscheibe der Politik, wenn kritische Richter
unliebsame Urteile sprechen“, sagte Bundesjustizminister Volker Wissing.
Deshalb sei ein besserer Schutz für Deutschlands oberste
Verfassungshüter dringend notwendig.
Richterbund fordert weitere Änderungen
Der Bundesgeschäftsführer
des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, lobte die Reform: „Die Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts
ist von herausragender Bedeutung für den Rechtsstaat.“ Es sei gut, dass
die Parteien der demokratischen Mitte im Bundestag jetzt den Weg für
eine Grundgesetzänderung noch vor den anstehenden Neuwahlen geebnet
hätten.
Er forderte jedoch eine weitere Änderung: „Auch der Bundesrat
sollte künftig bei Gesetzesänderungen, die die Arbeitsweise des
Bundesverfassungsgerichts betreffen, zustimmen müssen.“ Das würde das Schutzpaket für die
Verfassungsgerichtsbarkeit komplettieren, argumentierte Rebehn. Zudem forderte er die Länder auf, ihre Landesverfassungen und
Justizgesetze nochmals auf mögliche Schwachstellen zu prüfen – und gegebenenfalls besser zu schützen.