Bundestagswahl 2025: Lohnt sich taktisches Wählen c/o welcher Bundestagswahl?

Was bewirkt die eigene Stimme bei der Bundestagswahl? Diese Frage stellen sich taktische Wählerinnen und Wähler. Viele hoffen zudem, durch strategische Überlegungen die AfD schwächen zu können. Wie realistisch ist das? Und inwiefern erschwert das neue Wahlrecht taktisches Wählen? 

Wie funktioniert taktisches Wählen?

Eine allgemeingültige Definition für taktisches Wählen gibt es nicht. Im engeren Sinne wählt taktisch, wer seine zwei Stimmen auf verschiedene Parteien verteilt. Dies hat bei den vergangenen Bundestagswahlen jeweils etwa ein Viertel der Wählerinnen und Wähler getan. Manche Menschen gehen aber darüber hinaus – und wählen unter Umständen sogar eine Partei, mit der sie programmatisch weniger gemein haben als mit einer anderen.

„Im Grunde wählt man schon strategisch, wenn man nicht nur an die Partei denkt, die man bevorzugt, sondern an die Koalition, die man haben oder vermeiden möchte“, sagt die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Strategische Wähler fragen sich also im Vorfeld der Wahl nicht nur, mit welchem Parteiprogramm sie am meisten übereinstimmen, sondern in welcher Regierungskonstellation ihre Hauptanliegen am ehesten umgesetzt würden – oder eben nicht. 

Wer so vorgehen will, sollte sich überlegen, welches politische Thema ihm am wichtigsten ist. Ist es etwa die Stärkung der Bundeswehr, kann ein schwarz-grünes Bündnis eher zum Ziel führen als ein schwarz-rotes. Auch bei der Unterstützung der Ukraine sind sich Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz und der Grüne Robert Habeck näher als Union und SPD. Eine Durchsetzung sozialpolitischer Vorhaben etwa bei der Rente wäre dagegen in einer schwarz-roten Konstellation wahrscheinlicher: Die SPD hat angekündigt, die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens zur Bedingung für eine künftige Regierungskoalition zu machen. Wähler, für die das Festhalten an der Schuldenbremse Priorität hat, sollten überlegen, ob sie für die FDP oder aber CDU/CSU stimmen – um diese in einer Koalitionsregierung zum deutlich stärkeren Partner zu machen. 

Was sich auch durch taktisches Wählen aller Voraussicht nach nicht ändern lassen wird, ist das starke Wahlergebnis für die Union, die in Umfragen doppelt so hohe Werte erzielt wie SPD und Grüne. Für taktische Wählerinnen und Wähler ohne Nähe zu CDU/CSU geht es also vorrangig um die Frage, welche Regierungskonstellation mit Merz als Kanzler sie für die beste halten oder welche Partei sie sich in der Opposition wünschen.

Nach oben

Link kopieren

Warum ist taktisches Wählen bei der anstehenden Bundestagswahl schwieriger als sonst?

Im früheren Drei- bis Vierparteiensystem der Bundesrepublik sei taktisches Wählen – besonders im Sinne des Stimmensplittings – noch relativ einfach gewesen, sagt Politikwissenschaftlerin Münch. Vor allem im konservativen Lager teilten traditionell viele Menschen ihre Stimmen auf: Die Erststimme ging dann an die CDU, die Zweitstimme an die FDP. Sinnvoll war das aus Sicht der damaligen Wähler auch, weil in den Achtziger- und Neunzigerjahren vor Wahlen oft klare Koalitionsaussagen getroffen wurden. 

„Bei der anstehenden Bundestagswahl ist es ungleich schwieriger, in Koalitionen zu denken, weil wir mindestens drei, wenn nicht sogar vier Parteien haben, von denen wir wissen, dass sie den Einzug in den Bundestag eventuell schaffen, eventuell aber auch nicht“, sagt Münch. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die derzeitigen Umfragen die Wählerstimmung gut abbilden, ist die genaue Zusammensetzung des künftigen Bundestags völlig unklar. „Man weiß im Grunde nicht, ob es für eine Zweierkoalition reichen oder ein Dreierbündnis zwingend wird. Daran scheitert dieses Koalitionsplanungswählen schon ein bisschen.“

Hinzu kommt, dass bei der bevorstehenden Bundestagswahl zum ersten (und wahrscheinlich letzten) Mal das neue Wahlrecht greift. Dieses soll die Größe des Bundestags reduzieren. Sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate wird es nicht mehr geben. Entscheidend für die Stärke einer Partei im Parlament ist nur noch ihr Zweitstimmenergebnis – und zwar auch dann, wenn sie über die Erststimme mehr Direktmandate geholt hat. In der Praxis bedeutet das: Erhält eine Partei mehr Direktmandate als Zweitstimmen, kommen nicht alle direkt gewählten Kandidaten in den Bundestag. Damit verfallen faktisch auch die Erststimmen jener Wähler, die einen Kandidaten unterstützt haben, der seinen Wahlkreis zwar gewonnen hat, am Ende aber nicht in den Bundestag einzieht. 

Solche Szenarien fürchtet derzeit vor allem die Union, die in ihrer Kampagne dazu aufruft, sie „mit beiden Stimmen“ zu unterstützen. „Tatsächlich trifft das neue Wahlrecht vor allem die CDU in Baden-Württemberg und die CSU in Bayern. Die Union hat daher noch mehr als in der Vergangenheit ein großes Interesse daran, den Leuten einzuschärfen, dass die Zweitstimme so wichtig ist“, sagt Münch. 

Nach oben

Link kopieren

Für wen lohnt sich strategisches Wählen bei der Bundestagswahl?

Wer seine Stimmen beim Wählen normalerweise aufteilt, sollte dies in diesem Jahr überdenken. „Mit Blick auf die Veränderungen des Wahlgesetzes spricht aus meiner Sicht mehr dafür, die Stimmen kohärent zu vergeben und nicht aufzuteilen“, sagt Münch. 

Doch es gebe Ausnahmen. „Als Wählerin muss ich mir den einzelnen Wahlkreis genau anschauen. Wer hat dort die beste Chance? Und hat derjenige die beste Chance, dessen Partei auch beim Zweitstimmenergebnis am besten abschneiden wird?“ Auch gelte es zu überprüfen, ob es aussichtsreiche Gegenkandidaten zum eigenen Favoriten gibt. In Baden-Württemberg etwa sei mit einem sehr guten Ergebnis für die CDU zu rechnen. Das Zweitstimmenergebnis werde aber voraussichtlich nicht an die Ergebnisse in den Wahlkreisen heranreichen. „Ein strategischer Wähler in Baden-Württemberg, der normalerweise mit der Erststimme die CDU wählen würde, könnte zum Beispiel feststellen, dass in seinem Wahlkreis auch der Grünenkandidat eine gute Chance hat. Wenn diese Person nun den Grünen die Erststimme und der CDU die Zweitstimme gibt, könnte die Rechnung aufgehen. Das hängt aber wirklich vom Wahlkreis ab“, sagt Münch.

Ausschlaggebend sein kann das Erststimmenergebnis weiterhin für kleinere Parteien, die beim Zweitstimmenergebnis nicht den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Denn Bestand hat im neuen Wahlrecht die Grundmandatsklausel, die dazu führt, dass Parteien in den Bundestag einziehen, die mindestens drei Direktmandate geholt haben. 

Darauf, auf diesem Weg wieder in den Bundestag einzuziehen, hofft die Linke mit ihrer „Silberlocken“-Kampagne. Aber auch die Freien Wähler in Bayern werben mit dem Argument für sich, dass ein Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gar nicht nötig sei, um in den Bundestag einzuziehen. Münch verweist auf Wahlkampfauftritte von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. „Aiwanger sagt im Grunde: ‚Gebt uns eure Erststimme, und wählt mit der Zweitstimme die CSU. Es ist unschädlich.‘ Damit könnte er in zwei Wahlkreisen schon Erfolg haben. Wenn die Freien Wähler aber das notwendige dritte Mandat nicht bekommen, nützt das Ganze nichts. Dann war die strategische Wählerei umsonst.“

Nach oben

Link kopieren

Kann man der AfD durch taktisches Wählen schaden?

Bei Landtagswahlen haben strategische Wähler zuletzt verhindert, dass die AfD stärkste Kraft werden konnte. In Brandenburg führte die Ankündigung von Ministerpräsident Dietmar Woidke zurückzutreten, sollte die AfD ein besseres Ergebnis erzielen als seine SPD, zu einer deutlichen Wählerwanderung hin zu den Sozialdemokraten. Und auch in Sachsen wählten Anhänger anderer demokratischer Parteien die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer, um einen Sieg des rechtsextremen AfD-Landesverbands zu verhindern.

Auch vor der Bundestagswahl rufen einige Organisationen dazu auf, den Rechtsruck durch taktisches Wählen zu bremsen. Die meisten Umfragen sehen die AfD derzeit mit rund 20 Prozent auf Platz zwei nach der Union. Die Kampagnenorganisation Campact mahnt, die eigene Stimme nicht zu verschenken, indem man sie Kleinstparteien gibt, die keine Chance auf ein Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde haben.

Ähnlich sieht es Ursula Münch, die es für zentral hält, „dass wir eine handlungsfähige Regierung bekommen“. Wer die AfD möglichst kleinhalten wolle, tue dies am besten, indem er keine „winzig kleinen Parteien“ wähle. Hinzu komme: „Wer sein Glück bei den Sonstigen sucht, muss sich meines Erachtens nicht wundern, wenn er wieder mit einer Dreierkoalition aufwacht.“

Scholz entlässt Lindner6.11.24

Neuwahl23.2.

Gewichteter Mittelwert

Einzelne Umfragen

Welche Koalitionen sind möglich?

Basierend auf den aktuellen Umfragen und ihrer
Unsicherheit simulieren wir täglich 1.000 verschiedene
Wahlausgänge und berechnen für jeden eine fiktive
Sitzverteilung. Dann zählen wir, wie oft die jeweilige
Koalition eine Mehrheit hätte.

Koalition Chancen auf Mehrheit
+ nahe Null
+ nahe Null
+ nahe Null
+ nahe Null
+ nahe Null
+ nahe Null
+ nahe Null

Nach oben

Link kopieren

Was bewirkt die eigene Stimme bei der Bundestagswahl? Diese Frage stellen sich taktische Wählerinnen und Wähler. Viele hoffen zudem, durch strategische Überlegungen die AfD schwächen zu können. Wie realistisch ist das? Und inwiefern erschwert das neue Wahlrecht taktisches Wählen? 

AfDAiwangerBaden-WürttembergBayernBildungBrandenburgBundestagBundestagswahl 2025BundestagswahlenBundeswehrCDUCSUDeutschlandDie LinkeDietmarEndeFDPFriedrichFriedrich MerzGrüneHabeckHubertKoalitionKoalitionenKretschmerLandtagswahlenLinkLinkeMANMandatMerzMichaelOppositionParteienRegierungRenteRobertRobert HabeckSachsenScholzSchuldenbremseSchwarzSelbstSPDSuchtUkraineUmfragenUnionUrsulaWahlWahlenWählerwanderungWahlrechtWeilWeißWissenWoidke