Fast wäre des Kanzlers Reformherbst in der Sozialpolitik zur Nullnummer geworden. Kurz vor knapp liegt wenigstens ein Kabinettsbeschluss vor, der die schwarz-rote Absicht erkennen lässt, Auswüchse des deutschen Sozialstaats einzudämmen. Der Gesetzentwurf nimmt Langzeitarbeitslose für die viele Hilfe, die sie erhalten, endlich wieder stärker in die Kooperationspflicht als das Bürgergeld, das wie ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt. Mit schärferen Sanktionsmöglichkeiten, engeren Regeln für zu schonendes Vermögen der Transferempfänger und mehr Instrumenten gegen Leistungsmissbrauch signalisiert die Regierung, dass nun auch wieder gefordert wird, wer staatlich gefördert werden will.
Allerdings nicht so konsequent wie einst mit den Hartz-Gesetzen und wie es erforderlich wäre. Der holprige Abstimmungsprozess zwischen Union und SPD belegt: Hier sind Sozialreformer wider Willen an der Arbeit, die sich schwer damit tun, Worten Taten folgen zu lassen. So ist zu befürchten, dass der Entwurf für das neue „Grundsicherungsgeld“ den Bundestag nur gerupft passiert – und die Jobcenter am Ende weiter ohne praxistaugliche Handhabe gegen Leistungsmissbrauch dastehen. Ihren Auftrag, Menschen in Arbeit zu bringen, können sie so schlechter erfüllen. Doch die SPD-Linke will das Gesetz stoppen, obwohl die eigene Arbeitnehmerklientel keine Lust mehr hat, jene zu finanzieren, die das System ausnutzen.
Hält die zum linken Flügel zählende SPD-Chefin und Sozialministerin Bas diesem Druck stand, wäre das ein kleines Zeichen, dass auch für die federführend von ihr zu gestaltende Rentenreform der Koalition noch nicht alles verloren ist. Jedoch fehlt der Regierung hier, anders als beim Bürgergeld, bislang jeder Kompass. Das zeigt die heterogene Besetzung, vor allem aber der diffuse Auftrag der Rentenkommission. Ohne klare Marschrichtung und Ziel kann die Kommission keine taugliche Lösung präsentieren für das, worum es geht: auch in der Alterssicherung wieder zu einer tragfähigen Balance zwischen Zahlern und Empfängern zu kommen.