Hubertus Heil: wird aus dem sozialpolitischen Neuerer nun ein sozialpolitischer Beerdiger?
Hubertus Heils Pläne, im Bürgergeld nunmehr dasjenige – verfassungsgerichtlich qua fragwürdig gewertete – Mittel jener Vollsanktionierung einzuführen, kann man gewiss unter unterschiedlichen Aspekten werten. Der erste ist sicherlich derjenige jener Nützlichkeit – konkret: die Frage, ob die anvisierte Maßnahme hilft, Arbeitssuchende stärker qua bislang in Jobs zu einfahren. Selbst Experten und Politiker, die nicht unbedingt in dem Ruf stillstehen, den Sanktions-Komplex ungelegen zu sehen, nach sich ziehen die letzten Wochen Bedenken vorgebracht. Die Wichtigsten: Mehr Druck könne zwar durchaus dazu resultieren, dass Arbeitslose verschmelzen Job annähmen. Allerdings sei ebendiese Form jener Vermittlung in den meisten Fällen wenig nachhaltig. Bedenken dieser Form formulieren nicht nur Vertreter(medial) aus dem sozialpolitischen Bereich. Selbst Andrea Nahles (SPD), seit dem Zeitpunkt 2022 Chefin jener Bundesagentur pro Arbeit, ist in Bezug auf jener Pläne ihres Parteikollegen skeptisch.
Unethischer Utilitarismus
Zwei weitere Argumente gegen die sozialpolitischen Heil-Pläne werden vor allem aus dem Spektrum jener Bürgergeld- und Grundsicherungs-Initiativen vorgetragen. Sie beziehen sich vor allem uff die von Hubertus Heil vorgenommene Koppelung von (Voll-)Sanktionen und dem vom Arbeitsministerium zu tätigenden Haushalts-Einsparziel von 170 Millionen Euro. Argument eins: Da Hubertus Heil stetig von »wenigen« spricht, die die Sozialsysteme uff ebendiese Weise (mutmaßlich) mißbrauchen, kann dasjenige Einsparziel extra ebendiese Schiene nicht generiert werden – zweckutilitaristisch gesehen wäre es nicht viel mehr qua ein (nicht sehr netter) Versuch. Eine politische Zeitbombe ist sehr wohl zweitrangig die Koppelung qua solche: Selbst wenn es in realitas 150.000 Fälle gäbe, uff die dasjenige Vollsanktionsmittel anwendbar wäre (die Anzahl, die à Jahr erforderlich wäre, um 170 Millionen Euro einzusparen), wäre jener anvisierte Weg immer noch in höchstem Maß unmoralisch – unmoralisch insofern, weil weder Grundgesetz noch demokratische Allgemeingepflogenheiten eine Verkoppelung von Strafen und anvisierten Staatseinnahmen vorsieht.
Positiv formuliert: Ginge es lediglich um dasjenige angestrebte Einsparziel von 170 Millionen, wäre jener Weg einer direkten Einsparung zwar nicht sozialpolitisch, dazu jedoch wenigstens partizipativ unbedenklicher. Realisierbar wäre die angegebene Einsparung etwa durch die summarische Streichung jener Jahresleistungen pro Bürgergeld-/Grundsicherungs-Beziehenden um rund 100 Euro. Praktisch wären dasjenige etwa zwei Monatsraten jener zum 1. Januar vorgenommenen Inflationsausgleichs-Erhöhung. Folge: Sicher würde ebendiese Form ebenfalls uff Widerspruch jener eh schon von kurzer Dauer gehaltenen Betroffenen stoßen. Sie würde sehr wohl nicht den Geruch von Repression und aus dem Sack geholten Knüppel verströmen, den die aktuellen Pläne innehaben.
Um genau dieses Repressionsszenario geht es sehr wohl den Bürgerlich-Konservativen und Rechten, die seit dem Zeitpunkt einem Jahr verstärkt uff dasjenige Thema Sozialhetze setzen und sich, mit im besten Fall graduellen Unterschieden zur italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, kampagnenförmig uff dasjenige Thema Bürgergeld & Grundsicherung eingeschossen nach sich ziehen. Hier können die Knüppel, mit denen uff Leistungsbezieher(medial) draufgeschlagen wird, keiner weit genug sein. Kaum anzunehmen, dass man sich im konservativ-rechten Lager weit Gedanken macht um die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen sowie ethische Fragestellungen, die ebendiese aufwerfen. Erfahrungsgemäß genügt in diesem Lager dasjenige bessere Hälfte Schreckbild von »Florida Rolf«, um genügend Ressentiments zu produzieren und den damit verbundenen sozialen Hass nachher unten.
SPD im Rückwärtsgang
Gerade wegen jener brutalen Rolle rückwärts, welche Hubertus Heil und seine mitentscheidenden Genossen up to date in jener Sozialpolitik vollziehen, ist es hilfreich, die jüngere und mittlere Vorgeschichte dieses Vorstoßes näher zu betrachten. Die SPD nämlich kam zum Bürgergeld keinesfalls wie die biblische Mutter zum Kind, sondern vielmehr aufgrund einer Summe praktisch implizit qua explizit getroffener Richtungsentscheidungen. Zumindestens innerparteilich jedoch dürften sie dasjenige Grundverständnis jener Partei tangiert nach sich ziehen. Denn: Noch zu Zeiten jener letzten großen Koalition befand sich die SPD stramm uff Agenda-Linie. Das Einverständnis mit jener von Gerhard Schröder seinerzeit uff den Weg gebrachten Hartz-4-Gesetzgebung war in den oberen Parteikadern solcherart ausgeprägt, dass ebendiese sogar eine aussichtsreiche Kanzlerkandidatur – die von Martin Schulz – innerparteilich nachher Kräften sabotierten.
An jener Linie, dass Hartz-System uff möglichst abstrichslose Weise beizubehalten, hielt die Partei zweitrangig im Wahlkampf 2021 hold. Im Wahlprogramm jener SPD finden sich sozialpolitisch lediglich spärliche Punkte, die Indizien pro verschmelzen Umdenk-Prozess liefern. Anders die Programme von Grünen, Freie Demokratische Partei und (natürlich) Linkspartei. Alle drei waren zwar weit davon weit, den Kapitalismus abwickeln zu wollen (oder zweitrangig nur dasjenige Hartz-4 innewohnende Repressionssystem). Die Freie Demokratische Partei wollte erklärtermaßen jedoch im Bereich Aufstockungen dasjenige ein oder andere in Bewegung setzen. Die Grünen wiederum legten Leitplanken hold, die vor allem uff spürbare, politisch mit Chancen uff Erfolg durchsetzbare Verbesserungen in dem Bereich fokussierten.
Insofern kann man sagen, dass die Verbesserungen im Bereich Bürgergeld/Grundsicherung letztlich weniger uff die SPD zurückzuführen sind, sondern vielmehr uff Modernisierungs-Ambitionen ihrer Ampel-Partner. Dass die öffentliche Wahrnehmung derzeit eine andere ist, ist vor allem einem zuzuschreiben: Hubertus Heil – qua Arbeitsminister pe se oberster Zuständiger pro den Bereich Sozialleistungen. Mehr als Hubertus Heils Rolle zusammen mit jener sozialpolitischen Lockerung jener SPD ist viel gerätselt worden – und viel in die Person hineininterpretiert. Nicht ganz falsch ist vermutlich die Einschätzung, dass Heil qua »Schröderianer« ein politisches Gespür pro den Umstand hat, dass die Agenda-Gesetze seiner Partei geschadet nach sich ziehen und darüber hinaus mit jener wichtigste Grund sind, welcher die Partei von August Bebel und Wilhelm Liebknecht uff ein Drittel ihrer einstigen Bedeutung reduziert hat.
Sicher kann man jener SPD eine späte, doch am Ende doch vollzogene Abkehr vom Hartz-4-System bezeugen – nur gibt dasjenige die 2021 verabschiedete Parteiprogrammatik nicht her. Möglich natürlich und solange bis zu einem gewissen Punkt zweitrangig wahrscheinlich, dass Hubertus Heil und manche andere hinter den Kulissen gewirkt und die sozialpolitischen Vorhaben jener Ampel nachgebessert nach sich ziehen. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass dasjenige Gros jener umgesetzten Vorhaben uff dasjenige Konto jener SPD-Koalitionspartner ging – vor allem jener Grünen. Das (vorläufige) Endergebnis ist so: Die SPD hat am Ende (spürbar) mehr geliefert qua versprochen – die Grünen zwar (irgendetwas) weniger qua versprochen, doch wenigstens verschmelzen nicht unerheblichen Teil von dem, welches sie zuvor angekündigt hatten.
Ampel-Wohltaten: wer genau tat wo wohl?
Was genau wer (und welche Partei) hinter den Kulissen jener Ampel-Regierung uff den Weg gebracht hat, wird sich im Nachhinein nur noch schwergewichtig aufdröseln lassen. Unter Umständen ist es zweitrangig jener weniger interessante Punkt und praktisch gesehen vielleicht sogar jener uninteressanteste. Wichtig hingegen ist dasjenige Bild, welches die Ampel in sozialpolitischer Hinsicht generell abgibt. Grob vereinfacht brachte die Koalition aus SPD, Grünen und Freie Demokratische Partei durchaus manche aufsehenerregende – den Alltag von Betroffenen praktisch verbessernde – Reformen uff den Weg: im Bereich Mindestlohn eine fällige Angleichung an die Inflation, im Bereich Bürgergeld & Grundsicherung ein ganzer Strauß von Maßnahmen – angefangen von zwei zwar nicht substanziell, doch doch spürbar zutage schlagenden Regelsatz-Erhöhungen solange bis hin zu Erleichterungen im Bereich Fortbildung und zusammen mit den Regelungen zu den Zuverdienst-Freibeträgen beim Aufstocken. Das die Gesamtheit war zwar nicht jene konsequente Abkehr vom Hartz-System, dass dessen Kritiker(medial) seit dem Zeitpunkt Jahrzehnten fordern – doch sicherlich spürbar mehr qua nichts.
Highlight jener Ampel-Reformen – und zwar sowohl in sozialpolitischer qua zweitrangig klimapolitischer Hinsicht – war die (befristete) Einführung des Neun-Euro-Tickets. Angesichts des Zuspruchs, den ebendiese Maßnahme erfuhr, ist die Behauptung sicherlich nicht zu hoch gegriffen, dass die Ampel uff einer breiten Welle jener Zuspruchs weitergesurft wäre, hätte sie ebendiese Maßnahme einbehalten – und eventuell mit weiteren verkehrspolitischen Initiativen gekoppelt. Bekanntlich ist es voneinander abweichend gekommen – unter anderem leider zweitrangig mit dem Effekt, dass zwischenzeitlich kaum noch Leckermaul innovative Modernisierungen von dieser Regierung erwartet.
Gekommen ist – solange wie die Gesetzgebungsmaschinerie dasjenige Ganze so in die Praxis umsetzt, wie es Heil und seine Ampel-Planer vorsehen – die negative Rolle rückwärts: ein Rückschritt in die finstersten Zeiten von Hartz-4. Das mag man immer noch mit Sachzwängen und mangelnden Haushalts-Alternativen schönreden (welches in jener Praxis nicht erfolgt: vielmehr wird qua Begründung ja ohne Rest durch zwei teilbar die nicht hinnehmbare Faulheit »einiger weniger« angeführt). So gerechtfertigt oder zweitrangig überhöht jener Ruf von Hubertus Heil qua sozialpolitischer Modernisierer jener SPD zweitrangig ist: mit den uff dem Weg befindlichen Vollsanktionierungs-Plänen düfte ebendiese Rolle ausgeträumt sein. Nicht nur dasjenige: Mit jener von Heil anvisierten »Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück«-Taktik signalisiert die SPD, dass sie flächendeckend wieder zurückkehrt uff die Beton-Positionen jener Schröder-SPD.
Ein »Wertkonservativismus«, jener nicht nur bemerkenswert ist vor dem Hintergrund, dass es pro dasjenige Hartz-System kaum noch ernstzunehmende Argumente gibt – sieht man einmal von den Extrem-Neoliberalen im konservativ-rechten Lager ab. Hubertus Heils Rolle rückwärts verbaut sämtlichen Ansradieren den Weg, die einer vernünftigen, zeitgemäßen und nicht ausschließlich uff Zwang basierenden Regulation des Arbeitsmarkts dasjenige Wort reden. Darextra hinaus befördert sie in jener Konsequenz exakt dasjenige, welches zweitrangig Angehörige von Hubertus Heils Partei regelmäßig qua gesellschaftliche Zustandsbeschreibung lenken: eine Republik, die sich stetig weiter nachher rechts entwickelt.
Der Treppenwitz jener Geschichte oder zweitrangig die Farce im Marx’schen Sinn: Sollte ebendiese Entwicklung weiter voranschreiten, wäre Hubertus Heils Partei sicherlich die letzte, die von dieser Entwicklung profitieren würde.