Vor dem Bundesparteitag der CDU in Berlin haben mehr als hundert
Organisationen der Zivilgesellschaft in einem gemeinsamen Aufruf an die
Delegierten appelliert, jede Ausgrenzung von Menschen mit
Migrationsgeschichte zu vermeiden. „Bitte nehmen Sie auch im Wahlkampf
Abstand von Rhetorik und Forderungen, die unsere Gesellschaft weiter
spalten und die Menschen gegeneinander aufbringen“, heißt es in dem Appell, der am Vormittag veröffentlicht wurde. „Bekennen Sie sich zur
menschenrechtlichen Brandmauer und stehen Sie mit uns ein für
gesellschaftliches Miteinander, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und
Menschenrechte.“
Unterzeichnet wurde der Aufruf unter anderem von
Amnesty International, AWO, Brot für die Welt, Caritas, dem
Paritätischen Gesamtverband, dem Deutschen Kinderhilfswerk, dem Verband Queere Vielfalt LSVD, Oxfam,
Pro Asyl und Terres des Hommes. Den Initiatoren zufolge unterschrieben Vertreterinnen und Vertreter von
insgesamt 145 Bundes- und Landesverbänden den Aufruf.
„Ob
geflüchtet, eingewandert oder hier geboren, wir sind alle Teil dieser
Gesellschaft: Grund- und Menschenrechte gelten entweder für uns alle
oder sie gelten gar nicht“, schreiben die Verfasser und kritisieren
den aktuellen Migrationskurs der CDU: „Die Diskussionen über
Verschärfungen des Staatsangehörigkeits-, Aufenthalts- und Asylrechts,
die aktuell auch von der CDU maßgeblich vorangetrieben werden, bedrohen
dieses Selbstverständnis.“
„Polarisierend und grob rechtswidrig“
Die Forderungen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz
(CDU) nach Zurückweisungen von Schutzsuchenden an
den deutschen Binnengrenzen und der Abschaffung des Familiennachzugs für
subsidiär Schutzberechtigte seien „polarisierend und grob rechtswidrig“,
heißt es in dem Appell.
Die Unterzeichner appellierten an die
CDU-Delegierten: „Stehen Sie zu Ihren christlichen und demokratischen
Werten und bewahren Sie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zum Wohle
aller Menschen in Deutschland.“
Eindringlich warnen sie vor einer
pauschalen Verschärfung der Migrationspolitik. „Taten einzelner
Personen, die uns fassungslos machen und in Entsetzen zurücklassen, wie
der schreckliche Angriff von Aschaffenburg, dürfen niemals dazu führen,
dass ganze Gruppen stigmatisiert, rassifiziert oder entrechtet werden“,
schreiben sie. Deutschland dürfe nicht „zurück in eine düstere Zeit“
gehen, „in der Grund- und Menschenrechte nur noch für einige gelten und
ganze Bevölkerungsteile zu Schuldigen für gesamtgesellschaftliche
Missstände gemacht werden“.
Weitere Kundgebungen geplant
Etwa tausend Delegierte kommen heute zu einem eintägigen Bundesparteitag der CDU in Berlin zusammen,
um ein sogenanntes Sofortprogramm für den Fall eines Wahlsiegs zu verabschieden.
Das Programm sieht außer Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration auch solche zur Belebung der Wirtschaft und zur Stärkung der inneren Sicherheit vor. Das in abgeschwächter Form von der Ampelregierung beschlossene Heizungsgesetz soll den Plänen der Union zufolge ganz abgeschafft werden. Auch die teilweise Legalisierung von Cannabis soll rückgängig gemacht werden.
Mehr als 160.000 Menschen hatten am Sonntag in Berlin, weitere Zehntausende in anderen Städten, gegen Rechtsextremismus und für eine Abgrenzung von der AfD protestiert. Die Berliner Demonstration erstreckte sich von der Siegessäule bis zum Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale im Stadtteil Tiergarten. Auslöser der Proteste war ein Antrag der CDU/CSU im Bundestag für Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen. Der Antrag war mit einer Mehrheit aus Stimmen von CDU/CSU, AfD und FDP angenommen worden, hat allerdings keine bindende Wirkung. An diesem Montag erwartet die Berliner Polizei erneut Proteste, wenn der CDU-Bundesparteitag auf dem Messegelände beginnt. Zunächst waren laut Berliner Polizei im Umfeld acht Kundgebungen geplant.