Brandenburg brennt! Dieser BSW-Eklat überschattet den Wechsel von Wagenknecht zu De Masi

Es ist nicht so, dass alle aus der BSW-Fraktion in Brandenburg im bald vergangenen ersten Jahr ihrer Regierungsbeteiligung immer so abgestimmt haben, wie sie abstimmen sollten. Ein Fraktionsmitglied sagte einmal, als es gerade gegen eine Entscheidung der eigenen Koalition mit der SPD votiert hatte: Das Ganze werde ohnehin nicht lange halten. Ob damit die Koalition oder die BSW-Fraktion gemeint war, blieb unklar. Jetzt steht beides auf der Kippe.

Vier von 14 BSW-Fraktionsmitgliedern im Brandenburger Landtag sind soeben aus der Partei ausgetreten: Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, André von Ossowski und Reinhard Simon. Simon, der frühere Intendant der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt, hatte als Alterspräsident die Legislaturperiode im Oktober 2024 mit einer furiosen Rede eröffnet. Doch schon die Wahl von Dietmar Woidke (SPD) zum Ministerpräsidenten wenig später war ein Drahtseilakt.

Jetzt, bald ein Jahr nach der Wahl Dietmar Woidkes, hat der Brandenburger Landtag als eines der beiden letzten von 16 Landesparlamenten über zwei Medienstaatsverträge zu befinden. Der ganze öffentlich-rechtliche Rundfunk der Republik hängt daran, ohne Zustimmung aus Potsdam ist die Reform am Ende und es droht eine Krise in Dimensionen, wie sie in Großbritannien gerade die BBC erlebt.

Das BSW fordert, in Brandenburg wie im Bund, eine grundlegendere Reform des ÖRR, und zudem, dass der Rundfunkbeitrag für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen auf zehn Euro im Monat halbiert wird. „Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch als Korrektiv zur privaten Meinungsmacht“, sagte Fabio De Masi dieser Tage, als er sich in Berlin als designierter Nachfolger von Sahra Wagenknecht im Amt des BSW-Bundesvorsitzenden vorstellte. De Masi und Wagenknecht sagen aber auch: „Wir wollen die Regierung in Brandenburg fortsetzen.“

Abstimmungs-Tricksereien im Potsdamer Landtag

In Brandenburg haben sie sich mit der SPD auch schon allerhand Tricksereien ausgedacht, wie die Koalition erhalten und der Medienstaatsvertrag mit CDU- und ein paar BSW-Stimmen verabschiedet werden kann. Abgeordnete lassen sich im zuständigen Ausschuss von anderen Abgeordneten vertreten oder verlassen während der finalen Abstimmung über die Medienstaatsverträge das Plenum, so etwas. Aber über die Frage, ob das überhaupt nötig ist und wie man das nach außen verkaufen will, entbrannte Streit – oder vielmehr flammte Streit auf, der auch in anderen Fragen schon länger lodert.

Wenn man sich sicher ist, dass ein Antrag durchgeht, ist es für mich eine Moralapostelei, sich hinzustellen, gegenüber den Bürgern und zu sagen, wir sind aber dagegen, weil man ja weiß: Der Staatsvertrag geht durch. Das gehört sich nicht. Damit brüskiert man auch die Koalition und den Ministerpräsidenten, sagte André von Ossowski, einer der vier BSW-Abgeordneten, die die Partei verlassen und einen Misstrauensantrag gegen den Fraktionsvorstand angekündigt haben.

Eine Erklärung, die die vier veröffentlicht haben, geht über die Medienstaatsverträge hinaus: In den vergangenen Monaten hat sich, heißt es da, eine Entwicklung abgezeichnet, die uns große Sorgen bereitet. Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten.“ Sie beklagen „einen Verlust an Besonnenheit, Vernunft und demokratischer Diskussionskultur, die eine starke und zukunftsfähige Partei auszeichnen sollten“.

Thüringens BSW-Spitze bekam von Wagenknecht immer Ärger, Brandenburgs nicht

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Inszenierung der Ablösung von Sahra Wagenknecht an der Parteispitze ausgerechnet aus Brandenburg überschattet wird. Ganz im Gegensatz zu Thüringen, dem zweiten Land, in dem das BSW mitregiert, durften sich die Brandenburger stets Wagenknechts öffentlicher Fürsprache sicher sein. Hier regiere man ja mit der SPD, heißt es immer, in Thüringen aber würden sich die BSW-Landesminister Katja Wolf und Steffen Schütz von der CDU die Butter vom Brot nehmen lassen.

Nun hat die SPD-BSW-Koalition in Brandenburg nicht viel zustande gebracht seit ihrem Antritt, in Thüringen hingegen hat Landesfinanzministerin Wolf immerhin Millionen für Investitionen in die Infrastruktur freigeschaufelt. Den bisherigen Thüringen-Komplex des Bundesvorstands könnte heilen, dass der künftige BSW-Parteichef und Finanzexperte De Masi Katja Wolf in Sachen Haushaltspolitik und Investitionen beraten hat. Die unterschiedlichen Auffassungen über die Frage, wie man sich in einer Koalition mit der CDU profiliert, seien bekannt und ausgetauscht, sagte De Masi jüngst dem Freitag: „Jetzt ist wichtig, dass wir gemeinsam etwas herausholen und das BSW stärken.“

Doch das BSW ist so geschwächt wie vielleicht nie in seiner jungen Geschichte. Das liegt auch daran, dass das Personaltableau, welches Wagenknecht, De Masi und Amira Mohamed Ali in Berlin für den künftigen Bundesvorstand vorgestellt haben, herbe Kritik erntet: „Was mir bei den personellen Vorschlägen missfällt, ist die fehlende Präsenz der ostdeutschen Landesverbände“, sagt etwa Thüringens Digital- und Infrastrukturminister Steffen Schütz dem Freitag. „Schließlich können wir die zahlenmäßig stärksten Wählerschichten hinter uns vereinen und erzielen mit unseren Landtags- und Regierungsfraktionen eine wahrnehmbare, überregionale Präsenz in der Öffentlichkeit.“

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Acht von zehn zu vergebenden Posten an der BSW-Spitze fallen dem Vorschlag von Ali, Wagenknecht, De Masi & Co. auf Westdeutschland zuzuordende Mitglieder. Die zwei übrigen sollen an Brandenburger gehen: Der Landtagsabgeordnete Oliver Skopec soll einer von sieben stellvertretenden Vorsitzenden werden. Er ist Vorstand des Vereins „Zukunftsbündnis Wirtschaft“, eines Unternehmerverbands, der bei Wirtschaftsvertretern für das BSW wirbt. Das stößt gerade etlichen Ex-Linksparteimitgliedern im BSW sauer auf, sie wittern eine „FDP 2.0“.

Außerdem soll Friederike Benda dem Bundesvorstand weiter angehören. Benda wird dem engsten Kreis um Wagenknecht zugerechnet. Sie ist inzwischen Landesvorsitzende in Brandenburg, nachdem der dortige Landesfinanzminister Robert Crumbach aus diesem Amt gedrängt worden war: Die Partei sollte von jemandem nach außen vertreten werden, der nicht als Minister unter dem Kompromisszwang des Regierens steht.

So erklärt BSW-Landeschefin Friederike Benda die Ablehnung der Medienstaatsverträge

Zur akuten Krise in Brandenburg hat Benda gerade gesagt: „Wir werden mit allen Beteiligten das Gespräch suchen, weil wir verhindern wollen, dass ein Weg der Abspaltung das BSW schwächt und die Arbeit der vielen engagierten Mitglieder und Unterstützer beschädigt.“ Zugleich ließ sie in der Sache wissen: „Bei geschlossenem Abstimmungsverhalten der BSW-Fraktion könnten die Medienstaatsverträge über Brandenburg gestoppt und eine echte Reform ermöglicht werden. Ein Ende der Koalition stand nie zur Debatte, denn es gab im Koalitionsvertrag keine Festlegungen zu diesem Thema.“

Und erklärte immerhin, worum es dem BSW in seiner Medfienstaatsvertrag-Kritik geht: „Wir lehnen die Medienstaatsverträge ab, weil das Eintreten für Meinungsvielfalt und gegen regierungskonforme Meinungsmache schon im Gründungsmanifest eine von vier zentralen Positionen des BSW ist. Die Medienstaatsverträge gehen in die falsche Richtung (mehr Möglichkeiten für Zensur durch den 6. Medienänderungsstaatsvertrag). Und sind absolut unzureichend, um die großen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch nur ansatzweise zu lösen (7. Medienänderungsstaatsvertrag).“

Man darf aber annehmen, dass die vier aus der Partei ausgetretenen BSW-Fraktionsmitglieder auch die in engem Bund mit der Bundesspitze stehende Benda meinen, wenn sie „autoritäre Tendenzen“ und „Druck auf Abgeordnete“ beklagen. Dass ihre Brandenburger Landeschefin Benda beim Parteitag im Dezember wieder in den Bundesvorstand gewählt werden soll, hielt die Abtrünnigen jedenfalls nicht davon ab, eine „sträfliche Vernachlässigung Ostdeutschlands“ in den Personalplänen von Wagenknecht, De Masi & Co. zu kritisieren.

Tatsächlich fragt sich, warum diesem Bundesvorstand etwa der nordrhein-westfälische Landeschef Amid Rabieh weiter angehören soll, der gerade eine mit 1,1 Prozent desaströse Kommunalwahl in NRW zu verantworten hat.

Steffen Schütz, der Thüringer BSW-Digitalminister, will die Unterrepräsentation Ostdeutschlands an der BSW-Spitze nicht hinnehmen – und kündigte an, beim Bundesparteitag selbst zu kandidieren: „Aktuell sind die Themen Digitalisierung, Staatsmodernisierung und Transformation bei uns unterrepräsentiert. In diesen Bereichen müssen wir uns schnellstmöglich profilieren – auch personell. Deshalb kandidiere ich selbstverständlich für den Bundesvorstand. Ich gehe davon aus, dass Leistungsträger aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und insbesondere diejenigen, die für wirtschaftliche Vernunft stehen, nach wie vor gefragt und wertgeschätzt werden.

So soll es im Landtag in Brandenburg weitergehen

Ähnlich wie Robert Crumbach in Brandenburg, so hatte die BSW-Spitze auch Katja Wolf und Steffen Schütz im vergangenen April aus ihren Ämtern als Thüringer Landesvorsitzende zu drängen versucht. Schütz zog daraufhin zurück – zauberte mit Wolf aber einen eigenen Ersatzkandidaten hervor, der die Wahl dann auch gewann und heute mit Wolf die Thüringer Spitze bildet. Schon damals bot der Unternehmer, Gründer einer Werbeagentur, an, an der Bundesspitze mitzuhelfen.

Seine Kandidatur jetzt garniert er mit einem Ehrerbietungserweis an Wagenknecht: „Mit Sorge verfolge ich, dass nur zwei Tage nach dem Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht in der Welt, den ich ausdrücklich unterstütze, Vertreter unserer Partei im Freitag verlauten ließen: ,Wir müssen links bleiben.‘ Ich bin weder in eine linke noch in eine rechte Partei eingetreten, sondern in eine, die ideologiefrei für Vernunft und Gerechtigkeit steht – auch in der Wirtschaftspolitik. Deshalb hoffe und wünsche ich mir, dass wir die wirtschaftliche Basis und Kompetenz dieser Partei unbedingt verstärken. Bei der Bundestagswahl und den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen wurden uns auf allen wahlentscheidenden Feldern, mit Ausnahme der Friedenspolitik, kaum messbare Kompetenzwerte zugesprochen. Das müssen wir dringend ändern.“

In Potsdam indessen wollen die vier aus der Partei Ausgetretenen in der BSW-Fraktion bleiben, den Medienstaatsverträgen zustimmen und als parteilose Fraktionsmitglieder die Koalition mit der SPD fortführen. Die Disruption des deutschen Parteiensystems treibt spektakuläre Blüten.

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