Rote Fahnen, Trillerpfeifen, wütende Reden: Mehr als 10.000 Mitarbeiter haben schon im März vor der Zentralverwaltung des Technologiekonzerns Bosch gegen ein Stellenabbauprogramm protestiert – und vor allem Gespräche zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat eingefordert. Nun ist klar: Die Probleme vor allem im Automobilgeschäft sind noch größer, als es damals abzusehen war. Um insgesamt 7000 Stellen ging es im Frühjahr. Nun folgt, dass Bosch in den kommenden Jahren international weitere 5500 Stellen streichen wird – davon 3800 in Deutschland.
Am härtesten trifft es die Software-Entwicklung für Mobilitätslösungen und das automatisierte Fahren, weil sich die Nachfrage nach intelligenten Fahrerassistenzsystemen nicht so wie prognostiziert entwickelt und viele Hersteller ihre Projekte in diesem Bereich zurückstellen oder aufgeben. „Wir müssen unsere Strukturen an das veränderte Marktumfeld anpassen und die Kosten nachhaltig senken, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und uns zukunftsfähig aufzustellen“, sagt Bosch-Manager Stephan Hölzl. Bosch wird in dieser Sparte bis Ende 2027 rund 3500 Stellen streichen – davon etwa die Hälfte an deutschen Standorten.
Im Werk in Hildesheim, das Komponenten für die elektrischen Antriebe herstellt und in dem 1250 Mitarbeiter beschäftigt sind, plant Bosch den Abbau von 750 Stellen bis Ende 2032, davon rund 600 Stellen bis Ende 2026. „Die erforderlichen Maßnahmen werden wir so sozialverträglich wie möglich und gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern gestalten“, sagt Werkleiter Dietrich Haas. „Wir sind uns unserer Verantwortung für unsere Beschäftigten am Standort bewusst und setzen alles daran, das Werk langfristig wettbewerbsfähig aufzustellen.“ Die Abrufzahlen der Automobilhersteller seien schon heute deutlich unter den Erwartungen, was zu Personalüberhängen führe.
Gespräche mit Arbeitnehmervertretern sollen umgehend beginnen
Doch nicht nur der stockende Hochlauf der Elektromobilität belastet den baden-württembergischen Traditionskonzern. Auch die schwache Nachfrage nach Autos allgemein stellt Bosch vor große Probleme. Das Unternehmen will daher Produktionskapazitäten in der Lenkungssparte am Standort im baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd verringern. Dabei wird die Produktion auch in Länder mit günstigeren Kostenstrukturen verlagert, um Lenksysteme zu wettbewerbsfähigeren Preisen international anbieten zu können. Zwischen 2027 und 2030 plant Bosch die Streichung von rund 1300 Stellen, insgesamt arbeiten in dem Werk 3600 Mitarbeiter. „Wir brauchen eine Neuaufstellung bei der Lenkung. Wir bedauern die erforderlichen Maßnahmen, sehen aber keine andere Möglichkeit zum Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit. Die Umsetzung werden wir so sozialverträglich wie möglich und gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern gestalten“, sagt Bereichsvorstand Götz Nigge.
Nach Unternehmensangaben sollen die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern umgehend beginnen. Dabei gelte weiterhin die im Sommer 2023 geschlossene Zukunftsvereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen für die deutschen Mobility-Standorte bis Ende 2027, in Teilen sogar bis Ende 2029, ausschließt, wie eine Sprecherin auf Anfrage der F.A.Z. sagte. „Es gehört zu den Werten von Bosch, solche Vereinbarungen zu respektieren“, hatte Bosch-Chef Stefan Hartung am Dienstag während einer Diskussionsveranstaltung der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt. Nur bei Schließungen ganzer Standorte seien auch betriebsbedingte Kündigungen unvermeidbar, erklärte Hartung weiter.
„Die Ankündigung des Unternehmens, Personal in diesem Ausmaß zu reduzieren, ist für die Mitarbeiter ein Schlag ins Gesicht“, kommentierte Frank Sell, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Sparte für Mobilitätslösungen. Der Standort Deutschland und die Beschäftigten verdienen eine echte Chance statt einem Manöver in die Sackgasse. Wir erwarten nun vom Konzern, mit uns gemeinsam eine tragfähige Lösung zu entwickeln.“ Diese Maßnahmen des Unternehmens führten zu großer Verunsicherung in den Belegschaften. Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, ergänzte: „Der Standort Deutschland und die Beschäftigten verdienen eine echte Chance statt einem Manöver in die Sackgasse.“
Im Frühjahr hatte Bosch schon angekündigt, in der Antriebssparte rund 1500 Stellen an den baden-württembergischen Standorten Feuerbach und Schwieberdingen abzubauen. Im Softwarebereich ging es um etwa 1200 Arbeitsplätze, davon 950 in Deutschland – diese Zahl hatte Bosch nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat im Sommer um 200 auf 750 gesenkt und zugesagt, bis Ende 2025 an den Standorten Abstatt, Hildesheim, Leonberg, Renningen und Schwieberdingen mindestens 930 Millionen Euro investieren zu wollen. In der Automobilelektronik plant der Konzern eine Stellenreduzierung von 500 Stellen und bei den Elektrowerkzeugen von 560 Stellen – jeweils vor allen an deutschen Standorten. Hinzu kommen die Sparpläne der Tochtergesellschaft BSH. Der Hausgerätehersteller plant bis 2027 global den Abbau von 3500 Stellen.