Zum ersten Oktober hat die Gruppe der Dax-Vorstandsvorsitzenden drei neue Mitglieder in ihren Reihen aufgenommen. Am selben Tag haben mit Karin Rådström und Bettina Orlopp zwei Frauen und Stephan Leithner ihre neuen Stellen angetreten, was den Anteil von Frauen an der Dax-Spitze von 2,5 auf 7,5 Prozent erhöht. Mit allen Wechseln ist eine gewisse Kontinuität verbunden. Bei der Deutschen Börse scheidet Theodor Weimer altersgerecht mit dann 65 Jahren zum Jahresende aus dem Amt. Leithner arbeitete schon sechs Jahre lang mit ihm im Vorstand zusammen und galt als natürlicher Nachfolger.
Auch auf Rådström konnten sich die Daimler-Truck-Aktionäre länger einstellen. Die Ingenieurin wurde vor drei Jahren vom Wettbewerber Scania abgeworben, zog in den Vorstand ein, um das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen. Das ist ihr nach Einschätzung des Aufsichtsrats gelungen, weswegen sie sich für die Nachfolge von Martin Daum qualifiziert hat, der die Geschicke der früheren Lastwagen-Sparte von Daimler über Jahrzehnte maßgeblich mitbestimmt hat. Auch dies war ein vergleichsweise vorhersehbarer Wechsel.
Das gilt in der Person auch für Bettina Orlopp. Doch der Zeitpunkt des Amtswechsels bei der Commerzbank war doch überraschend. Ausgelöst ist er durch die Veräußerung von staatlichen Anteilen am Geldhaus, die durch eine Stützung seitens des Bunds in der Finanzkrise lange Zeit bestanden. Das plötzlich sichtbare Interesse der italienischen Bank Unicredit stellte bald die Eigenständigkeit des Frankfurter Instituts infrage.
Orlopp für schwierigem Prozess
Manfred Knof, der die Commerzbank auch mithilfe der Zinswende nach langer Zeit wieder stabil profitabel gemacht hat, erkannte, dass für eine Rolle als Vorstandsvorsitzender nach seinem Verständnis kein Platz mehr wäre, und gab diesen an seine Nachfolgerin frei. Orlopp hatte sich schon in den Jahren davor als Finanzvorständin und Mitarchitektin der Unternehmensstrategie bis zum Jahr 2027 einen guten Ruf erworben. Nun wird sie den schwierigen Prozess in eine veränderte Eigentümerstruktur managen.
All dies geschieht in einer Zeit, in der der Performance-Index Dax (in dem also auch Dividenden und nicht nur der Kurs allein abgebildet werden) kaum aufzuhalten scheint. Mehrfach hat er in den vergangenen Tagen sein Rekordhoch überschritten. Knapp unter 19.500 Punkten kam er zu Beginn der Woche zum Halten. Gemessen an den vielen Einschätzungen zur strukturellen und konjunkturellen Lage der deutschen Wirtschaft ist das bemerkenswert.
Führende Makroökonomen glauben, dass die Wachstumsschwäche durch den immer stärker spürbaren demographischen Wandel noch länger anhalten wird. Ältere scheiden aus dem Arbeitsmarkt, die nicht durch Jüngere ersetzt werden können. Auch mit Künstlicher Intelligenz werde die Produktivität nicht so stark steigen, dass die mangelnden Arbeitskräfte ersetzt werden können. Noch dazu verliert eine alternde Gesellschaft das Interesse an Innovationen, argumentiert etwa Moritz Schularick, Präsident des auf globalen Handel spezialisierten Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Adnoc übernimmt Dax-Wert
Und konjunkturell schmerzen die Lage der Autoindustrie und die Spuren, die eine nachhaltige Transformation hinterlässt, die noch nicht in allen Chefetagen als zentrale Aufgabe gesehen wird. In dieser Lage hat Volkswagen seine Prognose gesenkt, der aus Frankreich geführte internationale Autokonzern Stellantis und der britische Hersteller Aston Martin gaben Gewinnwarnungen aus. Auch die VW-Tochtergesellschaft Porsche kam durch negative Analysteneinschätzungen Anfang der Woche unter die Räder – allerdings nachdem die Aktien zuvor den höchsten Stand seit Juli erreicht hatten. Hingegen glaubt die Branche insgesamt, von Konjunkturplänen der chinesischen Regierung zu profitieren.
Vollzogen ist seit dieser Woche die Übernahme des Kunststoffkonzerns Covestro durch das staatliche Unternehmen Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beabsichtigt ist eine Kapitalerhöhung um zehn Prozent. Mit den 1,2 Milliarden Euro zusätzlich will die Abspaltung des Bayer-Konzerns in lukrativen Geschäftsfeldern weiterhin stark wachsen. Vorprodukte für die Auto- und Möbelbranche bleiben gefragt – auch wenn sich in der Autoindustrie die Antriebsart verändert.
Doch zuletzt hat sich das Unternehmen in der schwierigen konjunkturellen Lage abmühen müssen. Auch die derzeit geringe Konsumneigung der Verbraucher in Europa macht der Konzernführung zu schaffen. Für den Erdölkonzern von der Arabischen Halbinsel ist die Übernahme eine Chance, sein Portfolio zu diversifizieren, da man dort davon ausgeht, dass unter zunehmender Beachtung von CO2-Emissionen das Ölgeschäft an Bedeutung verlieren dürfte.
Für Covestro könnte das frische Kapital mit sich bringen, dass internationale Märkte noch stärker in den Fokus rücken. Die globale Vernetztheit deutscher Unternehmen ist denn auch eine der wichtigsten Erklärungen von Börsen-Fachleuten dafür, dass Konjunktur hierzulande und Dax-Rekorde simultan geschehen. Global hellt sich die Lage dagegen einigermaßen auf.
Source: faz.net