Biotech-Unternehmen Curevac baut um: GSK zahlt solange bis zu 1,4 Milliarden z. Hd. Grippe-, Covid-Impfstoffe

Für das Tübinger Biotechunternehmen Curevac ist es ein Befreiungsschlag: Der Spezialist für Medikamente auf Basis der mRNA-Technologie gibt die Entwicklung seiner Impfstoffe gegen Covid-19, Grippe und Vogelgrippe an den britischen Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline (GSK) und sichert so seine finanzielle Basis bis 2028.

Curevac erhält 400 Millionen Euro sofort und bis zu 1,05 Milliarden Euro in Form von Meilenstein-Zahlungen für Entwicklung, Zulassung und Vertrieb. Wenn die Medikamente im Markt sind, sollen zudem regelmäßige Gebühren fließen. „Die neue Lizenzvereinbarung versetzt uns in eine starke finanzielle Position und ermöglicht es uns, uns auf den Aufbau einer starken Pipeline in Forschung und Entwicklung zu konzentrieren“, zitiert das Unternehmen Vorstandschef Alexander Zehnder.

Konzentration auf Krebsmedikamente

Das Unternehmen fokussiert sich in Zukunft auf den Markt für Krebsmedikamente und will bis Ende des Jahres Daten aus einer Phase-1-Studie eines Impfstoffes gegen Glioblastom, den häufigsten bösartigen Hirntumor bei Erwachsenen, vorlegen. Durch die Vereinbarung mit GSK können wir „unsere Onkologie-Programme priorisieren und unsere Technologie in andere Bereiche ausweiten, in denen mRNA hervorragend für die Entwicklung neuartiger Behandlungsansätze geeignet ist“, sagt Zehnder weiter.

Bis Ende 2025 erwartet Curevac zudem zwei klinische Kandidaten für Krebsimpfstoffe bei sogenannten soliden Tumoren und hämatologischen Krebserkrankungen, die unter anderem mit Forschern des Instituts MD Anderson der University of Texas entwickelt worden sind. Die Einrichtung, mit der Curevac im April eine strategische Entwicklungs- und Lizenzvereinbarung geschlossen hat, gehört zu den weltweit führenden akademischen Krebszentren.

Zeitgleich mit der Neuausrichtung hat Curevac eine grundlegende Umstrukturierung angekündigt. Bis Ende des Jahres will das Unternehmen 30 Prozent der rund 1100 Vollzeitstellen abbauen. Schon im März war bekannt geworden, dass Curevac über ein Freiwilligenprogramm 150 Arbeitsplätze streicht. Dieses Programm soll nun um ein zweites Angebot zur Vertragsauflösung ergänzt werden. Für den Fall, dass Curevac so nicht auf die anvisierten 330 abzubauenden Stellen kommt, laufen zurzeit schon Gespräche mit dem Betriebsrat über weitere Maßnahmen, wie eine Sprecherin auf Anfrage erläuterte. Für Abfindungen und Sozialleistungen plant das Unternehmen in den nächsten Monaten Aufwendungen in Höhe von 15 Millionen Euro ein. Als Ergebnis der Restrukturierung sollen die Betriebskosten von 2025 an um mehr als 30 Prozent sinken, darin enthalten ist eine Senkung der Personalkosten um etwa 25 Millionen Euro.

Finanziert bis ins Jahr 2028

Da das Unternehmen noch keine eigenen Medikamente im Markt hat, hat Curevac bis auf die Gebühren für Entwicklungsdienstleistungen keine Einnahmen. Das Unternehmen finanziert sich durch die Investitionen der Anteilseigner, die sich Ende 2023 auf rund 402,5 Millionen Euro beliefen. Im März betrugen die Rücklagen nur noch rund 300 Millionen Euro und hätten bis Ende 2025 gereicht. Durch die Vereinbarung mit GSK ist das Unternehmen nach eigenen Angaben nun bis ins Jahr 2028 finanziert.

Curevac hat am Anfang der Corona-Pandemie zu den großen Hoffnungsträgern gehört, die daran gearbeitet haben, schnell einen Impfstoff gegen Covid-19 auf mRNA-Basis zu entwickeln. Die Technik nutzt den Mechanismus der Boten-Ribonukleinsäure (englisch Messenger Ribonucleic Acid – mRNA), die genetische Informationen für den Aufbau eines bestimmten Proteins in einer Zelle überträgt.

Im März 2020 stellte der frühere Curevac-Chef Daniel Menichella im Weißen Haus in Washington dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump die Technik vor und kündigte an, innerhalb weniger Monate einen wirksamen Impfstoff entwickeln zu können. Nach diesem Treffen gab es Gerüchte, dass Trump sogar versucht habe, sich für die USA den exklusiven Zugriff auf den Impfstoff zu sichern. Wenige Wochen später stieg die Bundesrepublik über die Förderbank KfW bei Curevac ein. Noch immer hält der Bund 13 Prozent an Curevac und ist nach der Heidelberger Biotechholding Dievini von SAP-Gründer Dietmar Hopp mit einem Anteil von 37 Prozent der zweitgrößte Anteilseigner. GSK ist mit 7 Prozent der Aktien an Curevac beteiligt, der Rest der Anteilscheine befindet sich im Streubesitz.

Das Rennen um den Covid-Impfstoff machte aber nicht Curevac, sondern die Wettbewerber Biontech und Moderna entschieden den Wettlauf für sich. Das Serum des Tübinger Unternehmens kam im Vergleich zur Konkurrenz zu spät und war auch weniger effektiv. Der Aktienkurs von Curevac, der zu Hochzeiten der Pandemie im April 2021 noch bei mehr als 105 Euro gelegen hatte, stürzte ab. Seit September 2022 lag der Kurs nie mehr über der Marke von 10 Euro.

Nach der GSK-Vereinbarung legte der Kurs am Mittwoch kurzzeitig um mehr als 25 Prozent zu und stieg auf 4,02 Euro. Curevac sieht allerdings durch den Covid-19-Impfstoff von Biontech seine Patente verletzt und klagt seit Sommer 2022 gegen den Konkurrenten aus Mainz. Das Unternehmen argumentiert, dass Biontech bei der Entwicklung seines Impfstoffs Comirnaty von der Pionierarbeit der Tübinger profitiert habe.

Der neue Vertrag mit dem britischen Pharmakonzern löst die bestehende Kooperationsvereinbarung zwischen GSK und Curevac ab, die schon zuvor bei der Entwicklung der Impfstoffe gegen Covid-19, Grippe und Vogelgrippe zusammengearbeitet haben. GSK soll nun Verantwortung für die Phase-3-Studien übernehmen und die Medikamente in den Markt bringen. „Wir sind begeistert von unseren Grippe- und Covid-19-Programmen und der Möglichkeit, erstklassige mRNA-Impfstoffe zur Änderung des Behandlungsstandards zu entwickeln“, sagt GSK-Forschungsleiter Tony Wood. „Mit dieser neuen Vereinbarung werden wir unsere Fähigkeiten, Partnerschaften und geistiges Eigentum auf Curevacs Technologie anwenden, um diese vielversprechenden Impfstoffe zügig zu entwickeln.“

Darauf setzt auch das Tübinger Unternehmen: Denn dann fließen die Lizenzgebühren, die Curevac dann auch langfristigen Erfolg bescheren könnten.

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