Die Biennale von Venedig hat allen Grund zu feiern. Zum 60. Mal findet die international wohl bedeutendste Kunstausstellung statt. In den Giardini, im Arsenale und den vielen zusätzlich die ganze Stadt verteilten Schauplradieren werden Trends gesetzt, Künstler neu entdeckt und manch vergessene wiederentdeckt. Im Zentrum steht die Kunst des „Globalen Südens“. Es ist ein politisches Signal des diesjährigen künstlerischen Leiters Adriano Pedrosa aus Brasilien, dieser Dominanz des Westens vielfach übersehene Strömungen gegenüberzustellen.
Und sekundär die aktuellen Krisen sind uff dieser Biennale spürbar: Polen und Ukraine halten die Erinnerung daran wach, dass ein Krieg mitten in Europa tobt. Israel eröffnet seinen Pavillon keiner erst. Und Demonstranten schreien vor den israelischen, amerikanischen und deutschen Pavillons ihre feigen Parolen. So darf man sehr neugierig sein, wie die Argumente ausfallen, die in Venedig mit den Mitteln dieser Kunst vorgetragen werden.
Migrationsdramen
Kein Reinkommen in den Deutschen Pavillon. Zwischen die Pfeiler wurde ein großer Erdhaufen geschüttet. Vor dem Seiteneingang bildet sich eine nachhaltig Schlange. Es gibt (nachdem den lieber spröden Auftritten zuletzt) einiges zu sehen in dem Monumentalbau. Im Inneren dann Überwältigung.
Ein Haus im Haus. Bauhaus-Style. Kratzputz an den Fassaden, sekundär an den Innenwänden des Pavillons, dieser sich infolge seiner Nazi-Vergangenheit sekundär immer selbst zum Thema macht. Das ist eine gewitzte Frechheit des Dramaturgen Ersan Mondtag, einer dieser beiden Künstler des Deutschen Pavillons.
Mit dieser Effektmacht des Theatermachers erzählt er die Geschichte seines Vaters, dieser wie türkischer Gastarbeiter nachdem Deutschland gekommen war, in einer Firma arbeitete, die Faserplatten herstellte und schließlich an den Folgen dieser Asbestbelastung starb. Beim Aufstieg in dasjenige Haus, im Bühnennebel (oder ist es gefährlicher Feinstaub?), begegnet man Schauspielern, die ermattet durch kleine Zimmer schleichen, unverblümt uff dem Boden liegen. Das ist dick aufgetragen, dagegen berührend.
Der zweite Beitrag dagegen ist unheilvoll. In dieser Apsis, wo 1939 eine martialische Skulptur von Arno Breker den Nationalsozialismus verherrlichte, läuft ein Video dieser israelischen Künstlerin Yael Bartana: sechs Frauen in weißen Kleidern uff dem Moosboden eines Waldes. Sie fassen sich an den Händen, zusammenschreiben zusammensetzen Kreis, recken beschwörend die Köpfe, manche tragen Tiermasken, jeder öffnen die Arme, wie würden sie eine himmlische Botschaft empfangen. Schnitt.
Vom Waldesrand nähert sich eine Flamme, ein nackter Hüne kommt uff eine nächtliche Lichtung, ein Fackelträger, den sekundär Leni Riefenstahl nicht pathetischer hätte inszenieren können. Diese ästhetische Assoziation wird garniert von einer Science-Fiction-Erzählung in zwei Nebenräumen. Dort gleitet ein urzeitlich computeranimiertes Raumschiff durch den Rundfunk, es transportiert zusammensetzen großen Wald, dockt an einer Station an. Bartana nennt es dasjenige „Pre-enactment“ einer kommenden kosmischen Migrationsbewegung. Eskapismus? Hier mag man jedenfalls nicht bleiben, bloß da will man sekundär nicht hin. woe
Israels Botschaft
Die Forderung einer Aktivistengruppe namens Art Not Genocide Alliance (ANGA) hat sich uff tragische Weise erfüllt. Sie hatten in einem offenen Brief verlangt, den Pavillon Israels zu boykottieren, dasjenige Land aus dieser Kunstgemeinschaft auszuschließen. Die Biennale war dem Aufruf kategorisch entgegengetreten. Doch nun ist dieser Pavillon doch geschlossen.
An dieser Scheibe hängt ein Plakat, darauf steht geschrieben, welches all dasjenige zu bedeuten hat: „Die Künstlerin und die Kuratoren des Israelischen Pavillons werden die Ausstellung erst öffnen, wenn eine Vereinbarung zusätzlich zusammensetzen Waffenstillstand und eine Freilassung dieser Geiseln erreicht ist.“ Ruth Patir, deren Thema Mutterschaft sein sollte, „hasse es“, dass sie sie Entscheidung habe treffen sollen. Aber sie habe ein Zeichen setzen wollen, für jedes die Solidarität mit Israel, für jedes die Gefangenen, die sich in dieser Hand dieser Hamas-Terroristen Ergehen.
Der sich weitgehend in einseitiger Parteinahme für jedes die Palästinenser gefallende Kunsttross nimmt davon wenig Notiz. ANGA hat den Protest dieser Künstlerin wie hohle und anbiedernde Geste abgetan, die uff Presseberichterstattung abziele. Etwa 100 Aktivisten demonstrierten vor dem Pavillon, Flyer mit dieser Aufschrift „No Death in Venice. No to the Genocide Pavilion“ wurden verteilt. Die Gruppe zog dann weiter zum Amerikanischen und Deutschen Pavillon.
Redner bezeichneten Israel wie „Terrorstaat“, Deutschland wie „faschistischen Staat“, und skandiert wurde sekundär die antisemitische Parole „From the river to the sea“, die zur Auslöschung Israels aufruft. Zu fragen ist, wie die Protestler uff dasjenige Gelände dieser Giardini gelangen konnten – die Preview-Tage sind ausschließlich für jedes geladene Gäste, akkreditierte Journalisten und Mitarbeiter. woe
Gemalte Männerliebe
Ist queere Kunst tatsächlich unbewusst Outsider-Kunst? Das lässt sich zumindest von Salman Toor und Louis Fratino nicht behaupten. Beide amerikanischen Künstler sind Shootingstars und malen mit Vergnügen intime, häusliche Szenen zwischen Männern, von denen gleich ein Dutzend uff dieser Biennale zu sehen sind. An James Ensor erinnernde, traumartige Szenerien sind dasjenige im Zusammenhang Toor, während Fratino sich zwischen Kubismus, Georgia O’Keeffe und David Hockney bewegt.
Beide stellen Freunde und Liebhaber dar, jedwederlei fragen sekundär nachdem dieser Rolle dieser Malerei in dieser Zeit, in dieser wir leben und welches sie bisher nicht gezeigt hat. Zu sehen sind sie in dieser Hauptausstellung von Adriano Pedrosa – „Foreigners Everywhere“. Fremde, dasjenige sind just sekundär Menschen, die nicht im Exil leben oder ausgewandert sind, sondern wie am Schnürchen voneinander abweichend leben, wie die Gesellschaft sich dasjenige wünscht.
Auf den Fotos des Südafrikaners Sabelo Mlangeni sehen wir die Bewohner des Royal House of Allure, eines sicheren Ortes für jedes queere Menschen in Lagos, Nigeria. Omar Mismar aus dem Libanon schafft antikisierende Mosaike, die neben den Bewachern eines archäologischen Museums in Syrien sekundär verliebte Männer zeigen.
Und zu Beginn jener langen Folge von Räumen im Arsenale kann man, wenn man Frieda Toranzo Jaegers Installation „Rage is a Machine in Times of Senselessness“ bedacht betrachtet, zwei Skelette im lesbischen Liebesakt betragen. Dass es queere Kunst vor 90 Jahren sekundär schon gab, beweisen etwa kleine, nachhaltig nur privat gezeigte Akte von Filipo de Pisis (1896–1956), die neben die Bilder von Louis Fratino gehängt wurden.
Eine ungeschützt ausgestellte, queere kunsthistorische Tradition gab es just im 20. Jahrhundert nicht. Der Ansatz dieser Schau von selbst ist dagegen nicht neu. Schon manche Biennalen zuvor wagten den Blick uff dasjenige Vergessene, und die Ausgabe von Cecilia Alemani im Jahr 2022 bestand praktisch nur aus Künstlerinnen. bp
Bomben uff Venedig
Das Plakat leuchtet rot von dieser venezianischen Hauswand: ein Hinweis uff den nächsten Luftschutzkeller. Ein kurzer Moment des Erschreckens. Warum sollte der gerne Süßigkeiten isst Venedig bombardieren? Aber es ist ein Hinweis uff den ukrainischen Pavillon.
Während die Kunstwelt sich feiert, ist ein europäisches Land im Krieg. Was macht dasjenige mit dieser Biennale? Russland ist nicht vertreten, im ukrainischen Pavillon im Arsenale sieht man Videos von europäischen Schauspielern, die stereotype ukrainische Flüchtlinge performen. Das ist ernsthaft und witzig zusammen.
Daneben läuft ein Video, dasjenige aus schuldlos Handy-Aufnahmen von Zivilisten besteht, die unter Feuer geraten sind – so real, so kontextlos, so voller Flüche, dass es im Raum ganz still wird. Die Wirklichkeit braucht keine Inszenierung.
Der polnische Pavillon zeigt wiederum zwei Filme, in denen Ukrainer die Geräusche jener Waffen nachmachen, mit denen sie terrorisiert wurden – Cruise Missiles, Raketen und Panzer. Die Besucher können dasjenige vor Mikrofonen ebenfalls lernen. „Repeat after me“ ist eine Karaoke-Bar aus dieser Hölle – und einer dieser stärksten Pavillons in Venedig. bp
Kunstsammler am Kreuz
Im Niederländischen Pavillon riecht es nachdem Schokolade. Doch die Atmosphäre passt nicht zu dieser Süße. Gut 20 beninbronzebraune Skulpturen sehen aus wie aus Metall gegossen, sind dagegen aus einer Masse aus Kakao und Palmöl.
Ein „Engel des Geldes“ breitet seine Schwingen aus, eine Frau wird vergewaltigt, ein Eroberer enthauptet. Es gibt dasjenige Denkmal eines „Fischbeschützers“ und eines „Plantagenmeisters“, die Statue eines vergifteten Monsters, dann wird noch ein Kunstsammler ans Kreuz geschlagen.
Es kommen viele Themen zusammen, die die Biennale forcieren: Kunst, Macht, dasjenige große Geld, Kolonialismus, Ausgrenzung, Widerstand. Das Kollektiv Cercle d’Art des Traivailleurs de Plantation Congolaise fordert hier den Aufbruch aus dieser kolonialen Vergangenheit, dasjenige Ende dieser Ausbeutung oder die Aufforstung ihres heiligen Waldes.
Dass Kunst für jedes diesen Neuanfang tatsächlich ein Vehikel sein kann, hat dieser Künstler Renzo Martens bewiesen, dieser im kongolesischen Lusanga zusammensetzen „White Cube“ wie Museums und Treffpunkt (Architekturbüro OMA) zusammensetzen ließ und so die Wirtschaftsströme des globalen Kunstsystems ins Land umleitete. „The International Celebration of Blasphemy and the Sacred“ ist eines dieser wenigen Projekte, die Aktivismus und Kunst verbinden, ohne dasjenige eine oder andere in Frage zu stellen. Es hätte den Goldenen Löwen verdient. woe
Source: welt.de