Die Zahl der Insolvenzen ist in diesem Jahr deutlich langsamer gestiegen als in den beiden Vorjahren. Die Bonitätswächter von Creditreform schätzen, dass 23.900 Unternehmen Insolvenz angemeldet haben, so viele wie zuletzt vor zehn Jahren. Der Anstieg war 2025 mit gut acht Prozent allerdings deutlich schwächer als mit jeweils mehr als 22 Prozent in 2024 und 2023.
Die steigenden Pleitezahlen haben mehrere Gründe. Die schwache Konjunktur und internationale Handelshemmnisse lassen sowohl die heimische als auch die internationale Nachfrage schrumpfen. Letzteres trifft die exportlastige deutsche Industrie an einer empfindlichen Stelle. Zudem leiden die Unternehmen in Deutschland unter Energiepreisen, die deutlich teurer sind als in vielen anderen europäischen Ländern. Die Politik tut einiges gegen diese Belastungen. „Aber es reicht nicht“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung der Creditreform. Viele Betriebe seien hoch verschuldet, kämen schwer an Kredite und kämpften mit hohen Energiepreisen oder Regulierung. „Das setzt vor allem den Mittelstand unter Druck und bricht auch vielen Betrieben das Genick“, sagt Hantzsch.
Welche bekannten Firmen gingen 2025 insolvent?
Als Beispiele großer Insolvenzen in diesem Jahr nennt Creditreform die Autozulieferer Voit und Kiekert, die Billigkette Kodi, die Hammer-Fachmärkte, die Sausalitos-Restaurants oder den Ausrüster für Motorradfahrer Polo. Bei den mit 80 Prozent allermeisten Insolvenzen handelt es sich dagegen um kleine und unbekannte Unternehmen, was daran liegt, dass es weit mehr kleinere Betriebe gibt als Konzerne. Generell sind Unternehmen umso anfälliger für Insolvenzen, je kleiner und jünger sie sind.
Deutschland hat auch in der Vergangenheit schwere wirtschaftliche Krisen erlebt, etwa nach dem Platzen der Internetblase vor einem Vierteljahrhundert oder während der Finanzkrise im Jahr 2008. Was ist in der aktuellen Krise anders? Lagen die Krisenherde kurz nach der Jahrtausendwende in der Internetwirtschaft und der Biotechbranche sowie während der Finanz- und Eurokrise im Bankensektor, erwischt es die Wirtschaft nun in ihrer gesamten Breite. Die Industrie, die sich während der vergangenen Krisen als Stabilitätsanker bewährte, gehört aktuell zu den Sorgenkindern. So treibt das verarbeitende Gewerbe zusammen mit dem Handel das Insolvenzgeschehen. Auch hat sich im verarbeitenden Gewerbe die Insolvenzquote, also der Anteil insolventer Firmen, seit dem Jahr 2021 fast verdoppelt.
Im Jahr 2024 erlebte die deutsche Industrie einen historischen Zuwachs an Insolvenzen von mehr als 17 Prozent. „Besonders der Maschinenraum Deutschlands steht unter Druck“, sagt Hantzsch mit Blick auf die für die Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft so außergewöhnlich bedeutsamen Industriebetriebe. Ein schlechtes Zeichen sieht Creditreform-Hauptgeschäftsführer Bernd Bütow auch darin, dass die Nachfrage der Industrie nach Zeitarbeitskräften eingebrochen sei.
Insolvenzen verursachen volkswirtschaftliche Schäden, weil insolvente Unternehmen Arbeitsplätze abbauen und Forderungen von Gläubigern ausfallen. So verbuchen Banken Kreditausfälle, während Lieferanten und Handwerker auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben. Obwohl die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2025 deutlich weniger gestiegen ist, summieren sich die finanziellen Schäden für die Gläubiger laut Creditreform auf geschätzt 57 Milliarden Euro. Das ist fast so viel wie im Vorjahr mit 59,1 Milliarden Euro Insolvenzschaden. Im Durchschnitt stehen mit jeder Firmeninsolvenz zwei Millionen Euro an Forderungen im Feuer. Im vergangenen Jahr waren 291.000 Mitarbeiter von Insolvenzen betroffen, in diesem Jahr traf es geschätzt 285.000 Arbeitnehmer.
Welche Lücken hinterlassen insolvente Unternehmen?
Neben den unmittelbaren Schäden durch Forderungsausfall und Arbeitslosigkeit entstehen durch Unternehmenspleiten auch langfristige Schäden, weil Know-how und Innovationskraft verloren gehen. Diese Schäden sind nach Einschätzung von Hantzsch nachhaltig, weil sich solche Kernkompetenzen auch mit viel Geld nicht kurzfristig ersetzen lassen. Als Beispiele für verloren gehende oder gegangene Kompetenzen nennt der Ökonom die energieintensive Galvanik oder das für den Betrieb von Atomkraftwerken nötige Wissen.
Jede Insolvenz ist ein Schicksalsschlag für die betroffenen Unternehmer und ihre Mitarbeiter. Doch sind Unternehmenspleiten aus einer Marktwirtschaft nicht wegzudenken, weil sie dafür sorgen, dass Anbieter vom Markt verschwinden, wenn sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Deshalb sei es laut Hantzsch verfehlt, von der Politik zu fordern, Insolvenzen zu verhindern. Genau das hat die Politik während der Corona-Krise getan, indem sie überschuldete Unternehmen von der Pflicht befreite, einen Insolvenzantrag zu stellen.
In der Pandemie war eine solche Ausnahme gerechtfertigt, weil viele Unternehmen durch die staatlich verhängten Lockdowns ihr Geschäft nicht ausüben konnten. Das Problem: Die Sonderregeln und staatlichen Subventionen hielten auch solche Unternehmen über Wasser, die auch ohne Pandemie insolvent gegangen wären. Als die Corona-Hilfen zurückgefahren wurden und zurückgezahlt werden mussten, bekamen vor allem solche künstlich am Leben gehaltenen Firmen Probleme. Das ist ein weiterer Grund, warum die Unternehmensinsolvenzen in den vergangen Jahren so stark gestiegen sind – aber eben nur einer.
Das Insolvenzgeschehen hat laut Hantzsch eine neue Qualität bekommen. Denn es trifft auch Branchen, die eigentlich als krisenresistent gelten, wie die Pflege und Gesundheit. Die personalintensiven Kliniken und Pflegeheime leiden besonders stark unter dem Fachkräftemangel sowie den gestiegenen Löhnen und Energiekosten. Unter den von Creditreform genannten Großinsolvenzen im Jahr 2025 finden sich mehrere Gesundheitsunternehmen, wie die Argentum Pflege Gruppe aus Bad Homburg mit 2800 Mitarbeitern, die gemeinnützige Krankenhausgesellschaft DRK aus Mainz mit 2670 Mitarbeitern oder das Erzgebirgsklinikum aus Annaberg-Buchholz mit 2500 Mitarbeitern.
Im kommenden Jahr könnten die milliardenschweren und mit öffentlichen Schulden geförderten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung nach Einschätzung von Creditreform die Wirtschaft ankurbeln und den Anstieg der Insolvenzen bremsen. Creditreform-Hauptgeschäftsführer Bütow warnt jedoch, dass die deutsche Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit verliere, während hohe Kosten, Bürokratie und die schwache Konjunktur weitere Insolvenzen verursachen werden.