Die deutschen Berufstätigen sehnen sich nach weniger Belastung und mehr Sicherheit. 53 Prozent der Vollzeitangestellten möchten ihre Arbeitszeit reduzieren. Das ist die vierte Steigerung in Folge seit dem Corona-Jahr 2022, als 48 Prozent angaben, in Teilzeit arbeiten zu wollen. Der Wunsch ist damit ausgeprägter als je zuvor. In der Gruppe der unter 40-Jährigen wünschen dies sogar 57 Prozent, bei den über 40-Jährigen sind es 49 Prozent. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag des Versicherers HDI hervor. Befragt wurden 3739 Erwerbstätige. Die Ergebnisse werden am Dienstag veröffentlicht und lagen der F.A.Z. vorab vor.
Die Gründe für die schwindende Arbeitslust variieren je nach Altersgruppe. Gutverdiener, Selbständige und Führungskräfte zeigen die größte Freude am Arbeiten, bei den Jüngeren ist die Begeisterung etwas verhaltener. 76 Prozent der älteren Arbeitnehmer geben an, gerne zu arbeiten, unter den Jüngeren sind es 69 Prozent. Freizeitmangel ist unter den jungen Berufstätigen der häufigste Grund für fehlende Freude an der Arbeit, während bei den Älteren die mangelnde Wertschätzung dominiert. Die jüngere Generation nennt die Rücksichtnahme der Führungskraft auf die Work-Life-Balance als zweitwichtigstes Kriterium bei der Berufswahl, unter den Älteren rangiert dieses Merkmal am unteren Ende der Skala. Einigkeit herrscht indes bei der Forderung nach fairer und gleicher Behandlung.
Flexibilität bleibt gefragt, insbesondere beim mobilen Arbeiten. Eine Mehrheit lehnt restriktivere Regeln ab. 68 Prozent derjenigen, die regelmäßig oder dauerhaft im Homeoffice arbeiten, sprechen sich gegen eine Rückkehr ins Büro und strikte Vorgaben aus. Bei der Frage nach dem bevorzugten Arbeitgeber ist eine minimale Präferenz für den öffentlichen Dienst erkennbar. 43 Prozent der Erwerbstätigen würden sich bei gleichem Tätigkeitsfeld für eine Stelle im Staatsdienst entscheiden, während 40 Prozent die Privatwirtschaft bevorzugen.
Besonders die Befragten unter 25 Jahren und die über 45 Jahren zieht es in den Staatsdienst, während die mittleren Altersgruppen private Arbeitgeber bevorzugen. Als Hauptvorteil des öffentlichen Dienstes nennen die Befragten die Sicherheit des Arbeitsplatzes, gefolgt von höheren Ruhestandsbezügen und einem besseren Nettogehalt. In den vergangenen fünf Jahren ist die Attraktivität des Staatsdienstes für jeden vierten Berufstätigen gestiegen, unter Führungskräften mit Personal- und Projektverantwortung sogar für jeden Dritten. Beschäftigte aus Bau, Architektur und IT bewerten den öffentlichen Dienst heute deutlich attraktiver als noch vor fünf Jahren. Ähnliches spiegelt sich im Arbeitsmarkt wider. Während die Privatwirtschaft weniger Menschen einstellt, ist die Zahl der offenen Stellen in der öffentlichen Verwaltung um 28 Prozent höher als vor drei Jahren, wie Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen.
Wenn es um Veränderungen am Arbeitsplatz im Zuge von Umstrukturierungen geht, zeigen die Berufstätigen klare Grenzen. Lohnkürzungen lehnen 84 Prozent der Befragten ab, selbst wenn es um den Erhalt des Arbeitsplatzes geht. Am wenigsten Widerstand gibt es hingegen bei einem Wechsel des Aufgabengebiets. Dass Künstliche Intelligenz (KI) im Arbeitsumfeld der Beschäftigten Stellen ersetzen wird, erwarten 36 Prozent der Befragten.
Ansonsten steht die Mehrheit der KI aufgeschlossener gegenüber als noch vor einigen Jahren. 28 Prozent der Berufstätigen sehen mehr Chancen als Risiken in KI für ihr Unternehmen. 2023 waren es noch elf Prozent. 24 Prozent erwarten positive Effekte durch KI auf die Arbeitsergebnisse. Und 45 Prozent geben an, bislang weder Arbeitsplatzverluste durch KI erlebt zu haben noch diese zukünftig zu erwarten.