Berliner Genossenschaftsforum – Der „Homo Cooperativus“ als Menschenbild für zukunftsfähiges Wirtschaften

Volkswirtschaftliche Modelle gingen lange nahezu unangefochten davon aus, dass Menschen rational und gut informiert nach ihrem persönlichen Nutzen streben. Als Begründer dieses Menschenbildes gilt der schottische Moralphilosph Adam Smith (1723-1790). Er folgerte daraus, dass die „unsichtbare Hand“ des Marktes zu größtmöglichem Wohlstand für alle führt, wenn die Freiheit dieses Marktes nicht vom Staat eingeschränkt wird. Angesichts von Wirtschaftskrisen und Klimakatastrophe gerät der Glaube an die segensreichen Kräfte des Marktes und auch dieses Menschenbild des „Homo Oeconomicus“ zunehmend ins Wanken. Trotzdem fristen andere, alternative ökonomische Ansätze immer noch ein Nischendasein.

Aus Anlass seines 30-jährigen Bestehens lud das Berliner Genossenschaftsforum am 14. März zu einer Tagung mit dem Titel „Der ‚Homo Cooperativus‘ lebt! Genossenschaften als Modell für zukunftsfähiges Wirtschaften“ in die Tempelhofer Ufa-Fabrik ein. Dem Genossenschaftsforums-Verein gehören fast 50 Berliner und Potsdamer Wohnungsgenossenschaften sowie Privatpersonen und weitere fördernde Institutionen an. Nicht weit vom Bahnhof Südkreuz entfernt bietet das Forum in seinem „cooperativ Werkraum“ Workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen an.

Adam Smith als Seelenverwandter des Genossenschaftswesens?

Erstaunliche Parallelen zwischen dem Genossenschaftsgedanken, wie er von den liberalen „Vätern des Genossenschaftswesens“ in Deutschland, Friedrich WilhelmRaiffeisen (1818-1888) und Hermann Schultze-Delitzsch (1808-1883) verstanden wurde, und der Tugendethik von Adam Smith präsentierte die Wirtschaftswissenschaftlerin Viktoria Schäfer. Sie führte aus, dass der Markt nach der Auffassung von Smith sozial konstruiert sei. Die darin handelnden Menschen hätte er als empathische, kooperierende Wesen verstanden. Die von ihm ausformulierten vier Tugenden Selbstbeherrschung, Wohltätigkeit, Klugheit und Gerechtigkeit würden zu einem guten, glücklichen Leben (wellbeing) führen. Dies entspräche etwa den genossenschaftlichen Prinzipien und der Mitgliederförderung.

Mitglieder begehren auf

Genossenschaften haben einen guten Ruf, sie gelten als demokratisch, wirtschaften zum Nutzen ihrer Mitglieder und nicht für den Profit. Allerdings sieht die Realität nicht immer so rosig aus. Darum haben sich vor gut vier Jahren Mitglieder von Berliner Wohnungsgenossenschaften zur Initiative „Die Genossenschafter*innen“ zusammengefunden. Damals kritisierten sie die Kampagnen von Genossenschaftsvorständen gegen den Mietendeckel und das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen”. Sie tauschen sich aus jenseits die Erfahrungen in ihren Genossenschaften und unterstützen sich wechselseitig. Als stadtpolitischer Akteur können sie zum zusammensetzen genossenschaftliche Prinzipien in wohnungspolitische Debatten ein, nehmen trotzdem wiewohl kein Blatt vor den Mund, wenn es drum geht, undemokratisches oder wiewohl dem Genossenschaftsgedanken widersprechendes Handeln von Genossenschaften publik zu zeugen.

Mythen und Realität von Genossenschaften

Die Konferenz des Genossenschaftsforums ließ keine maßlos kritischen Ausführungen erwarten – sowohl aufgrund dieser Ausrichter denn wiewohl aufgrund des Jubiläumsanlasses. Umso erfreulicher war dieser zumindest moderat kritische Austausch zwischen den Forumsmitgliedern Barbara König, Sebastian Mehling und Caroline Rosenthal jenseits Mythen in dieser Geschichte dieser Genossenschaften. Ist die Genossenschaft eine Selbsthilfeorganisation dieser Mitglieder? Ist sie ein Closed Shop? Oder schafft sie eine bessere Welt?

Diese Fragen wurden unter historischen und aktuellen Gesichtspunkten von allen Seiten beleuchtet, einfache Antworten verworfen, und schlussendlich jede mit einem mehr oder weniger deutlichen Jein beantwortet:

Selbsthilfe „von unten“?

Historische Vordenker wie die FrühsozialistenRobert Owen (1771-1858) oder Charles Fourier (1772-1837) brachten ihre Ideen top-down in die Welt. Aber die Genossenschaft dieser berühmten „Redlichen Pioniere von Rochdale“ in England war im Jahr 1844 eine Gründung von unten und führte in ihrem Statut sogleich dies Frauenwahlrecht und später den Mindestlohn ein. Wohnungsgenossenschaften in Deutschland bekamen zusammensetzen Schub durch die 1889 ins Genossenschaftsgesetz eingefügte Haftungsbegrenzung gen die Einlagen dieser Mitglieder und durch Bismarcks Sozialgesetze. Unterstützung aus dieser Politik war oft hilfreich und unumgänglich, denn wiewohl früher war Bauen teuer. Aber die Mitglieder dieser Genossenschaften „Freie Scholle“ und „ABG Paradies“ nach sich ziehen wie ihre Häuser selbst gebaut. Fürsorge und Selbsthilfe existierten deshalb nebenläufig.

Genossenschaften denn Closed Shop?

Durch ihre Orientierung gen die Mitgliederförderung – die wiewohl im Genossenschaftsgesetz verankert ist – können Genossenschaften den Charakter einer geschlossenen Vereinigung bekommen, wiewohl wenn eins dieser wichtigen Genossenschaftsprinzipien die „offene Mitgliedschaft“ ist. In dieser Geschichte gab es mitunter zusammensetzen sozusagen missionarischen Eifer, wachsen zu wollen. Mehr Mitglieder können mehr Einlagen denn Eigenkapital zum Bauen, und die Personalkosten werden breiter getragen. Außerdem erfordern wiewohl die Kinder von Mitgliedern irgendwann eigenen Wohnraum. Wachstum kann jedoch zulasten dieser genossenschaftlichen Demokratie möglich sein. Heute nehmen viele Berliner Wohnungsgenossenschaften keine neuen Mitglieder mehr gen. Selbst wenn sie gerne wachsen würden, fehlt es an Bauland und Bauen ist so teuer geworden, dass wiewohl dies viele ausschließt. Sie sind deshalb unfreiwillig Closed Shops.

Eine bessere Welt?

Eine bessere Welt wird in manchen Genossenschaften schon mit dem Namen beschworen: Paradies, Eden, Ideal … Oder gleich ganz programmatisch: „Möckernkiez Genossenschaft zum Besten von selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen“.Es kommt jedoch gen die tatsächliche Hilfe dieser Mitglieder an, nicht gen schöne Worte. Auch die Rechtsform dieser Genossenschaft kann missbraucht werden. Der „Homo Cooperativus“ ist ein „narratives Wesen“ und die Satzung dieser Genossenschaft eine „Anleitung zum kooperativen Erzählen“.Zu Gunsten von eine bessere Welt kann ein Leitbildprozess hilfreich sein, in dem die „Homini Cooperativi“ verbinden zusammensetzen Weg „vom Verwalten zum Gestalten“ möglich sein und gemeinsame Ziele formulieren.

Erneuerung dieser genossenschaftlichen Form

Das Genossenschaftsforum beruft sich gerne gen den großen Genossenschaftler Klaus Novy (1944-1991): „Die genossenschaftliche Form ist keine Konstante, kein feststehendes Modell, sondern gelebte Form und muss immer wieder zugeschnitten und erneuert werden.

Als vorbildliches Praxisbeispiel wurde keine Wohnungsgenossenschaft vorgestellt, sondern die SuperCoop Berlin eG. Vorständin Johanna Kühner berichtete über diesen selbstverwalteten Supermarkt im Wedding, bei dem die Mitglieder drei Stunden im Monat mitarbeiten, dadurch ökologische Lebensmittel günstiger als im Bioladen einkaufen können und sich durchs gemeinsame Tun eine Gemeinschaft bildet.

Kühner kritisierte, dass Genossenschaften „noch nicht in der digitalen Welt angekommen“ sind. Das möchte sie mit ihrem Engagement in der Initiative #GenoDigital ändern, die eine politische Digitalagenda verfolgt.

Drängende Fragen: Wohnraum und Klima

Zum Abschluss der Tagung diskutierten Referent*innen und Teilnehmende, und dann kamen die drängendsten Fragen auf: Wie können Genossenschaften mehr Wohnraum schaffen und sich öffnen, auch für diejenigen, die es am Wohnungsmarkt besonders schwer haben? Bisher bildet sich beispielsweise die Vielfalt der Metropole mit 25 Prozent Migrant*innen in den meisten Genossenschaften noch nicht ab. Aber was haben Mitglieder davon, wenn ihre Genossenschaft baut – vielleicht sogar nachverdichtet, und dadurch Freiflächen wegfallen? Bieten nicht die Freiflächen von Genossenschaften auch viele Möglichkeiten zur Förderung der biologischen Vielfalt?

In Zürich haben 50 Genossenschaften gemeinsam mit der Stadt ein Genossenschaftsquartier mit über 400 Wohnungen errichtet. Hätte nicht auch in Berlin eine solche Genossenschaft der Genossenschaften die Schlagkraft, den Investoren etwas entgegenzusetzen? Vorbild könnte StadtWatt sein – eine geplante Genossenschaft im Energiebereich, für die sich gerade Berliner Genossenschaften zusammenschließen, um ihre Mitglieder preiswert mit umweltfreundlicher Energie zu versorgen.

Potenziale von Genossenschaften

Ist es nicht ein Paradox, dass es so viel Begeisterung für Genossenschaften gibt, dass sie aber bisher nur eine geringe wirtschaftliche Rolle spielen? Wäre es vielleicht hilfreich, die Besonderheit von Genossenschaften in der Öffentlichkeit mehr in den Vordergrund zu stellen? Denn bisher scheint noch immer der „Homo Oeconomicus“ fortzuwirken. Schafft das Ökonomie-Studium dieses Menschenbild, oder zieht das Studium entsprechende Charaktere an? Diese und viele weitere Fragen wurden auf der Konferenz des Genossenschaftsforums angerissen.

Zweifellos haben Genossenschaften das Potenzial, zumindest zur Linderung sozialer Problemstellungen beizutragen. Sie können das aber nicht immer allein aus eigener Kraft. Bei der drängenden Wohnraumfrage sind sie derzeit durch fehlendes Bauland und hohe Baupreise eingeschränkt. Allerdings ist Neubau um jeden Preis nicht die alleinige Antwort gen die Wohnungsfrage. Das größte Problem ist dieser von gewinnorientierten privatwirtschaftlichen Akteuren dominierte Immobilienmarkt. Da ist die Berliner Stadtgesellschaft gefragt, die Gesamtheit dieser „Homini Cooperativi“, von denen die Genossenschaften ein wichtiger Teil sind.

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