Berlin muss sparen: Aber muss es unbedingt zwischen welcher Kultur sein?


Protest gegen die Sparpolitik im Kulturbereich (Archivbild)

Foto: Christian Mang/Imago Images


Berlin hat ein Haushaltsloch in Milliardenhöhe. Nun sollen die Kulturinstitutionen des Landes zehn Prozent ab 2025 einsparen, so der Berliner Kultursenator Joe Chialo. Die Theatermacher sind alarmiert

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Irgendwann während der Pandemiejahre, als niemand wusste, wie es mit den Theatern weitergehen sollte, kursierte dieses Zitat von Heiner Müller: „Ich glaube, die einzige Möglichkeit herauszufinden ‚Warum Theater?‘ wäre, ein Jahr lang alle Theater der Welt zu schließen und dann weiß man hinterher vielleicht warum“.

Jetzt befinden wir uns in einer Situation, in der dieses Gedankenspiel droht, Realität zu werden. Das ist dem Sparvorhaben der Schwarz-Roten Regierung Berlins zu verdanken, die ihr Haushaltsdefizit in Milliardenhöhe abbauen möchte. Alle Bereiche sollen dazu ihren Beitrag leisten, so auch die Kulturinstitutionen. Sie wurden in einem Brief von Kultursenator Joe Chialo (CDU) offenbar dazu aufgefordert, bereits im kommenden Jahr zehn Prozent ihres Etats einzusparen.

Auf dem Theaterportal nachtkritik.de sind dazu die Statements von Intendant:innen vieler Theaterhäuser nachzulesen. Die Lage ist alarmierend. Denn ironischerweise sind genau jene zehn Prozent des Etats genau der Posten, mit dem an Theatern Kunst gemacht wird. 90 Prozent gehen bereits drauf für Personalkosten, Energie, Mieten, Versicherungen und vieles mehr. Aus diesen Fixkosten sei „nichts herauszupressen.“

Mit dem restlichen Geld erst werden Verträge mit Künstler:innen vereinbart und Bühnenbilder gefertigt. Sämtliche Verträge für das nächste Jahr seien bereits geschlossen, weisen die Leitungen der Theater auf die Tatsache hin, dass in der Kultur mindestens zwei Jahre im Voraus geplant wird – seltsam, dass ein Kultursenator das nicht weiß. Würde man nun vertragsbrüchig werden und die geplanten Produktionen absagen, dröseln die Intendant:innen ihr täglich Brot weiter auf, müsse trotzdem ausbezahlt werden, ohne jedoch Einnahmen zu generieren. Was je nach Rechtsform des Hauses in die Insolvenz oder in die Verschuldung führt, was bei einem Sparvorhaben auch wenig Sinn macht.

Das schlagende Herz von Berlin: die Theater

Tja, nun. Um die Kürzungsvorgaben also umzusetzen, müsste man anscheinend alle Häuser schließen, die Belegschaft würde in Kurzarbeit gehen und es gäbe keine Theaterabende mehr zu sehen, aber das kann mit Kulturpolitik ja jetzt wirklich nicht gemeint sein. Ich halte es für einigermaßen müßig, hier noch einmal darzulegen, warum eine Gesellschaft Kunst und Kultur braucht und inwieweit die Theater der Stadt Berlin ihr schlagendes Herz ist.

Als unbescholtene Bürgerin treibt mich eine andere Frage um. Was erstmal als solidarische Gemeinschaftsaktion daherkommt: „Jedes Ressort spart 10 Prozent, dann schaffen wir das zusammen!“, verschleiert doch auch die Gründe für dieses milliardentiefe Finanzloch, das im Berliner Haushalt klafft. Ich bin keine Finanzexpertin, aber mich würde interessieren, ob hier nicht alle etwas ausbaden sollen, was nur wenige verbrochen haben.

Mir scheint: die maroden Schulen, die fehlenden Kita-Plätze und die monatelangen Wartezeiten beim Bürgeramt können es ja nicht gewesen sein? Die Theater auch nicht, die seit jeher am Limit arbeiten und teilweise alles daransetzen, Kassenschlager zu produzieren und dabei mittlerweile vor nichts zurückschrecken. Noch nicht mal vor Sophie Passmanns Buch Pick Me Girls, das demnächst auf der Großen Bühne des Berliner Ensembles Premiere haben wird. (Das Ausmaß dieses Legitimationsdrucks gepaart mit der Lust am vollständigen Selbstausverkauf mag ich mir gar nicht ausmalen).

Woher also der Schuldenberg? Waren die verkauften Wohnungen, Flächen und Grundstücke, die Berlin an Investoren verjubelte, doch nicht so profitabel? Ist es – Gott behüte! – der Bauskandal des Berliner Flughafens? Die Kultur kann jedenfalls nicht herhalten für das, was die Politik verbockt hat. Müssten die Lichter der Theater tatsächlich ausgehen, wäre dies zumindest ein Zeichen für genau das: das Versagen der Stadtpolitik.

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