Benvenuto Cellini: Mit Moral kommt man nicht weiter

„Nehmt also zur Kenntnis, dass Männer wie Benvenuto, die in ihrem Beruf einzigartig sind, nicht dem Gesetz unterworfen sein müssen!“ Mit diesen Worten Papst Pauls III. erklärte Benvenuto Cellini stolz, dass er zwar die Todesstrafe verdient habe, vom Papst wegen seiner Verdienste als Künstler aber von Schuld und Strafe befreit worden sei. Der 1500 geborene Florentiner Goldschmied, Bildhauer, Musiker und Schriftsteller wähnte sich mit den Herrschern seiner Zeit auf Augenhöhe. Den mit Geld ohnehin nicht zu messenden, heute in der Wiener Kunstkammer befindlichen prachtvollen Tafelaufsatz für Salz und Pfeffer verkaufte er dem französischen König Franz I. nicht etwa, sondern er schenkte ihm diese Saliera, um eine nichtkrämerische Gegengabe zu erwarten. Cellini hatte begriffen, dass er als einer der bedeutendsten Bildhauer der Nachantike darauf rechnen konnte, als Partner von Königen und Päpsten wie diese über dem Gesetz zu stehen. In diesem Gestus war ein zentrales Problem der frühneuzeitlichen Staatstheorie verkapselt: Die Durchsetzung eines allgemein gültigen Rechts musste durch einen Souverän geschehen, der von Zeit zu Zeit zeigte, dass er über diesem stand, um es von einer transzendenten Position aus durchsetzen und verteidigen zu können. Dieser Gestus gelang, wenn ein begnadeter Künstler wie Cellini als Kapitalverbrecher weder verurteilt noch begnadigt, sondern gleichsam aus dem Rechtsrahmen herausgehoben werden konnte.

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