BBC und Donald Trump: Vergleich oder Gerichtsprozess?

Nach einem irreführenden Zusammenschnitt in einer Dokumentation der BBC droht US-Präsident Trump der britischen Rundfunkanstalt mit einer Klage in Milliardenhöhe. Die British Broadcasting Corporation (BBC) steht nun unter Druck: Trumps Anwälte stellten mehrere Forderungen, denen die BBC bis diesen Freitag nachkommen soll. Sollte das nicht geschehen, könnte es teuer werden. Warum genau geht Trump gegen die BBC vor? Wie Erfolg versprechend wäre überhaupt eine Klage? Und warum steht die Rundfunkanstalt auch innerhalb des Landes in der Kritik?

Warum droht Donald Trump der BBC mit einer Klage?

Die britische Zeitung The Telegraph, die als rechtskonservativ gilt und der BBC seit Langem kritisch gegenübersteht, hat vergangene Woche ein internes Schreiben der BBC veröffentlicht. Darin äußert Michael Prescott, der bis zum Juni 2025 unabhängiger Berater der BBC war, neben zahlreichen anderen Beschwerden Kritik an der Bearbeitung einer Donald-Trump-Rede in der Sendung Panorama aus dem vergangenen Jahr. In einem kleinen Ausschnitt soll die Rede so geschnitten worden sein, dass der Eindruck erweckt wurde, Trump habe seine Anhänger direkt zum Sturm auf den Sitz des US-Kongresses aufgerufen.

Unter anderem vor dem Hintergrund der Bearbeitung dieser Rede gab BBC-Senderchef Tim Davie seinen Rücktritt bekannt. Auch die bisherige BBC-Nachrichtenchefin Deborah Turness gab ihren Posten ab. Anschließend entschuldigte sich zudem BBC-Aufsichtsratschef Samir Shah in einem Schreiben an einen Parlamentsausschuss. Er räumte eine „Fehleinschätzung“ des britischen Senders ein.

Wir erkennen an, dass die Art und Weise, wie die Rede geschnitten wurde, den Eindruck eines direkten Aufrufs zu gewaltsamem Handeln erweckt hat. Die BBC möchte sich für diesen Fehlgriff in der Beurteilung entschuldigen.

BBC-Aufsichtsratschef Samir Shah

US-Präsident Donald Trump reichte die Einsicht nicht. In einem Schreiben an die BBC fordern seine Anwälte, dass die Rundfunkanstalt die Dokumentation und alle „falschen, verleumderischen“ Aussagen über Trump bis zum 14. November zurücknimmt. Zudem wird eine Entschuldigung und Entschädigung Trumps gefordert. Kommt die BBC den Forderungen nicht nach, droht den Angaben zufolge eine Klage in Höhe von „mindestens“ einer Milliarde US-Dollar – das sind umgerechnet etwa mehr als 860 Millionen Euro. 

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Was ist in der Dokumentation genau zu sehen?

Im Oktober 2024, wenige Tage vor der US-Präsidentschaftswahl, strahlte die BBC eine Dokumentation mit dem Titel Trump: Eine zweite Chance? aus. In der Dokumentation ist ein Ausschnitt seiner berüchtigten Rede vom 6. Januar 2021 zu sehen. Am Tag dieser Rede hatten Anhänger von Trump den Parlamentssitz in Washington, D. C. gewaltsam gestürmt. Im gezeigten Ausschnitt wirkt es so, als hätte der US-Präsident gesagt, er werde gemeinsam mit seinen Anhängern zum Kapitol gehen und bis zum Äußersten kämpfen. 

Die Sendung hat zwei weit auseinanderliegende Stellen der Rede direkt hintereinander geschnitten. In seiner Rede sagte Trump: „Wir werden zum Kapitol gehen und unsere mutigen Senatoren und Kongressabgeordneten anfeuern.“ Mehr als 50 Minuten später sagte er: „und ich werde bei euch sein. Und wir kämpfen. Wir kämpfen wie die Hölle.“ In der BBC-Sendung Panorama wurde die Rede so zusammengeschnitten, dass es hieß: „Wir werden zum Kapitol hinuntergehen (…) und ich werde bei euch sein. Und wir kämpfen. Wir kämpfen wie die Hölle.“ 

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Wie geht die BBC mit dem Fall um?

Um so transparent wie möglich mit dem Fall umzugehen, startete die BBC einen Liveblog auf ihrer Internetseite. Auf die Forderungen Trumps wolle der Sender zu gegebener Zeit antworten, teilte die BBC mit. Die Frage ist, ob die BBC auf Trumps Forderungen eingeht, eine Entschädigung aushandelt oder eine Klage riskiert.

Die BBC-Dokumentation hätte in einer anderen Zeit wahrscheinlich zu einem schnellen Eingeständnis des Fehlers, einer Korrektur und einer Entschuldigung geführt, sagte Mark Lukasiewicz, ehemaliger Manager bei NBC News und heutiger Dekan der School of Communication der Hofstra-Universität in New York der Nachrichtenagentur AP. Heute aber würden redaktionelle Entscheidungen sofort politisch instrumentalisiert. „In einer Zeit, in der jede redaktionelle Entscheidung in einer Nachrichtenredaktion genauestens unter die Lupe genommen und für politische Zwecke instrumentalisiert werden kann, muss das in Redaktionen weltweit zu echter Vorsicht führen“, sagte er.

Inzwischen beschäftigt sich auch die britische Regierung mit dem Fall. Der britische Premierminister Keir Starmer forderte die BBC dazu auf, sich an „höchste“ journalistische Standards zu halten. „Wo Fehler gemacht wurden, müssen sie ihr Haus in Ordnung bringen“, sagte er. Gleichzeitig stellte er sich hinter die Institution. Er unterstütze eine starke und unabhängige BBC, sagte er.

Auch Kulturministerin Lisa Nandy von der Labour-Partei stellte sich zuvor im Unterhaus fest an die Seite des öffentlich-rechtlichen Senders und warnte die Opposition davor, die Krise der BBC politisch zu instrumentalisieren und auszunutzen.“Diejenigen, die hier die BBC von linker oder rechter Seite attackieren, weil sie nicht deren eigene Sichtweise vertritt, sollten sich klarmachen, was gerade auf dem Spiel steht“, sagte Nandy. 

Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man tatsächliche Fehler benennt oder die Institution insgesamt unablässig angreift.

Kulturministerin Lisa Nandy
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Wie Erfolg versprechend wäre eine Klage gegen die BBC?

Rechtsexperten äußerten in britischen und US-Medien bereits Zweifel daran, dass Trump Erfolg haben könnte. So signalisierte Trump zuletzt, dass er beabsichtigt, ein mögliches Gerichtsverfahren im US-Bundesstaat Florida und nicht in Großbritannien zu führen. In Großbritannien und in vielen US-Bundesstaaten muss eine Verleumdungsklage innerhalb von zwölf Monaten nach der mutmaßlichen Verleumdung eingereicht werden. In Florida hat man 24 Monate Zeit, um dagegen vorzugehen.

Bei einer Klage in den USA muss Trump allerdings nachweisen, dass ihm die Sendung wirklich geschadet hat. Auch müsste eine erfolgreiche Verleumdungsklage nachweisen, dass die irreführenden Schnitte absichtlich und nicht bloß aus Nachlässigkeit oder Inkompetenz entstanden. Diese Nachweise zu erbringen, könnte schwierig sein – zumal Trump in den USA vielfach vor Gericht steht. Die Doku ist dagegen in der BBC-Mediathek nicht mehr abrufbar und wurde nie in den USA ausgestrahlt. „Er wird zeigen müssen, dass jemand in Florida diese Panorama-Sendung gesehen und das Schlimmste von ihm gedacht hat“, sagte der Medienanwalt Mark Stephens gegenüber CNN. Trump müsse also die Frage beantworten: „Hat das sein Ansehen bei vernünftig denkenden Menschen gesenkt?“

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Warum ist die BBC in der Kritik?

Die BBC bietet eine breite Palette an Fernseh-, Hörfunk- und Online-Programmen und genießt weltweit hohes Ansehen. Ähnlich wie die Rundfunkanstalten in Deutschland ist die BBC öffentlich finanziert, ist aber nicht in Staatsbesitz. Eine sogenannte Royal Charter, die die BBC 1927 als öffentliche Körperschaft etablierte, garantiert ihre redaktionelle Freiheit und Unabhängigkeit von der Regierung. Sie hält fest, dass es Auftrag der BBC sei, im Interesse der Gesellschaft und der Öffentlichkeit zu agieren und „allen Zielgruppen durch die Bereitstellung von unparteiischen, hochwertigen und unverwechselbaren Produkten und Dienstleistungen zu dienen, die informieren, bilden und unterhalten“. Die BBC wird durch eine Gebühr finanziert, die von allen Haushalten mit Fernsehgeräten gezahlt wird.

Im eigenen Land steht der Sender seit Jahren unter Druck, seine Verpflichtung zur Unparteilichkeit aufrechtzuerhalten. In den vergangenen Jahren sah sich die BBC sowohl von links als auch von rechts mit Vorwürfen der Voreingenommenheit konfrontiert, unter anderem beim Thema Brexit. Zudem war die Trump-Dokumentation nicht der erste Vorfall: Die BBC zog im Februar eine Doku über den Gazakrieg zurück, weil der Erzähler Hamas-Verbindungen hatte.

Die Rücktritte der Führungsetage und die Kritik an der BBC erfolgen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da die Royal Charter des Senders 2027 ausläuft. Der Sender ist dabei, mit der britischen Regierung über die künftige Finanzierung und die Höhe der Rundfunkgebühren zu verhandeln. Die Zahl der Rundfunklizenzzahler ist kontinuierlich gesunken – am Ende des letzten Geschäftsjahres waren es 23,8 Millionen, nach 25,3 Millionen vor zwei Jahren.

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Warum geht Donald Trump gegen Medien vor?

Das Hinterfragen journalistischer Berichterstattung ist für Trump längst Teil seiner politischen Strategie. Wegen eines ähnlichen Vorwurfs verklagte Trump bereits die Muttergesellschaft des US-Senders CBS. Dabei ging es um ein bearbeitetes Interview mit seiner damaligen demokratischen Konkurrentin Kamala Harris in der Sendung 60 Minutes. Der Sender einigte sich auf einen Vergleich. Auch Beschwerden seiner Heimatschutzministerin Kristi Noem über ihr Interview in der Sendung Face the Nation im August führten zu einem Kurswechsel bei der Interviewführung in der Redaktion.

Angesichts von rechtlichen Drohungen seitens Trumps haben sich andere US-Nachrichtenorganisationen ebenfalls für Vergleiche entschieden und Millionen gezahlt, bevor ein Fall vor Gericht kommt.

Trump schränkte zudem den Zugang der Nachrichtenagentur AP im Weißen Haus ein, nachdem diese sich geweigert hatte, wie von ihm verlangt, den Golf von Mexiko als „Golf von Amerika“ zu bezeichnen. Außerdem verklagte er Medien wie die New York Times und das Wall Street Journal und kürzte Mittel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil ihm deren Berichterstattung missfiel.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters

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