Bayrou scheitert an Vertrauensfrage: Macron zum wiederholten Male abgewählt

Noch will der französische Präsident Emmanuel Macron nicht gehen, obwohl erneut eine von ihm eingesetzte Regierung gescheitert und keine neue in Sicht ist. Die politische Krise des Landes schwelt nicht, sie lodert


Premierminister François Bayrou (links) und Präsident Emmanuel Macron

Foto: Tom Nicholson/AFP/Getty Images


Das mutmaßliche Heldenstück ist Frankreichs nunmehr ehemaligem Premierminister François Bayrou nicht geglückt. Er hatte noch ein letztes Mal an das Gewissen der Abgeordneten appelliert, auf Realitätssinn gepocht und vor der Schuldenexplosion gewarnt. Aber eine sehr beachtliche Mehrheit wollte ihm in der Nationalversammlung nicht folgen und sagte Nein zu Bayrou wie seiner Regierung, Nein zu seinen Sparplänen und implizit Nein zu Emmanuel Macron. Denn der Verantwortliche für das anhaltende politische Chaos sitzt seit acht Jahren im Élysée-Palast und hat erneut keinen Regierungschef, zum sechsten Mal seit 2017.

Der Graben zwischen Frankreichs Eliten und den Bürgern ist unter Macron stetig größer geworden, was sich bislang am eindrucksvollsten während der Gelbwesten-Bewegung gezeigt hat. Durch eine Politik der sozialen Kälte, wachsender staatlicher Repressionen, vor allem aber wegen seines fehlenden politischen Gespürs hat Macron mit der Regierungsmehrheit auch Regierungsautorität verspielt. Und in einem politischen System, das nicht auf Koalitionen angelegt ist, hat das fatale Auswirkungen. Sie bestehen in Notstandsdekreten, Misstrauensvoten, Neuwahlen. Rien ne va plus.

Bayrous Maxime lautete zum Schluss: Fresst oder sterbt

François Bayrou hatte mit der Vertrauensfrage einen Befreiungsschlag versucht, doch die Oppositionsparteien, das noch junge linke Bündnis Nouveau Front Populaire (Neue Volksfront) und Marine Le Pens Rassemblement National (RN), längst die stärkste Partei im Land, nahmen ihm übel, seine Sparpläne über die Sommerpause ohne Absprachen als alternativlos entwickelt zu haben.

Die für den 8. September anberaumte Abstimmung, mit der Bayrou seinen Gegnern, die mit neuen Misstrauensvoten drohten, zuvorkommen wollte, empfanden viele Franzosen als reine Erpressung nach der Maxime: Fresst oder sterbt. Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Frankreich einen Haushalt braucht. Die Rating-Agenturen heben mahnend den Zeigefinger, und in Europa fürchtet man, Frankreichs enorme Schuldenlast könnte die gesamte Euro-Zone in Mitleidenschaft ziehen. Man kann darüber klagen, wie sehr die Kapitalmärkte Frankreich im Augenblick zusetzen, aber das ändert nichts daran, dass die Politik in Zugzwang geraten ist – was sonst? – und es quietscht im Getriebe des Staates.

Nun steht Macron wieder vor der Frage, was und wer nun? Er schließt Neuwahlen aus und hat stattdessen angekündigt, in den kommenden Tagen schnellstens einen neuen Premier oder eine neue Premierministerin zu ernennen. Nur warum sollten dem oder der gelingen, was Bayrou entglitten ist? Wer könnte bis zum Ende von Macrons Amtszeit im Jahr 2027 Mehrheiten garantieren, die regierungsrelevant sein könnten?

Warum nicht über den Haushalt mit einem Referendum abstimmen

Auch die oder der Nächste dürften bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen, bei drei nahezu gleich großen Blöcken im Parlament, zum Scheitern verurteilt sein. Ihre Positionen zu dem, was allein die prekäre Haushaltslage auferlegt, sind fundamental unterschiedlich. Und solange sich Emmanuel Macron im Élysée verschanzt, scheint es nahezu unmöglich, Frankreich – egal in welche Richtung – zu steuern.

Gleichzeitig ist völlig ungewiss, was auf Macron 2027 oder früher folgt. Der Machtanspruch von Marine Le Pen und ihrer Entourage ist ungebrochen. Inzwischen vertreten viele Franzosen die Auffassung: Warum eigentlich nicht? Und ob es die Linksparteien wie im Sommer 2024 noch einmal schaffen, zueinander zu finden, steht in den Sternen.

Einen Vorschlag hört man in diesen Tagen immer wieder: Warum nicht über den künftigen Haushalt bei einem Referendum abstimmen lassen? Emmanuel Macron hat einen französischen Staatsmann stets als großes Vorbild gepriesen: Charles de Gaulle. Der war 1969 zurückgetreten, nachdem die Franzosen bei einem Plebiszit seine Senats- und Regionalreform abgelehnt hatten. Schule hat das offenbar nicht gemacht.

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