Bargeld im Briefumschlag – Trainerin müsse sich eine eigene Putzfrau leisten

Im Skandal ums deutsche Turnen kommen immer neue Details ans Licht. Erstmals wird eine Trainerin namentlich beschuldigt. Sie soll unter anderem Siegprämien ihrer Athletinnen für private Zwecke einkassiert haben. Das berichtet die deutsche Rekord-Meisterin.

Die Vorwürfe im Skandal rund um den Deutschen Turnerbund (DTB), den Schwäbischen Turnerbund (STB), das Stuttgarter Kunst-Turn-Forum (KTF) und den Mannheimer Trainings-Stützpunkt häufen sich immer weiter.

Jetzt hat sich auch die deutsche Rekord-Meisterin im Kunstturnen, Elisabeth Seitz, zu Wort gemeldet. Gegenüber dem SWR bestätigt Seitz neue Vorwürfe, die andere Athletinnen zuvor schon öffentlich machten.

Die für den weiblichen Nachwuchs verantwortliche Bundestrainerin Claudia Schunk (52) ist bereits vergangene Woche in den Fokus geraten. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist inzwischen in Vorermittlungen eingestiegen.

Die ersten Vorwürfe hatten sich gegen den Stützpunkt in Stuttgart gerichtet. Inzwischen steht auch Mannheim in der Kritik. Dort trainierte Seitz vor ihrem Wechsel nach Stuttgart (2017) in der Trainingsgruppe von Schunk. In der ARD- „Sportschau“ und mit dem SWR sprach Seitz nun offen über ihre Erfahrungen.

„Hör auf, dich selbst zu bemitleiden“

Sie berichtet davon, dass sie weitertrainieren musste, obwohl sie keine Kraft mehr hatte. Auf die Risiken wurde nicht geachtet. Seitz dazu: „Dann bin ich beim Jägersalto mit dem Gesicht auf den Holm geknallt und habe mir die Lippe durchgebissen, mein Zahn war beschädigt.“ Und weiter: „Der Satz, den ich immer hören musste, war: Hör auf, dich selbst zu bemitleiden.“

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Trotz Schmerzen musste Seitz weiter Krafttraining machen. Bis die verletzte Nachwuchsturnerin von ihrer Mutter abgeholt wurde. Doch Seitz schwieg nicht. Bereits 2014 hat sie, laut eigener Aussage, ihre Erfahrungen dem Deutschen Turnerbund gemeldet. Passiert ist jedoch jahrelang nichts.

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Seitz dazu: „Zuletzt war ich vor wenigen Wochen noch mal im Gespräch mit dem DTB und habe noch einmal alles auf den Tisch gelegt. Sie haben alles, und deswegen sollte das jetzt bearbeitet werden – endlich. (…) Ich möchte auf keinen Fall, dass irgendein Kind oder ein Mädchen so was noch mal erleben muss.“

Ehemalige Turnerinnen berichteten zudem, dass sie Teile von Siegprämien angeblich an Schunk abgeben mussten. Elisabeth Seitz legt nach und sagt, dass es um Preisgelder und Sponsorengelder gegangen sein soll: „Meistens sollte es in einem Briefumschlag erfolgen oder auf ihr privates Konto mit der Aussage, dass sie so viel zu tun hat, dass sie sich zu Hause jetzt auch eine eigene Putzfrau leisten muss.“

Schunk spricht über „Ausbildungsrückführung“

Schunk dazu auf Nachfrage des SWR: „Wie in anderen Zentren und anderen Sportarten auch gab es in Mannheim in der Vergangenheit eine Ausbildungsrückführung.“

Durch die seit Weihnachten öffentlich gewordene Lawine an Vorwürfen hat der DTB endlich reagiert. Es soll aufgeklärt werden, seit Mitte Januar auch mithilfe der Frankfurter Kanzlei Rettenmaier.

Ex-Olympionikin Janine Berger (Platz vier in London 2012) befürchtet, dass der öffentlich bekundete Aufklärungswillen der Verbände nur ein Lippenbekenntnis ist: „Einfach nur noch erbärmlich und heuchlerisch. In meinen Augen wollen die ganz klar ihren Arsch retten und nicht transparent aufarbeiten.“ Die Europameisterin von 2022 fordert, dass personell aussortiert wird. Seitz: „Die Leute, die nicht richtig sind in diesem Verband oder in diesem Sport, die müssen gehen. Und erst wenn das passiert ist, haben wir die Chance, wirklich was zu verändern.“

Die Ersten, die davon betroffen waren: ein Trainer-Duo aus Stuttgart. Ob und wann weiter durchgegriffen wird, bleibt abzuwarten. Doch durch die stetig wachsenden Vorwürfe kann der DTB nicht länger wegsehen.

Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in BILD veröffentlicht.

Source: welt.de

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