Autoritarismus-Studie: Frauenfeindlichkeit im Osten nimmt zu

Die Deutschen waren noch nie unzufriedener mit der Demokratie, belegt eine Studie. Außerdem seien rechtsextreme Einstellungen in Ost und West mittlerweile gleich häufig. Unterschiede gebe es hingegen bei Sexismus und Frauenfeindlichkeit


Klare Botschaft: Demonstration zum Internationalen Frauentag in Berlin (2024)

Foto: Bildgehege/Imago


Die Zufriedenheit mit der gelebten Demokratie in Deutschland nimmt ab. Zwar stehen laut einer aktuellen Studie immer noch rund neun von zehn Deutschen hinter der Demokratie als Idee. Mit der Demokratie, „wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“, zeigten sich bei einer repräsentativen Umfrage für die Leipziger Autoritarismus-Studie im Frühjahr dieses Jahres allerdings nur 42,3 Prozent der Befragten zufrieden, nach 57,7 Prozent zwei Jahre zuvor.

So niedrig wie jetzt war der Wert noch nie, seitdem die Wissenschaftler um Oliver Decker und Elmar Brähler 2006 erstmals danach gefragt hatten. Mit 29,7 Prozent ist der Anteil der Ostdeutschen, die auf diese Frage positiv antworteten, deutlich niedriger als unter den Westdeutschen, wo sich 45,5 Prozent der Befragten zufrieden zeigten.

Die Bundesrepublik stehe aktuell „vor einer ungewissen Entwicklung“, heißt es in der Studie. Die Krisenwahrnehmung sei ausgeprägt und zum Charakter der Krise gehöre die Erwartung eines Entscheidungsmoments.

Neigung zum Eskapismus

Obwohl die Demokratie von vielen Bundesbürgern skeptisch betrachtet werde, sei derzeit aber noch nicht ausgemacht, dass autoritäre oder extrem-rechte Lösungen in der Breite der Bevölkerung Anklang finden. „Es zeigt sich aber eine Neigung zum Eskapismus – ein Abschied von der Realität, wie er im Aberglauben, der Verschwörungsmentalität und der Esoterik zum Ausdruck kommt.“

„Ausländerfeindlichkeit“ wurde bei der Umfrage bei 31,5 Prozent der Ostdeutschen und 19,3 Prozent der Westdeutschen gemessen. Während solche Einstellungen im Westen demnach bei der Altersgruppe ab 61 Jahren am stärksten verbreitet sind, sind es im Osten vor allem die Menschen im Alter zwischen 31 Jahren und 60 Jahren, die sich bei der Beantwortung des Fragebogens entsprechend einließen.

„Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus“

Ausländerfeindlichkeit sei oft eine „Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus“, sagt Mitautorin Ayline Heller. Die Zunahme dieses Ressentiments sei Resultat einer „Verschiebung von Sagbarkeitsgrenzen“. Dass sich diese verschoben hätten, sei eine Folge des gesellschaftlichen Klimas und habe auch damit zu tun, wie in der Politik diskutiert werde.

Betrachtet man die verschiedenen Facetten manifest-rechtsextremer Einstellungen insgesamt, zu denen die Wissenschaftler auch Chauvinismus, die Verharmlosung des Nationalsozialismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur zählen, hat jedoch eine Angleichung zwischen Ost und West stattgefunden.

Zunahme antisemitischer Einstellungen im Westen

Ein Faktor ist dabei den Angaben zufolge eine Zunahme manifest antisemitischer Einstellungen im Westen Deutschlands. Ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben laut Studie aktuell rund je 4,5 Prozent der Ost- und der Westdeutschen.

Unter den Befragten, die Sympathien für eine rechtsautoritäre Diktatur äußerten, war der Anteil der AfD-Wähler gemäß der Studie mit Abstand am größten. Auch chauvinistische Tendenzen waren laut Studie unter den AfD-Wählern am stärksten verbreitet, gefolgt von Anhängern von FDP und CDU/CSU. Bei allen Formen der von den Forschern gemessenen Ressentiments, mit Ausnahme des Chauvinismus‘, liegen die Werte der Männer deutlich über denen der Frauen.

Frauenfeindlichkeit im Osten wächst

Eine Zunahme von Frauenfeindlichkeit stellen die Forscher bei Menschen im Osten Deutschlands fest, wo das Frauenbild früher deutlich progressiver war als im Westen. Bei der Zustimmung zu einzelnen sexistischen Aussagen liegen die Ostdeutschen, anders als in der Vergangenheit, aktuell sogar höher als im Westen. Hier sei eine „Retraditionalisierungstendenz in der jüngeren Generation“ zu beobachten.

Im Osten finden laut Umfrage rund 31,4 Prozent der Ostdeutschen, Frauen sollten sich „wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter“ besinnen. Im Westen vertraten diese Ansicht demnach 25,7 Prozent der befragten Menschen im Alter zwischen 16 Jahren und 92 Jahren.

Kompromisse werden nicht akzeptiert

Wer sich besonders unzufrieden mit der Alltagsdemokratie zeigt, fokussiere seinen Ärger häufig auf Politiker und Parteien, erklärt Decker. Unter den Menschen, die über mangelnde Einflussmöglichkeiten klagen, gebe es viele, die Kompromisse nicht akzeptieren wollten, sondern nach einer vollständigen Umsetzung ihrer eigenen Ansichten verlangten. Ein weiterer Faktor der Unzufriedenheit im Kontakt mit Politik und Staat ist laut Studie die Bürokratie.

Die Studie entstand in Kooperation mit der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung der IG Metall. Ihre Ergebnisse findet die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, alarmierend. „Wenn das so weitergeht, laufen wir Gefahr, eine Ressentiment-Republik zu werden.“ Das dürfe man nicht zulassen. „Millionen von Menschen spüren das in Form von alltäglicher Diskriminierung.“ Gruppenbezogener Menschenhass habe in allen Teilen Deutschlands eine ganz neue Dimension erreicht.

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