Drei Milliarden Euro mehr für die Förderung der Elektromobilität: Diese Zahl war das konkreteste Ergebnis aus dem Koalitionsausschuss und dem „Autodialog“, das Union und SPD am Donnerstag als Reaktion auf die Krise der deutschen Autoindustrie präsentierten. Mit dem Geld soll es Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen erleichtert werden, sich ein Elektroauto anzuschaffen. 750 Millionen Euro jährlich will die Koalition dafür bis 2029 im Klima- und Transformationsfonds (KTF) einplanen, als Ergänzung zu den Mitteln aus dem Klimasozialfonds der EU. Voraussetzung für die Auszahlung Letzterer ist, dass die Mitgliedstaaten eine Ko-Finanzierung gewährleisten.
Nicht so konkret waren dagegen die Ergebnisse aus den zwei Veranstaltungen im Kanzleramt, was das sogenannte Verbrenner-Aus betrifft. Vom Jahr 2035 an dürfen in der EU nach der aktuellen Beschlusslage nur noch Fahrzeuge neu zugelassen werden, die kein CO2 mehr ausstoßen. Sowohl die Autoindustrie als auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatten in den vergangenen Wochen immer wieder auf eine Lockerung dieser Regelung gedrängt. Merz will in Brüssel darauf hinwirken, dass Elektroautos mit unterstützendem Verbrennungsmotor wie Plug-in-Hybride und Range Extender auch nach 2035 zugelassen werden können.
„Beschäftigte warten auf ein klares Signal“
Mehr als zwei Stunden tagten die Teilnehmer der Auto-Runde am Donnerstag im Kanzleramt: Vertreter der Bundesregierung, der Länder mit Autoherstellern und Zulieferern, der Industrie und der Gewerkschaften. Sie waren sich darin einig, dass die Branche mehr Flexibilität auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele brauche. „Es gibt ein gemeinsames Verständnis der herausfordernden Lage“, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller. Deutschland müsse mit einer Stimme in Brüssel sprechen. „Unsere Beschäftigten warten auf ein klares Signal“, sagte die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner. Es brauche eine „Offensive in Richtung Elektromobilität“ und zugleich mehr Flexibilität für Hybride und klimaneutrale Kraftstoffe.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in der Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss seine Position bereits deutlich gemacht. „Das starre und strikte Aus des Verbrenners ab 2035 ist der falsche Weg“, sagte er dort. Die Elektromobilität habe „sicher eine große Zukunft“, deshalb unterstütze man sie auch. „Aber zu glauben, dass 2035 alles Elektro fährt, ist nicht realistisch.“ Das Ziel müsse sein, die deutsche Industrie zu stärken. Etwas zurückhaltender, aber in der Sache ähnlich formulierte es der Kanzler. „Wir sind uns in der Koalition einig, dass wir alles tun wollen, um der deutschen Automobilindustrie eine gute Zukunft zu geben in Deutschland.“
Der Umweltminister verteidigt das Verbrenner-Aus
Weniger klar ist die Positionierung der SPD. Umweltminister Carsten Schneider hatte in den vergangenen Tagen das Verbrenner-Aus vehement verteidigt, andere wie Ko-Parteichef Lars Klingbeil und Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies haben unterdessen Offenheit für eine flexiblere Regelung signalisiert. Selbst der Grüne Cem Özdemir, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Jahr, hält die Vorgabe für 2035 nicht mehr für unantastbar.
Das zu Ampel-Zeiten formulierte Ziel, dass bis 2030 in Deutschland 15 Millionen Elektroautos fahren sollen, liegt in weiter Ferne. Nur rund 1,7 Millionen rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge gibt es bislang. Hinzu kommen 3,7 Millionen Hybride, teils mit Ladekabel (Plug-in), teils ohne. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 49 Millionen Pkw. Für die Herstellung eines Elektroautos werden deutlich weniger Mitarbeiter benötigt als für einen Verbrenner, weil ein großer Teil der Wertschöpfung auf die – meist aus Asien importierte – Batterie entfällt. Rund 770.000 Beschäftigte arbeiten in der Autoindustrie. In dieser Branche gingen laut der Beratungsgesellschaft EY binnen eines Jahres rund 50.000 Arbeitsplätze verloren. Zuletzt beschloss die schwarz-rote Koalition bereits eine höhere Förderung für gewerblich genutzte Elektroautos.
Union hofft auf synthetische Kraftstoffe
Vor allem die Union setzt große Hoffnungen auf synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und auf Biokraftstoffe, um CO2-Emissionen einzusparen. Ein Ziel ist, die EU-Kommission davon zu überzeugen, nicht nur die Abgase, sondern die gesamte CO2-Bilanz im Lebenszyklus eines Autos zu betrachten. Das Verbauen von klimafreundlich hergestelltem Stahl könnte dann zum Beispiel positiv berücksichtigt werden. In Berlin ist man zuversichtlich, dass letztlich alle europäischen Länder mit Automobilproduktion dafür sind, die aktuellen Vorgaben zu lockern – allen voran Frankreich, aber auch Italien. Ob neben dem Ministerrat auch das EU-Parlament mitzieht, ist indes fraglich.
Die vom Verkehrsministerium zuletzt beklagte Finanzierungslücke für den Bau neuer Bundesfernstraßen haben die Koalitionäre nach eigenen Angaben weitgehend geschlossen. Im Sondervermögen sollen nun drei Milliarden Euro, die als Zuschüsse für den Bau von Chipfabriken vorgesehen waren, für Straßenverkehrsprojekte umgewidmet werden. Hintergrund ist, dass es derzeit ohnehin wenig Interesse von Investoren am Bau von Chipfabriken gibt. Vertreter der Grünen und der Linken kritisierten die Pläne der Koalition.