Ausstellung „Democracy“ in Athen: Revolutionen malen besser

Kein Ort der Welt dürfte sich besser dafür eignen, über die Strahlkraft der Demokratie zu sprechen, als die Stadt, in der sie erfunden wurde. Eine neue Ausstellung in der Nationalgalerie in Athen scheint aber zunächst zögerlich. Man muss bis ans Ende der Ausstellung gelangen, vorbei an 137 Werken von 54 Künstlerinnen und Künstlern, bevor man so etwas wie einen Anspruch auf Deutungshoheit findet – und selbst dann ist sie alles andere als triumphal.

Rika Panas Gemälde des Parthenon vor melancholisch blauen und trüb grünen Hintergründen betont gerade nicht die Unerschütterlichkeit des ultimativen Symbols der athenischen Demokratie, sondern seinen Untergang. Auf drei Gemälden aus der Serie The Erosion of Civilisation sehen die Säulen des Tempels – der im fünften Jahrhundert vor Christus von dem radikalen demokratischen Reformer Perikles in Auftrag gegeben wurde – wie schwarze Rauchschwaden aus, wobei die Unbeständigkeit des ikonischen Umrisses seine eigene Vergänglichkeit unterstreicht.

Der düstere Ton kommt im rechten Moment: Democracy, so der Titel der Ausstellung, startet in einer Zeit, die ein bedrohliches Endzeitgefühl vermittelt und unbequeme Fragen aufwirft. In ihrer liberalen, repräsentativen Ausprägung mag sich Demokratie in den meisten Ländern Europas, Amerikas, in weiten Teilen Afrikas südlich der Sahara und Ozeaniens als Regierungsnorm etabliert haben. Doch in Ländern, die einst als demokratische Hochburgen galten, scheinen viele versucht, die Demokratie gegen eine Regierungsform zu tauschen, an deren Spitze ein starker Mann steht, der sich von den verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen lösen will. Was passiert mit der Demokratie, wenn die Demokraten sie nicht mehr wollen?

Die Kuratorin Syrago Tsiara stellt die Demokratie nicht als ein in Stein gemeißeltes Endstadium der Geschichte dar, sondern als etwas, das erst vor einem halben Jahrhundert den Händen autokratischer Führer gewaltsam entrissen wurde. Nicht nur in Griechenland, sondern fast gleichzeitig in Portugal und Spanien. Der Faschismus der 1930er Jahre in Italien und Deutschland sowie die autokratischen Herrscher des Sowjetblocks sind so stark im historischen Gedächtnis verankert, dass diese Militärdiktaturen Südeuropas trotz ihrer offensichtlichen Gemeinsamkeiten auf dem Rest des Kontinents oft vergessen werden.

António de Oliveira Salazar, Georgios Papadopoulos und Francisco Franco waren allesamt Militärs, die gegen die bürgerlichen Freiheiten vorgingen und ihre Feinde folterten, aber in ihrem Eifer eher christlich-traditionalistisch als faschistisch-revolutionär gesinnt waren. Im Kalten Krieg garantierte ihnen ihr scharfer Antikommunismus die Anerkennung oder direkte Unterstützung der USA und im Fall Griechenlands und Portugals die Mitgliedschaft in der NATO.

Überall rote Nelken

Ihre Diktaturen endeten alle innerhalb von 18 Monaten Mitte der 1970er Jahre, doch die Demokratie triumphierte in jedem Land auf unterschiedliche Weise. In Portugal kam der Wendepunkt mit einem Militärputsch im April 1974, während in Spanien die Demokratie nach dem Tod Francos im November 1975 schrittweise wiederhergestellt wurde. In Griechenland geriet die Herrschaft der Junta schneller aus den Fugen: Studentenproteste lösten interne Spaltungen im Umfeld von Papadopoulos aus. Dann kam es zu einem Staatsstreich auf Zypern, gefolgt von der türkischen Invasion auf der Insel, woraufhin die siebenjährige Militärdiktatur schließlich zusammenbrach.

Für die Künstler, die trotz strenger Zensur weiter Kunst produzierten, sah die Repression bemerkenswert ähnlich aus. In Athen ist eine Skulptur des spanischen Künstlerkollektivs Equipo Crónica aus dem Jahr 1972 zu sehen, die einen der unauffälligen Spione der franquistischen Geheimpolizei darstellt, und ein fast identisches Kunstwerk von Yannis Gaïtis, das die gesichtslosen Informanten des griechischen Überwachungsstaates zeigt. Die Arbeiten entstanden zur gleichen Zeit.

Auch die Symbole des Protests wurden geteilt: Rote Nelken sind nicht nur auf den Graffiti und Protestbannern der friedlichen „Nelkenrevolution“ allgegenwärtig, die in Revolução, der Filmcollage von Ana Hatherly aus dem Jahr 1975, festgehalten wurden, sondern auch in dem unbetitelten, aus Gips geformten Blumengitter von Vlassis Caniaris aus dem Jahr 1969. Der Militäroffizier Papadopoulos, der 1967 den Staatsstreich anführte und sich bis 1973 als griechischer Ministerpräsident installierte, pflegte zu sagen, seine Diktatur sei lediglich „ein Gipsverband“, der den Patienten während der für die Wiederherstellung der Demokratie erforderlichen „Operation“ schützen solle.

Die bemerkenswertesten Bilder der Ausstellung überraschen durch ihren künstlerischen Stil. Pop Art gilt gemeinhin als angloamerikanisches Genre, das die Substanz und das Äußere der Konsumkultur feiert. Doch für Künstler wie den Spanier Alberto Solsona und den Griechen Alekos V. Levidis war sie das perfekte Mittel, um politische Gewalt zu entlarven – auch wenn diese, wie der Titel der Monotypie auf Papier von 1969 besagt, Made in the USA war. Pop-Art ist auch der Stil, in dem der Künstler Giorgos Ioannou die Ereignisse festhielt, die den Untergang der Junta einleiteten. Im November 1973 verbarrikadierten sich Jurastudenten in der Polytechnischen Universität der Hauptstadt und forderten die Absetzung der Junta. Der Protest brachte einen Scheinliberalisierungsprozess zum Scheitern, der Wochen zuvor von Diktator Papadopoulos eingeleitet worden war, der brutal gegen die Besetzung vorging. Ioannous Comic-Bilder sehen wie eine makabre Hommage an Roy Lichtensteins berühmtes Diptychon Whaam! aus, nur dass wir hier die Kugeln sehen, die sich in die Körper junger Menschen bohren. Mindestens 40 Studenten starben während der Aufstände, Tausende wurden verletzt. Die Vielfalt der künstlerischen Formen, die in Democracy zu sehen sind, wirkt letztlich wie ein Kommentar zum Thema, dass es so etwas wie einen demokratischen Stil in der Kunst vielleicht gar nicht gibt. Tatsächlich hat die Bildsprache, mit der einige südeuropäische Künstler die Geschichte ihrer demokratischen Befreiung erzählen, in einigen Fällen eine seltsam anti-egalitäre Tendenz.

In National Technical University of Athens, einem Gemälde von Marios Vatzias von 1975, werden die getöteten Demonstranten von Engeln von der Straße geholt und zu den Göttern getragen. Sie sind nicht mehr Teil der Masse, sie werden zu den wenigen Auserwählten erhoben. Märtyrertum ist ein überraschend häufiges Thema, insbesondere in den Werken des griechischen Kupferstechers Tassos, dessen Kunst in der ersten Ausstellung der Nationalgalerie nach dem Sturz der Junta gefeiert wurde. Freiheitskämpfer werden hier als normale Bürger dargestellt, zugleich aber zu Erzengeln stilisiert, die Maschinengewehre tragen, während die hingerichtete kommunistische Widerstandskämpferin Ilektra Apostolou zu Jesus am Kreuz wird.

Kenne deinen Gegner

Die Aussage zu Beginn der Ausstellung lässt einen erschrecken: Der Weg zur Demokratie, so die Wandtafel, „beginnt mit der Identifizierung des Gegners“ – was eher nach einem Ausspruch des antiliberalen politischen Theoretikers Carl Schmitt klingt als nach einer Formel für eine funktionierende moderne Demokratie.

Die Straßenproteste, die den Übergang Portugals und Griechenlands zur Demokratie begleiteten, erhalten jedoch den ihnen gebührenden Platz. Auch wenn die geopolitischen Umstände, die die Diktaturen brüchig genug machten, um von den Demos gestürzt zu werden, in diesen Kunstwerken weitgehend fehlen – nämlich die Kolonialkriege, die die Armeen des Estado Novo ermüdet hatten, die türkische Invasion auf Zypern, die den Kompetenzanspruch der Junta untergrub, und der Aufstieg der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Gesellschaften, die das Recht auf freie Meinungsäußerung unterdrücken, so die Ausstellung, sind zum Untergang verdammt. Zumindest in dieser Hinsicht stimmen Kunst und die Interessen der Demokratie überein.

Dass sie sich aber nicht immer überschneiden, sollte klar sein, auch wenn man nicht mit dem Kritiker Kenneth Clark übereinstimmt, der 1945 in seinem Essay Art and Democracy zu dem Schluss kam, dass die Kunst „unheilbar aristokratisch“ sei, da sie dazu neige, die „Herrschaft der Wenigen über die Vielen“ zu veranschaulichen. Die Ausstellung beginnt und endet mit dem großen Porträt des Malers Konstantinos Parthenis von Alexandros Papanastasiou. Papanastasious Amtszeit als Premierminister ebnete 1924 den Weg für die Zweite Hellenische Republik. Von Parthenis stammt auch ein kleines Bild des Kopfes der Göttin Athene, das als Emblem der Republikanischen Partei diente. Diese Werke bleiben indes nicht hängen. Revolutionen geben bessere Bilder ab als Institutionen.

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