In der Neuen Nationalgalerie in Berlin ist Christian Marclays faszinierende Filmcollage „The Clock“ zu sehen. Die 24 Stunden lange Kompilation zeigt Ausschnitte aus der gesamten Filmgeschichte, geordnet nach der darin abgebildeten Zeit
Marclay durchforstete die Filmgeschichte – und fand für jede Uhrzeit eine Szene
Foto: Ben Westoby/White Cube
Sein Konzept liest sich simpel: Christian Marclay hat für seine 24-Stunden-Kompilation The Clock Tausende Clips (die Rede ist von über 12.000) aus der gesamten Filmgeschichte (plus ein paar Serien) zusammengeschnitten, besser gesagt: sie geordnet. Denn die jeweiligen Ausschnitte sind nach der darin abgebildeten Zeit sortiert.
Nicht immer ist die Uhr konkret zu sehen, aber im Lauf der 24 Stunden gibt es eine Menge von unterschiedlichsten Zeitmessgeräten, mal nur flüchtig im Hintergrund, mal im Close-up und mal als Teil des Dramas selbst, wie in der berühmten Szene aus der 1978er Adaption des Spionage-Romans Die 39 Stufen, in der sich Hannay (Robert Powell) an den auf 11.44 Uhr stehenden Minutenzeiger des Big Ben hängt, um ein Bombenattentat zu verhindern.
Nur wenige werden die Zeit und die Konstitution dafür haben, die vollen 24 Stunden anzuschauen, aber auch der kürzere Einblick lohnt unbedingt. Einige einschlägige Szenen erwartet man: Gary Cooper etwa, der in Zwölf Uhr mittags auf die Uhr sieht. Oder Russell Crowe, der im Western-Remake 3:10 to Yuma daran erinnert, dass der Zug nach Yuma um 3.10 Uhr fährt. Andere sind überraschend, weil man noch nie darüber nachgedacht hat, zu welcher Tageszeit sich die jeweilige Szene abspielt. Man kann Alltagssoziologie betreiben anhand der Ausgeh- und Essensrituale, der bangen Nacht- und frohgemuten Vormittagsstunden, die man so abgebildet findet.
Das alles hat eine eigenartige Wirkung: Wo man sonst im Kino die Zeit vergisst, bekommt man sie hier ins Bewusstsein eingebrannt. Daraus entsteht ein „Bizarro“-Sog, der das übliche Filmerlebnis wie von innen nach außen wendet. Rod Taylors Worte aus der 1960er Zeitmaschine, geäußert um 17.37 Uhr, hört man mit einem Mal ganz anders. In den drei räumlichen Dimensionen könnten wir uns frei bewegen, hoch und runter, vor und zurück, erklärt seine Figur den Männern seines Clubs, „but when it comes to time, we are prisoners“.