Aus dieser Nordsee: ENBW-Windstrom zu Gunsten von 1,1 Millionen Haushalte

Klimafreundlicher Strom, mit dem 1,1 Millionen Haushalte versorgt werden können: Damit ist die Dimension des Windparks „He Dreiht“ beschrieben, der jetzt in der Nordsee entsteht. An diesem Samstag sollen für die 64 Windräder die ersten Fundamente gesetzt werden, sogenannte Monopiles mit einem Gewicht von 1350 Tonnen. Die Röhren haben einen Durchmesser von mehr als neun Metern, und der verwendete Stahl ist zehn Zentimeter dick.

He Dreiht, was auf Hochdeutsch „Er dreht“ heißt, soll Ende nächsten Jahres ans Netz gehen. Aktuell ist er das größte Offshore-Windpark-Projekt Deutschlands. Doch um die Energiewende nach den Plänen der Bundesregierung zu verwirklichen, müssten noch viele Windparks ähnlicher Größenordnung realisiert werden – und zwar „alle drei Monate ein He Dreiht“, wie Georg Stamatelopoulos vorrechnet, der Vorstandsvorsitzende des Bauherrn und Betreibers ENBW. Bisher bringen die Windräder in deutschen Gewässern 8 Gigawatt Leistung, schon bis zum Jahr 2030 sollen es 30 Gigawatt sein. He Dreiht hat eine Kapazität von 960 Megawatt. Das entspricht in etwa dem, was ENBW bisher schon an Windkraft auf See installiert hat.

„Die Ziele sind sehr ambitioniert“

Obwohl sich Fachleute längst einig sind, dass die Ausbauziele der Regierung für erneuerbare Energien kaum zu erreichen sein werden, will Stamatelopoulos der Regierung keine Ratschläge zur Kommunikation erteilen. Gleichwohl wird er sehr deutlich: „Die Ziele sind sehr ambitioniert. Das bedeutet nicht, dass sie unmöglich zu erreichen sind. Aber wenn das Priorität hat, dann muss man andere Dinge unterordnen, etwa mit Blick auf die Umweltverträglichkeitsprüfungen“, sagte er während einer digitalen Pressekonferenz anlässlich des Baustarts.

Generell sehe er drei Hürden für die Energiewende, erklärte der ENBW-Chef. Das nötige Kapital müsse gefunden werden, es brauche genügend kluge Köpfe und fleißige Hände, und die Lieferkette müsse funktionieren: „Da sind wir dünn besetzt in Europa.“ Für He Dreiht profitiert der baden-württembergische Energieversorger davon, dass noch vor der großen Ausbauwelle geplant wurde und alle wesentlichen Gewerke längst vergeben sind, bis hin zum Netzanschluss durch Tennet.

„Für die Ausschreibung im Jahr 2017 mussten wir mit Prognosen für Preise und Technologien des Jahres 2025 arbeiten“, erläuterte Peter Heydecker das Vorgehen. Er ist im ENBW-Vorstand für die Infrastruktur der nachhaltigen Stromerzeugung verantwortlich. „Was wir jetzt verbauen, gab es damals noch gar nicht. Das wurde gut antizipiert“, betonte er. So werde He Dreiht jetzt auch der erste kommerzielle Einsatz für die 15-Megawatt-Windkraftanlagen von Vestas sein – Anlagen, die bei einer Nabenhöhe von 142 Metern einen Rotordurchmesser von 236 Metern haben. Die Fläche eines einzelnen Rotorblatts entspricht etwa der Größe von sechs Fußballfeldern. „Wenn sich so ein Rotorblatt ein einziges Mal dreht, dann reicht das, um vier Haushalte einen ganzen Tag mit Strom zu versorgen“, machte Heydecker deutlich.

Investition in Höhe von 2,4 Milliarden Euro

Der Bedarf gemessen an Haushalten wird in der Branche oft verwendet, um auch Laien eine Vorstellung zu geben, um welche Strommengen es sich handelt. De facto wird ein wesentlicher Teil des Stroms von He Dreiht an Großabnehmer gehen, meist Unternehmen, die sich öffentlich zu ehrgeizigen Klimazielen verpflichtet haben und daher Grünstrom brauchen. Langfristige Bezugsverträge hat ENBW schon mit der Deutschen Bahn und Fraport geschlossen, mit der Stahl-Holding Saar sowie mit Salzgitter, mit Bosch, Evonik und der Telekom-Tochter PASM.

„Schon vor dem Baustart haben wir mehr als die Hälfte des Stroms langfristig verkauft, und wir verbuchen weiterhin eine hohe Nachfrage“, berichtete ENBW-Chef Stamatelopoulos mit erkennbarer Genugtuung: „Das zeigt: He Dreiht ist der Beleg für das Funktionieren der Marktmechanismen.“

Vor sieben Jahren hatte ENBW den Zuschlag für den Windpark bekommen, weil der teilstaatliche Energieversorger komplett auf staatliche Förderung verzichtete – während die unterlegenen Wettbewerber mit Einspeisevergütungen bis zu 6 Cent je Kilowattstunde in die Ausschreibung gegangen waren. „Damals gab es sehr viele Stimmen, dass es sich um ein politisches Angebot handelt. Heute sind wir sicher, dass wir das Projekt wirtschaftlich betreiben können“, sagte Stamatelopoulos.

Die finale Investitionsentscheidung hat ENBW im März 2023 getroffen, als sich die Genehmigung des seit 2008 verfolgten Projekts abzeichnete. Die Investitionen von 2,4 Milliarden Euro teilt sich ENBW mit einem Konsortium (Allianz Capital Partners, AIP und Norges Bank Investment Management), das 49,9 Prozent hält und entsprechend auch am Ergebnis beteiligt wird. Für die Finanzierung wurde vor einem Jahr ein Bankenkonsortium aus LBBW , KfW Ipex-Bank und Commerzbank sowie dem dänischen Export- und Investitionsfonds EIFO gewonnen.

He Dreiht entsteht auf einer Fläche von 63 Quadratkilometern in der Deutschen Bucht, außerhalb gesetzlicher Schutzgebiete, wie auf dem Umweltprüfungsportal des Bundes zu lesen ist. Die durchschnittliche Wassertiefe dort beträgt demnach 39 Meter. Die Insel Borkum ist 85 Kilometer entfernt, Helgoland etwa 110 Kilometer.

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