Der Stimmungsumschwung im Pariser Kunsthandel war schon während der beiden Vernissagentage der Art-Basel-Messe zu spüren, als investitionsfreudige Kunstsammler wider Erwarten bei vielen Ausstellern für erfreuliche Umsätze sorgten. Unmittelbar drauf drängte sich das aus aller Welt angereiste Publikum in den Sälen der Auktionshäuser. Sotheby’s, Christie’s, Artcurial und die Versteigerer im Drouot setzten in der herbstlichen Kunstwoche gut 220 Millionen Euro um – etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr.
Die spannendste Auktion eröffnete Christophe Lucien, als er im übervollen Saal des Drouot ein Porträt von Dora Maar aufrief, das Pablo Picasso 1943 gemalt hatte. „Buste de femme au chapeau à fleurs“ war 80 Jahre in derselben Privatsammlung verblieben und bislang nur durch zwei Schwarz-Weiß-Fotografien bekannt gewesen. Der Hammer fiel erst nach 35 Minuten bei 27 Millionen Euro – weit über den Erwartungen von um acht Millionen. Die zuletzt um das Werk wetteifernden Bieter befanden sich alle im Saal, wobei der Zuschlag zugunsten des bestens bekannten Händlers und Sammlers David Nahmad erging. Dessen Familie besitzt eine bedeutende Kunstkollektion mit zahlreichen Werken Picassos.
Zuschlag zum dreifachen Schätzpreis
Sotheby’s erreichte mit 89,7 Millionen Euro das beste Umsatzergebnis, das vom Auktionshaus in Paris je im Oktober für die „Modernités“-Offerte und die Surrealismusauktion verbucht wurde. Amedeo Modiglianis Gemälde „Buste d’Elvire“ verdreifachte die obere Taxe, als es bei 23 Millionen Euro zugeschlagen wurde. Ein weiteres Modigliani-Porträt, „Raymond“ von 1915, erreichte 8,8 Millionen Euro. Es zeigt wahrscheinlich Raymond Radiguet, der 1921 mit siebzehn Jahren den Skandalroman „Le Diable au corps“ schrieb. Der ebenso talentierte wie schöne junge Mann führte in der Pariser Künstlerszene ein ausschweifendes Leben und war unter anderen mit Jean Cocteau liiert. Ein Gemälde von Wols wurde zur unteren Taxe von 1,5 Millionen Euro abgegeben, was der höchste Auktionspreis ist, der in Frankreich je für ein Werk des Künstlers erzielt wurde. Zurück gingen unter anderem ein Triptychon von Joan Mitchell und eine „Mao“-Serigraphie von Andy Warhol.
Das Spitzenlos der Auktion „Surrealism and its Legacy“, René Magrittes Aktbild „La magie noire“ von 1934, entttäuschte nicht, als es auf 8,8 Millionen Euro stieg (Taxe fünf bis sieben Millionen Euro), ebenso ein kleines Himmelsbild des Malers mit Zuschlag bei 750 000 Euro (200.000/300.000).
Auch bei Christie’s, wo in zwei Tages- und zwei Abendauktionen deutlich mehr Lose als bei Sotheby’s angeboten wurden, übertraf der Umsatz von 92,4 Millionen Euro den des Vorjahrs. Yves Kleins vier Meter breites Monochrom „California (IKB 71)“ im patentierten Ultramarinblau war der Star der öffentlichen Ausstellungen, die vor den Auktionen stattfinden: Jeder wollte ein Selfie von sich vor dem Gemälde machen. Aus einer amerikanischen Privatsammlung kommend, zeugt es von der Anziehungskraft, die Paris neuerdings auf internationaler Ebene wieder hat. Der Taxpreis blieb gleichwohl „auf Anfrage“; in der französischen Fachpresse wurde eine Erwartung zwischen 16 und 25 Millionen Euro vermutet. Mit elf Millionen Euro aufgerufen, erging der Zuschlag bei 15,5 Millionen Euro schneller als erhofft.
Unter dem Titel „Moderne(s), une collection particulière européenne“ kamen bei Christie’s außerdem 35 Lose aus einer anonymen Privatsammlung unter den Hammer. Paul Signacs pointillistisches Gemälde „La Passerelle Debilly“ von 1903 enttäuschte, als es bei 3,4 Millionen Euro unterhalb der Taxspanne von vier bis sechs Millionen Euro blieb. Ein Reliefbild von Max Ernst, einst in der Sammlung von Paul Éluard, wurde dagegen mit 2,65 Millionen Euro honoriert, mehr als dem Doppelten der Obertaxe.
Bei Artcurial stammte das Toplos von Alberto Giacometti. Zwei postum in Bronze gegossene Entwürfe für Denkmäler im öffentlichen Raum erzielten im Rahmen der Taxe 1,7 Millionen Euro (1,5/2 Millionen). Das französische Auktionshaus spielte mit 28 Losen knapp zehn Millionen Euro ein, etwas mehr als die obere Schätzung, und schnitt in diesem Jahr ebenfalls besser ab als im vorigen.
Source: faz.net