Um ein Wirbeltier zu töten, verlangt das Tierschutzgesetz einen „vernünftigen Grund“. Dass Tiere zu Nahrung werden können, ist von den meisten Menschen als so ein Grund akzeptiert, auch Tierversuche zu Forschungszwecken sind es. Die Verhinderung von Nutztierrissen kann ebenso ein solcher Grund sein. Von daher scheint es zunächst folgerichtig, dass das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat, den Wolf in das Jagdgesetz aufzunehmen. Denn Wölfe töten in Deutschland jedes Jahr eine beachtliche Zahl von Nutztieren, 4300 waren es 2024.
Mehr als eine pragmatische, tierschutzkonforme Haltung zeigt die Verabschiedung des Gesetzentwurfs aber, dass das Verhältnis zu dem vor 25 Jahren ins Land zurückgekehrten Beutegreifer wie seit jeher vor allem von Emotionen geprägt ist. Wäre es evidenzbasiert, hätte berücksichtigt werden müssen, dass eine Korrelation zwischen der Bejagung von Wölfen und einem Rückgang von Rissen nicht festzustellen ist, wie Studien aus Spanien, Slowenien und den USA zeigen. Dass, wie ebenfalls belegt ist, die Jagd sogar die Verluste bei den Nutztieren erhöhen kann, weil die dezimierten Rudel mehr Nachwuchs bekommen. Und dass nicht die Anzahl von Wölfen in einem Gebiet ausschlaggebend ist für die Zahl der Übergriffe, sondern die Art, wie die Schafe, Rinder und Pferde gehalten werden. Es gibt Untersuchungen etwa aus Niedersachsen, wonach bei 80 Prozent der Risse die Tiere nicht oder nicht ausreichend eingezäunt waren.
Ein – zusätzlich zu der bestehenden Möglichkeit, Wölfe dort zu schießen, wo Risse geschahen – besserer Herdenschutz, der auch engagiert durchgesetzt wird und die Landwirte mit den Folgekosten nicht alleinlässt, sowie endlich eine systematische Erfassung der bestehenden Herdenschutzmethoden und ihrer Effizienz wurden aber nicht lautstark gefordert. Der politische Wille, die anlasslose Jagd auf Wölfe möglich zu machen, hat es auf dem Weg dahin mit Fakten öfter nicht so genau genommen. Die Entscheidung des Ständigen Ausschusses der Berner Konvention, den Schutzstatus des Wolfs zu senken, erging begleitet vom Protest von Wissenschaftlern. Im Juli meldete Deutschland für zwei von drei biogeographischen Regionen einen „günstigen“ Erhaltungszustand des Wolfs nach Brüssel, obwohl das Bundesamt für Naturschutz kurz vorher noch einen „ungünstig-schlechten“ vermerkt hatte.
Die Koexistenz mit einem Top-Prädator ist ein herausforderndes Projekt. Dass es die Akzeptanz der Art erhöht, sich ihr gegenüber wehrhaft zu zeigen, wäre ein Argument für die Jagd. Doch früher oder später wird sich zeigen, dass der gewünschte Effekt ausbleibt. Und der Eindruck kann entstehen, dass gegen den Wolf nicht einmal Gewehre helfen.
Source: faz.net