Auf verschmelzen Espresso: Alles rausreißen!

Das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes ist wie immer ein Leckerbissen: In Hamburg wollten sie an der Einkaufsmeile Mönckebergstraße eine unterirdische Toilettenanlage bauen. Ist leider abgesoffen und muss wieder abgerissen werden. Kostenpunkt: 2,08 Millionen Euro. Ein „Griff ins Klo“ bilanzieren die Autoren des Schwarzbuches, die wir uns als kichernd-schadenfreudige Menschen vorstellen. Für ihre Schenkelklopfer, mit denen sie Deutschlands kostspieligste Behördenkatastrophen umschreiben, haben die Verfasser zwar wieder nicht den Literaturnobelpreis gewonnen, es aber in die Schlagzeilen der Woche geschafft.

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Wir wollen aber nicht nur an der Oberfläche solch profaner Nachrichten kratzen. Wir wollen tiefer bohren. Denn in Wahrheit ging es in dieser Woche um viel größere Themen. Um Vergänglichkeit und Wiedergeburt, um einstürzende Neubauten und bröckelnde (Fußball-)Denkmäler.

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Wer glaubt, dass ihn nach der Schwarzbuch-Lektüre nichts mehr schocken kann, der hat noch nichts vom Frankfurter Europagarten gehört. Das sechs Hektar große Areal ist das Ergebnis eines „europaweit ausgeschriebenen Realisierungswettbewerbs“ von 15 Bewerbern, das „grüne Herz“ des zugegebenermaßen etwas tristen Stadtviertels, in dem diese Zeitung residiert.

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Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich dieses „grüne Herz“ als Steppe. Oder als Sumpf. Je nachdem, wie das Wetter gerade so ist. Wer kann, der meidet den Möchtegernpark im Sommer. Denn die 280 spärlichen Bäume, die die Rasenfläche säumen, spenden kaum Schatten. Grünes Wachstum? Klappt auch im ganz kleinem Maßstab nicht.

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Als wäre diese ästhetische Zumutung nicht genug, hat das Grünflächenamt jetzt angekündigt, die zart sprießenden Bäume zu fällen. Danach soll der „zu verdichtete“ Boden abgetragen und mit einer sonst im Bergbau eingesetzten Maschine aufgelockert werden. Kein Witz! Wir sehen riesige Schaufelbagger vor unserem geistigen Auge wühlen, Kollegen, die sich an Bäume ketten – und Baulärm bis zum Jahr 2029. Erst dann soll der Schildbürgerstreich nämlich sein Ende haben. So trocken wie die Grashalme auf dem Areal kommentiert die Leiterin des Grünflächenamtes: „Das ist nicht schön.“

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Wir fiebern dennoch der Wiedergeburt der „Europagarten 2.0“ getauften Steppe entgegen. Die Wartezeit überbrücken wir mit einer buddhistisch anmutenden Anekdote: Einem 16 Jahre alten Nerd ist es jetzt als erstem Menschen gelungen, alle 255 Level des Computerspiels Tetris durchzuspielen. Was am Ende der letzten Spielstufe passiert, wusste bis dahin niemand. Seit dieser Woche ist klar: Es geht einfach wieder von vorne los.

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Eine Wiedergeburt ganz anderer Art verkündete Mitte der Woche Jürgen Klopp. Als „Global Head of Soccer“ wechselt der 57 Jahre alte Fußballtrainer in das Fußballimperium des Brause-Imperiums Red Bull. Für Fußballromantiker ist das der ultimative Verrat, weil der zuweilen etwas emotional wirkende Klopp für sie die gute alte Fußballwelt verkörperte. Und die mag so gar nicht zu den neureichen Österreichern passen.

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Wir wollen dieses Bild von Jürgen Klopp ja nicht zerstören: Aber der Mann mit den transplantierten Haaren und den vielen Werbedeals war zuvor in Dortmund Führungskraft einer Aktiengesellschaft, bevor er zu einem „Traditionsclub“ auf die Insel wechselte, der einem milli­ardenschweren amerikanischen Sport­vermarkter gehört. Wer das romantisch findet, der hält den Frankfurter Europagarten für eine Wohlfühloase.

Auf einen Espresso

… ist eine Kolumne, in der verantwortliche Redakteurinnen und Redakteure der F.A.Z. jeden Samstag mit einem Augenzwinkern auf die Ereignisse der Woche zurückblicken.

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