
In Botswana checken Urlauber meist in klimatisierten Luxus-Lodges ein. Wer mehr Abenteuer sucht, übernachtet im schlichten Zelt, ohne Dusche und mit Buschklo, von der Wildnis nur durch eine dünne Stoffwand getrennt. Auf Pirsch geht es im Einbaum, im Jeep und zu Fuß.
Ob Löwen, Elefanten und die anderen Tiere nachts im Busch ein kleines Konstrukt aus Stoff und Stangen als Hindernis deuten, das sie zu umgehen haben? Und wenn nicht: Wie trampel- und krallenresistent ist eigentlich so eine Zeltwand? Es gibt Momente während einer Zeltsafari durch Botswana, in denen einen der heulende, brüllende, raschelnde Klang der Wildnis aufwachen lässt und bange Fragen aufwirft. Vor allem, wenn man das Mini-Zelt auch noch selbst aufgebaut hat – hoffentlich richtig, oder kippt es gleich um und man erlebt ungeplante Begegnungen mit der hiesigen Tierwelt?
Zelten im Busch ist an sich schon abenteuerlich. Doch eine günstige Campingreise in Afrika ohne den üblichen Safari-Luxus ist noch einmal ein anderes Kaliber als die gehobene Glamping-Variante, bei der ein Team von Angestellten dem Gast jeden Handschlag abnimmt. Und bei der das ganze Camp bereits fest aufgebaut bereitsteht, nicht selten inklusive edlem Holzbett und eigenem Bad in jedem Zelt. So schön solcher Komfort auch ist: Wenn man auf ihn verzichtet, wird die Erfahrung im Busch unmittelbarer, intensiver.
Zeltnachbar Benjamin – die Abenteuer-Camper stellen sich hier lässig nur mit dem Vornamen vor – sieht am nächsten Morgen allerdings etwas mitgenommen aus, als er von seiner „spannenden Nacht“ im Okavango-Delta erzählt. Im Gegensatz zu anderen Mitreisenden mit tieferem Schlaf wurde er von Flusspferden auf ihrer Fresswanderschaft geweckt. „Sie klangen ganz nah. Ich hörte Holz knarren, wo sie durchgezogen sind.“
Etwas mulmig sei ihm schon zumute gewesen, sagt der Schweizer Ingenieur aus Luzern: „Die hätten ja auch durchs Zelt stapfen können.“ Beim Frühstück am Lagerfeuer – Pulverkaffee, Cornflakes, Bananen und Toast mit Erdnussbutter – wirkt er beeindruckt. „Erst hier im Camp wird mir bewusst, wie gefährlich Afrika tatsächlich sein kann.“ In der Nacht darauf wird er wieder sehr unruhig schlafen. Zwar sind dann keine Flusspferde zu hören, dafür zerreißt fernes Löwengebrüll die Stille.
Unterschiede zum Urlaub in der Luxus-Lodge
Angesprochen durch diese naturnahe Safari-Form, in der man nicht in gut gesicherten Luxus-Lodges wohnt, fühlen sich vor allem Urlauber mit Lust auf Gänsehaut und Abenteuer. Klar ist: Ein Risiko bleibt. Kein Veranstalter kann zu 100 Prozent garantieren, dass keine Gäste durch Wildtierkontakt verletzt werden. Doch sie sorgen vor: Mal ist das Camp umzäunt, mal in einem dichten Waldstück angelegt.
Ist schon mal etwas passiert? Fahrer Irvine und Guide Ken, die bei dieser Tour auch die Zubereitung des Essens vornehmen, schütteln den Kopf. Davon sei ihnen nichts bekannt, versichern sie. Falls doch, steht zu vermuten, behalten sie ihr Wissen lieber für sich. Eine Zeltreise erdet, ganz wörtlich genommen: Man schläft auf einer Matte im Schlafsack. Hier ersetzt der Zeltreißverschluss den Zimmerschlüssel, die Brise durch die Insektengitter die Klimaanlage, der knirschende Sand auf dem Zeltboden den kühlen Kachelbelag im Bad.
Eine solche Abenteuerreise kostet nur etwa ein Drittel im Vergleich zur Luxusvariante. Dafür entfällt ein Teil des Zeitbudgets auf ungewohnte Arbeiten. Beim ersten Zeltaufbau am Rand des Nashornschutzgebiets Khama Rhino Sanctuary nimmt man den Kampf gegen Stangenmikados und Heringe auf und spürt schmerzhaft, wie sich ein verbogener Metallhaken ins Fleisch bohrt.
Später, am Abend, hat Irvine zwar für alle gekocht, aber Abwasch ist seine Aufgabe nicht. Also müssen die Gäste selbst ran. Katrine, Kinderbuchautorin aus Kopenhagen, stimmt dazu ein munteres „Spüllied“ an, das sie aus ihrer Heimat aus einer Fernsehshow kennt. Man fühlt sich wieder wie ein Knirps, als Zelten am See schon aufregend war – nur, dass man hier mitten in der afrikanischen Wildnis ist.
Die letzten Nashörner vor dem Aussterben bewahrt
Die minimalistische Reiseart hat indes keinen Einfluss auf die Beobachtungstouren, wenn man davon absieht, dass die Gruppen bei günstigeren Touren generell größer sind. In Schutzgebieten wie dem Khama Rhino Sanctuary geht es am Nachmittag auf Safari im Allradfahrzeug, ganz so wie für andere Reisende aus den teuren Unterkünften auch. Ranger Lebopo, der aus dem nahen Serowe stammt, steuert den offenen Jeep und kennt die neueste Nashornzählung: 56 Breit- und sechs Spitzmaulnashörner leben im Park, alle mit Mikrochips markiert. Manche kennt Lebopo mit Namen.
Kurios ist, dass der Mittvierziger genau hier, wo der Park ab Beginn der 90er-Jahre Botswanas letzte Rhinozerosse vor dem Aussterben bewahrte, als Junge noch selbst auf die Jagd von Kleingetier gegangen war, mit seinem Vater. Der habe zur Versorgung der Familie sogar Strauße und Antilopen erlegt, „ohne Gewehr, immer mit Speeren, denn Gewehre machen Lärm“.
Erst in der Schule sei ihm bewusst gemacht worden: „Wir dürfen Tiere nicht jagen, wir müssen sie schützen“, sagt Lebopo. Von dieser Sicht auf die Dinge profitiert er bis heute selbst. Die Natur gibt ihm eine Arbeitsplatzgarantie – und seinen Gästen verhilft er zu reichlich Fotobeute. Oryxantilopen und Leoparden. Nashörner, die frisch aus dem Schlammbad kommen. Strauße, die im Abendlicht durch das Kalahari-Bushveld prozessieren.
Der Zeltabbau vor dem Frühstück ist wiederum nicht im Preis inbegriffen, er ersetzt die Morgengymnastik. Zum Glück geht es schnell, jeder hilft jedem. Die anschließende Busfahrt führt durch Flachlandweiten nach Maun, ein glanzloses Städtchen, Sprungbrett ins weltberühmte Okavango-Delta. Der Zeltplatz in der Stadt gehört zu einem Hotel. Hier können die Campinggäste ein wenig Luxus schnuppern und im Sanitärhaus duschen.
Das Einbaum gleitet schwankend durch das Wasser
Während der nächsten drei Tage im Delta sind Shampoo und Seife zum Schutz der sensiblen Natur verboten. Es wird ohnehin keine Dusche geben. Und keinen Strom, kein WLAN. Es geht tief hinein in die labyrinthische Wasserwildnis, die Gruppe ist unterwegs mit Mokoros, Einbäumen, angetrieben von Muskelkraft. Es schwankt erheblich, man sitzt nur eine Handbreit von der Wasserkante entfernt.
Danny, der Schiffer und Naturführer, steht aufrecht hinten mit seiner meterlangen Stakstange. Ein archaisches Stand-up-Paddling durch Kanäle, Weiher und Meere aus Wasserlilien. Hat er schon Gäste ins Wasser fallen sehen? „Na klar“, sagt er und lacht. Katrine klammert sich derart krampfhaft an den Einbaum, dass sie später Muskelkater bekommt.
Ziel ist eine namenlose Insel, wo – umgeben von Elefantendung und ohne Zaun – das Basislager unter Bäumen vorgesehen ist. 18 Leute teilen sich fortan das Buschklo, das dezent hinter Sträuchern steht. Immerhin gibt es über dem Donnerbalken-Loch eine saubere Klobrille mit Deckel; das strahlende Weiß wirkt inmitten des Grüns bizarr und elegant zugleich, ein Outdoor-Thron in der Wildnis. Am Zugang zum Örtchen steht eine Schaufel bereit, um die Geschäftsergebnisse mit Erde zu bedecken. „Wenn der Spaten weg ist, ist besetzt“, erklärt Danny.
Jede Pirsch hier erfolgt unmotorisiert, denn die Ausflüge finden ausnahmslos in Mokoros statt. Klare Ansage für den ersten „Bush Walk“, der Safari zu Fuß: keine Kleidung mit grellen Farben tragen, das erschreckt die Tiere. Diese Form von Safari ist so gefühlsintensiv wie kaum eine andere, Glück, Angst und Faszination mischen sich in einer Tour. In der Ferne beobachtet man Flusspferde, die sich im Dauerfressmodus durchs Gras schieben, vernimmt die Grunzlaute ihrer Artgenossen aus dem Wasser, fotografiert die Silhouetten von Giraffen zum Sonnenuntergang.
Danny erklärt Termitenhügel, Nutz- und Heilpflanzen und benennt die Vorzüge von frischen Elefantenexkrementen: „Diese sollten Schwangere mit Wasser vermischen und jeden Morgen einen Schluck einnehmen. Das ist gut, um den Körper zu reinigen und Krankheiten vorzubeugen.“ Die amüsierten bis entsetzten Blicke unter den Mitreisenden lassen darauf schließen, dass nicht alle den Rat in die Tat umsetzen werden.
Später sitzen alle am Lagerfeuer und erzählen sich gegenseitig ihre Gänsehautmomente. Glühwürmchen schwirren umher, nur ganz wenige Moskitos. Das Sternenzelt öffnet sich, frei von Lichtverschmutzung. Ein Froschkonzert wiegt in den Schlaf.
Kurze Anspannung im Okavango-Delta
Bei der Frühpirsch am nächsten Morgen steht plötzlich ein kräftiger, gut getarnter Kaffernbüffel da, keine 40 Meter entfernt, von der Gruppe getrennt durch etwas Buschwerk. Es ist eines der gefährlichsten Säugetiere hier im Busch. Geistesgegenwärtig drängt Guide Danny seine Schutzbefohlenen hinter einen übermannshohen Dornenbaum.
Büffel sind aggressiv, sie greifen ohne Vorwarnung an. Die Schnaufer des Einzelgängers lassen darauf schließen, dass er die Eindringlinge längst gewittert hat. Danny wartet ab, deutet nach hinten: zügig weg, aber nicht in Panik. Die Lage entspannt sich.
Kilometerlang streift man weiter durch die Savanne, hört die eigenen Schritte im Gras, den Hufschlag von Zebras, die Rufe von Fischadlern. Die Sonne knallt, Schatten gibt es kaum. Impalas tauchen auf, Paviane, Gnus, ein Nachtreiher, ein Hammerkopf, ein Rötelpelikan. Dichter kann man der Natur im größten und tierreichsten Binnendelta der Welt kaum kommen.
Zu Mittag im Camp gibt es meist Eintopf. Gelöffelt wird aus dem Blechnapf, durchgängig auf dieser Reise. Das Buschklo steht mittlerweile über der zweiten Grube. Die anschließende Siesta ist ideal für eine Erfrischung im nahen Kanal. „Da könnt ihr gefahrlos baden“, versichert Danny, „für Krokodile ist das zu flach.“
Bilanz bei der Rückkehr nach Maun: alles überlebt – und um unvergessliche Erlebnisse reicher geworden. Zwei Drittel der Gruppe erliegen der Versuchung einer Quartiernahme im Hotel neben dem Zeltplatz. Katrine bleibt standhaft, „die Campingerfahrung war sehr befreiend“, schwärmt sie. Benjamin hingegen braucht ein richtiges Bett: „Ich will endlich mal wieder durchschlafen.“
Tipps und Informationen für Botswana:
Anreise: Etwa mit Lufthansa oder Ethiopian Airlines via Addis Abeba nach Johannesburg (Südafrika), wo einige organisierte Botswana-Touren starten, oder weiter nach Maun in Botswana, dem Tor zum Okavango-Delta.
Camping-Touranbieter: Intrepid Travel hat eine Botswana-Zeltreise „Okavango Experience“ im Programm, Gruppengröße bis 22 Personen, Start ist Johannesburg (Hotelnacht), Endpunkt Victoria Falls in Simbabwe, Sprache unterwegs ist Englisch, zehn Tage mit Vollpension und Touren ab 1407 Euro ohne Flüge (intrepidtravel.de).
Elefant-Tours bietet eine Campingreise „Botswana – The Bush Experience“ an, Gruppengröße bis zwölf Personen, Start ist in Maun, Endpunkt Victoria Falls, acht Tage mit Verpflegung und Touren kosten ab 1490 Euro ohne Flüge (elefant-tours.de).
Weitere Auskünfte: botswanatourism.co.bw
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Intrepid Travel. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
Source: welt.de