Audi schraubt in China die vier Ringe ab

Auf der Flussseite gegenüber ist die Mercedes-Benz-Arena ganz in rot gehalten und kilometerweit sichtbar. Es hat etwas von einem Gruß der Kollegen aus Stuttgart an die Autoproduzenten aus Ingolstadt. Denn diesseits des Flusses, auf einem alten Werftgelände mitten in Shanghai, hat Audi an diesem Donnerstagabend zu einer der größten Feiern seit Jahren in China geladen. Alles ist bläulich-lila gehalten. Fast meint man, Chinas alte Auto-Welt, die von deutschen Herstellern beherrscht wurde, sei noch intakt.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Denn die Verkaufszahlen aller Hersteller aus der Bundesrepublik kollabieren. Deutsche Autos sind zu teuer und zu altbacken. Und die Veranstaltung von Audi ist auch kein Zeichen der Stärke. Stattdessen signalisiert die Marke mit den vier Ringen, dass sie sich in China nicht kampflos geschlagen gibt.

Dafür wählt sie einen radikalen Schritt: Sie entfernt eben diese legendären vier Ringe, die seit den 1930er Jahren die Kühlergrills der Fahrzeuge dieser Traditionsmarke zieren. Vorstandschef Gernot Döllner präsentierte in Shanghai eine neue Elektromarke, die auf China zugeschnitten sein soll: AUDI. Die Schwestermarke wird in Großbuchstaben geschrieben und kommt ganz ohne Ringe aus. Audi kooperiert dafür mit dem Shanghaier Staatskonzern Shanghai Automotive Industry Corporation ( SAIC ), einem jahrzehntelangen Partner von Volkswagen. Dazu stellte das Unternehmen in Shanghai ein erstes Konzeptauto vor, das viel digitaler und moderner daherkommt, als die etwas angestaubten Audi-Modelle, die in China immer weniger Käufer finden.

Exponate aus Fernost in Ingolstadt

China-Wochen gibt es für Audi indes auch in der alten Heimat. Im mehr als zehn Flugstunden entfernten Ingolstadt wurden die Audianer am bayerischen Stammsitz mit dem chinesischen Wettbewerb vertraut gemacht. Im Technischen Entwicklungszentrum konnten die heimischen Ingenieure im Foyer einige Exponate aus Fernost bestaunen, die es hierzulande gar nicht zu kaufen gibt. Es sind Elektroautos von jungen, aufstrebenden Marken mit teilweise überlegener Technik an Bord. Das seien genau die Wettbewerber, mit denen es Audi nun aufnehmen müsse, sagt ein Unternehmenssprecher. Und das müsse schnell gehen.

Audi-Chef Döllner schwärmt im Gespräch mit Journalisten vom „China-Speed“ in Ingolstadt: So schnell wie mit dem chinesischen Kooperationspartner SAIC sei noch kein Audi entwickelt worden. Nur drei Jahre habe das gedauert, da Audi die komplette Fahrzeugarchitektur von SAICs Premium-Marke IM Motors habe nutzen können. Für deutsche Hersteller gilt das als schnell, in China reichen den Unternehmen häufig zwei Jahre.

Es sei eine „fruchtbare Zusammenarbeit“ der Entwicklungsteams in Ingolstadt und Shanghai gewesen, sagt Döllner, alle Entscheidungen seien mit SAIC gemeinsam getroffen worden – so wie es Audi mit der Schwestergesellschaft Porsche auf der sogenannten Premium Platform Electric (PPE), dem Baukastensystem für die großen, vollelektrischen Fahrzeuge, praktiziert. Döllner spricht deshalb auch von einer „Schwestermarke“, die sich an eine besonders technikaffine Klientel richten solle, die bislang nicht mit Audi in Berührung gekommen sei.

Audi fährt in China zweigleisig

Eine „Einstiegsmarke“ sei der Audi ohne vier Ringe jedenfalls nicht: „Audi ist in China seit 36 Jahren bekannt, nun wollen wir aber mit unseren ´New Energy Cars´ eine andere, jüngere Zielgruppe ansprechen.“ Damit übernimmt Döllner schon die Begrifflichkeiten aus der Volksrepublik. Als „New Energy Vehicles“ werden dort Elektroautos, Hybride und Autos mit Brennstoffzelle bezeichnet.

Künftig fährt Audi in dem Riesenreich damit zweigleisig: Die chinesischen Audi-Modelle mit dem Vier-Ringe-Zeichen kommen allein vom Produktionspartner First Automotive Works (FAW), jenem Staatsunternehmen aus Changchun im Norden Chinas, an dem die VW-Tochtergesellschaft seit dem Jahr 1991 beteiligt ist und das noch immer der Zentralregierung in Peking untersteht. Mit SAIC wird es nun die elektrischen Audi-Fahrzeuge ohne die vier Ringe geben. Konkret sind drei smarte Elektroautos geplant, die einen beleuchteten Audi-Schriftzug an Front und Heck und sogar auf den Sitzen tragen. Und auch ohne die Ringe zeichneten sich diese Modelle durch die „besondere Audi-DNA“ aus, behauptet Döllner.

Audi hat wie der Mutterkonzern Volkswagen erheblichen Nachholbedarf im Geschäft mit Elektroautos. Die Tochtergesellschaft ist für die nächste Modellgeneration auf seine chinesischen Partner angewiesen. Näher am Kunden müssen die Autos sein, und natürlich müssen auch die Kosten deutlich unter den bisherigen liegen.

Während Audi im fernen China feiert, sinkt die Stimmung am Stammsitz in Ingolstadt. Dort plant der Vorstand nach Informationen des „Manager-Magazin“ ein neues Sparprogramm, dem mehrere tausend Stellen zum Opfer fallen könnten. Allein in der Entwicklung seien 2000 der 10.000 Arbeitsplätze bedroht, hinzu kämen Bereiche außerhalb der Produktion. Die Gespräche mit dem Betriebsrat hätten gerade begonnen.

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