Sieben Jahre nach dem per Volksabstimmung beschlossenen Verbot neuer Atomkraftwerke hat die Schweizer Regierung eine Kehrtwende auf den Weg gebracht. Energieminister Albert Rösti kündigte am Mittwoch an, einen Entwurf für eine Reform des Atomkraft-Gesetzes auf den Weg zu bringen, durch die der Bau neuer Atomkraftwerke wieder grundsätzlich ermöglicht würde. Über die geplante Reform soll zunächst im nächsten Jahr das Parlament und schließlich das Volk abstimmen.
„Das bestehende Neubauverbot für Kernkraftwerke ist mit dem Ziel der Technologieoffenheit nicht vereinbar und birgt darüber hinaus auch Risiken für den Rückbau bestehender Anlagen“, erklärte die Regierung zur Begründung ihres Kurswechsels. Insbesondere sei unklar, ob der Ausbau erneuerbarer Energien rasch genug erfolgen werde, um die Strommenge zu ersetzen, die durch eine Abschaltung der derzeit vier aktiven Atomkraftwerke wegfallen würde – und um den steigenden Strombedarf zu decken.
Endlager an deutscher Grenze
Im Mai 2017 hatten sich bei einer Volksabstimmung 58,2 Prozent der Teilnehmer für eine schrittweise Abkehr von der Atomkraft und für einen Umstieg auf erneuerbare Energien ausgesprochen. Dem damals verabschiedeten Gesetz zufolge können die vier aktiven Atomkraftwerke weiterbetrieben werden, solange sie sicher sind. Derzeit stammt rund ein Drittel der Schweizer Stromproduktion aus Atomkraft.
Ob neue Atomkraftwerke in der Schweiz überhaupt gebaut werden, ist Energieminister Rösti zufolge ungeachtet des Regierungsvorhabens völlig offen. „Wir müssen jetzt handeln, um später bereit zu sein“, erklärte er allerdings. Grüne und Grünliberale in der Schweiz reagierten mit scharfer Kritik auf die Ankündigung der Regierung.
Gelagert werden soll der Schweizer Atommüll in einem geologischen Tiefenlager nahe der deutschen Grenze, wie die „Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle“, kurz Nagra, im September 2022 entschieden hat. Das Endlager befindet sich im Gebiet „Nördlich Lägern“ in den Kantonen Zürich und Aargau, teilweise in Sichtweite der baden-württembergischen Gemeinde Hohentengen. Die endgültige Entscheidung über den Standort das Atommüllendlagers soll allerdings erst Ende dieses Jahrzehnts mit einer Volksabstimmung getroffen werden.