Asylpolitik: EU-Staaten schließen Vereinbarung darüber hinaus Abschiebung von Migranten

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich am späten Donnerstagabend auf eine Vereinbarung zur Rückführung illegal eingereister Migranten geeinigt. „Der Europäische Rat ruft zu entschlossenem Handeln auf allen Ebenen auf, um die Rückkehr aus der Europäischen Union zu erleichtern, zu verstärken und zu beschleunigen, wobei alle einschlägigen Instrumente und Werkzeuge der EU-Politik, einschließlich Diplomatie, Entwicklung, Handel und Visa, eingesetzt werden sollen“, teilten die Staats- und Regierungschefs in den schriftlichen Schlussfolgerungen ihres Treffens mit. 

Die Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen solle schnellstmöglich eine Überarbeitung der aktuellen Gesetze vorlegen, beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs bei einem EU-Gipfel in Brüssel.

Rückendeckung bekam zudem Polen. Regierungschef Donald Tusk hatte angekündigt, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migranten vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen.

In der Gipfelerklärung heißt es zudem: „Außergewöhnliche Situationen erfordern angemessene Maßnahmen.“ Man bekunde Solidarität mit Polen und den Mitgliedstaaten, die sich diesen Herausforderungen stellen würden. Von der Leyen merkte an, dass solche Maßnahmen in den Rechtsrahmen passen würden, wenn sie „vorübergehender Natur“ und verhältnismäßig seien.

Scholz: „Konstruktive Debatte“

Auf die Frage, ob Pushbacks erlaubt seien, wenn Migranten als Waffe eingesetzt würden, antwortete Bundeskanzler Olaf Scholz, alles müsse „im Rahmen des internationalen Rechts geschehen“. Scholz führte weiter aus, dass zugleich nicht darüber hinweggesehen werden könne, dass an den Grenzen zu Russland und Belarus „schlimme Dinge passieren“. Deshalb brauche es „außerordentliche Anstrengungen“, „um sicherzustellen, dass dort nicht Migration missbraucht wird“.

Scholz sprach insgesamt von einer konstruktiven Migrationsdebatte. „Ich habe an mehreren solchen Debatten auch in Europa teilgenommen“, sagte er. Diese seien oft aufgeregt und lang gewesen. „Das war diesmal ganz anders. Ich habe eine doch sehr konstruktive Atmosphäre wahrgenommen.“

Kontroverse über Abschiebezentren in Drittstaaten

Die EU-Staats- und Regierungschefs diskutierten auch über die Einrichtung von „Rückführungszentren“ in Ländern außerhalb der EU. Dort sollen Migranten, deren Asylanträge in der EU abgelehnt wurden, auf ihre Abschiebung in ihr Heimatland warten können, vorausgesetzt, es ist sicher, sie dorthin zurückzuführen. Von der Leyen sagte, die Diskussion über die Organisation solcher Zentren sei noch im Gange, um festzulegen, welches Drittland als sicher angesehen werden könne, wie lange ein Migrant in einem Zentrum festgehalten werden könne und was zu tun sei, wenn eine Rückkehr in das Heimatland nicht möglich sei. 

Italien ist der erste EU-Staat, der Geflüchtete in Lagern außerhalb der
EU unterbringt. Dort sollen ihre Anträge von italienischen Beamten im
Schnellverfahren geprüft werden: Wer Anspruch auf Asyl hat, darf weiter
nach Italien; wer abgelehnt wird, muss zurück.

Scholz äußerte sich zu dem Vorstoß skeptisch. Zur Begründung sagte er, dass man logistisch nur eine kleine Zahl von Asylverfahren auslagern könnte. Im vergangenen Jahr seien mehr als 300.000 Migranten irregulär nach Deutschland gekommen. Da seien „mal da 1.000, mal da 2.000“ zu wenig, wenn man diese Zahl deutlich reduzieren wolle.

Kritik an deutschen Grenzkontrollen

Befeuert wird die Diskussion von nationalen Alleingängen in den vergangenen Wochen und Monaten. So äußerten zuletzt mehrere EU-Partner Unverständnis für die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem Terroranschlag auf einem Stadtfest in Solingen an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen anzuordnen.

Die Niederlande und Ungarn würden unterdessen am liebsten aus den gemeinsamen Asyl-Regeln komplett aussteigen. Die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Ylva Johansson, verwies darauf, dass dies jedoch nicht ohne eine Änderung der grundlegenden europäischen Verträge möglich sei.

Übergangsfrist bis Juni 2026

Hintergrund der aktuellen Debatte ist, dass die im Frühjahr beschlossene EU-Asylreform von etlichen Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen wird. Viele bezweifeln, dass sie die aktuellen Probleme lösen kann. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis kritisierte beim EU-Gipfel, dass die Reform nicht auf das Thema Rückführungen eingehe: „Wir können nicht akzeptieren, dass wir uns nicht wirksam um diejenigen kümmern, die keinen Anspruch auf einen Schutzstatus in der Europäischen Union haben.“

Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Asylreform sich wegen der Übergangsfrist noch bis Juni 2026 hinziehen könnte. Bundeskanzler Scholz forderte in Brüssel eine beschleunigte Umsetzung. Es sei ihm wichtig, dass die Vereinbarung der 27 EU-Staaten „nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert“, sagte er. „Wir werden in Deutschland die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Deutschen Bundestag zuleiten, aber es wäre gut, wenn überall in Europa das früher eingeführt werden kann.“

Haftähnliche Bedingungen

Mit der umstrittenen Reform werden Mitgliedstaaten etwa zu einheitlichen Verfahren an den Außengrenzen verpflichtet, damit rasch festgestellt werden kann, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten dann schneller und direkt von der Außengrenze abgeschoben werden können. Ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern sollen dabei nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich am späten Donnerstagabend auf eine Vereinbarung zur Rückführung illegal eingereister Migranten geeinigt. „Der Europäische Rat ruft zu entschlossenem Handeln auf allen Ebenen auf, um die Rückkehr aus der Europäischen Union zu erleichtern, zu verstärken und zu beschleunigen, wobei alle einschlägigen Instrumente und Werkzeuge der EU-Politik, einschließlich Diplomatie, Entwicklung, Handel und Visa, eingesetzt werden sollen“, teilten die Staats- und Regierungschefs in den schriftlichen Schlussfolgerungen ihres Treffens mit. 

AbschiebungAsylAsylverfahrenAuslandBelarusBrüsselBundeskanzlerBundesregierungBundestagDeutschlandDiplomatieDonaldEUEU-PolitikEuropaEuropäischen UnionGeflüchteteGesetzeGrenzenGrenzkontrollenGriechenlandHandelHintergrundInnenpolitikItalienKritikLangLangeLeyenMANMigrantenMigrationNaturNiederlandeOlafOlaf ScholzPolenPolitikRechtRückführungRusslandScholzSolingenStarkTuskUngarnUnionUrsulaUrsula von derVisa