Dieser Kommentar handelt von Ihrem Heizungskeller, einem mutigen Professor und der Freiheit. Denn die haben mehr miteinander zu tun, als man im ersten Augenblick vermuten könnte. Wie schön es doch wäre, Öl und Gas wie die Saudis zu besitzen. Man hätte Geld ohne Ende. Und die Wohnungen würden warm, ohne dass teure Energie aus aller Welt importiert werden müssten.
Doch die Wirklichkeit ist eine andere. Die bitteren Folgen wurden zuletzt klar, als Putin mal eben die Pipeline nach Deutschland leer laufen ließ. Deutschland brauchte Gas aus aller Welt. Es war teurer und kam oft auch aus Ländern, die nicht gerade von lupenreinen Demokraten regiert werden – aus Saudi-Arabien, Katar und Aserbaidschan. Unser Wohlstand war und ist abhängig von Geschäften mit den Diktaturen der Welt: Dieser Skandal ist nicht neu, aber im wieder aufs Neue bitter. Und deswegen ist der Wunsch, doch wenigstens für eine Weile selbst fossile Energien zu haben, zwar naheliegend – aber trügerisch.
Immer wieder hat sich gezeigt, dass in Ländern mit viel Gas- und Ölvorkommen der sogenannte Rohstofffluch zuschlägt. Fast überall dort, wo der Staat durch die Ausbeutung einer Ressource sehr, sehr viel Geld verdienen kann, reißen die Eliten es an sich. Mit den immer gleichen Folgen. Viele Menschen haben das Nachsehen, die Korruption blüht und andere Industrien können sich nicht entwickeln. Was alles wiederum dafür sorgt, dass sich das autoritäre Regime weiter an der Macht halten kann.
„Hohe Abhängigkeit von Rohstoffen hat einen schädlichen Einfluss auf die Demokratie“, schreibt der aserbaidschanische Ökonom Gubad Ibadoghlu. Er hat das Phänomen in unterschiedlichen Ländern untersucht, in Venezuela, in Nigeria – und auch in seinem eigenen Land, in Aserbaidschan.
Der Professor hat dafür international Anerkennung bekommen, und Gastprofessuren unter anderem an der London School of Economics. Es hat ihn aber auch die Freiheit gekostet. Während eines Familienbesuches im Juli 2023 wurde Ibadoghlu verhaftet. Erst saß er im Gefängnis, jetzt steht er unter Hausarrest. Und obwohl er krank ist, in Deutschland behandelt werden und dann eine Gastprofessur antreten könnte, darf er nicht ausreisen. Mutig bleibt er trotzdem. Erst im Sommer dieses Jahres hat er in einem Aufsatz sehr kenntnisreich über die aserbaidschanische Gasindustrie geschrieben und bezweifelt, dass die Regierung künftig so viel zusätzliches Gas wird exportieren können, wie sie gerne würde. Einfach, weil die Infrastruktur zu alt ist. Es müsste erst kräftig in die Pipelines investiert werden.
Ein „vertrauenswürdiger Partner“?
Womit die EU-Kommission und Deutschland ins Spiel kommen. Vor zwei Jahren nannte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Präsidenten des Landes, Ilham Alijew, einen „vertrauenswürdigen Partner“, was fast einem Ritterschlag gleichkommt. Und vor einem Jahr erst sprach Bundeskanzler Olaf Scholz von Aserbaidschan als einem „Partner von wachsender Bedeutung“. Nun kann man davon ausgehen, dass die beiden das nicht unbedingt gerne getan haben. Der Grund für die Lobhudelei ist jedenfalls sehr offensichtlich: Europa will gerne mehr Gas aus dem Land importieren. Die Absichtserklärung dafür ist bereits unterzeichnet. Und Aserbaidschan wiederum will bis 2027 die Fördermenge verdoppeln.
Was uns noch mal zu Ibadoghlu führt. Denn der Ökonom bezweifelt, dass sein Land liefern kann. Der europäische Bedarf könnte möglicherweise auch durch Gas gedeckt werden, das Aserbaidschan aus Russland importieren und dann in die EU weiterleiten könnte. Und das wiederum ist eine Erkenntnis, die einer kleinen politischen Bombe gleicht. Denn sie bedeutet nicht nur, dass wir durch unseren Energiehunger weiter für gute Geschäfte des Alijew-Clans sorgen. Sondern auch, dass wir indirekt wieder am russischen Tropf hängen würden. Die Nachricht, dass der aserbaidschanische Energiekonzern Socar bereits 2022 einen Vertrag mit Gazprom geschlossen hat, entkräftete den Verdacht eher nicht.
Kein Wunder, dass der Professor nervt – jedenfalls die Machthaber. Dabei sollten wir ihm alle dankbar sein und uns für ihn einsetzen. Amnesty International hat das bereits getan, Ibadoghlu war für den Sacharow-Preis nominiert, den das Europäische Parlament jedes Jahr verleiht. Und auch einzelne Abgeordnete setzen sich immer wieder für ihn ein. Während der Klimakonferenz haben ihn auch deutsche Abgeordnete besucht. Bisher ohne große Wirkung.
Was eben auch an der ökonomischen Abhängigkeit liegt. Denn mit mehr Druck werden Europäer wohl erst für ihn eintreten können, wenn wir weniger dringend fossile Energien brauchen. Der grüne EU-Abgeordnete Michael Bloss, der den Professor in Baku besucht hat, fordert daher zu Recht: „Anstatt dass sich die EU-Kommissionspräsidentin für mehr Gaslieferungen einsetzt, muss sie sich für die Freilassung von Ibadoghlus einsetzen.“
Es gäbe dafür eine wirkungsvolle Strategie: Statt weiter auf Gas als „Übergangsenergie“ zu setzen, müssten wir schlicht die Energiewende vorantreiben. So schnell wie es nur geht. Selten war der Satz von den Erneuerbaren als Freiheitsenergien richtiger als heute. Auch wenn er von Christian Lindner stammt.
Dieser Kommentar handelt von Ihrem Heizungskeller, einem mutigen Professor und der Freiheit. Denn die haben mehr miteinander zu tun, als man im ersten Augenblick vermuten könnte. Wie schön es doch wäre, Öl und Gas wie die Saudis zu besitzen. Man hätte Geld ohne Ende. Und die Wohnungen würden warm, ohne dass teure Energie aus aller Welt importiert werden müssten.
Doch die Wirklichkeit ist eine andere. Die bitteren Folgen wurden zuletzt klar, als Putin mal eben die Pipeline nach Deutschland leer laufen ließ. Deutschland brauchte Gas aus aller Welt. Es war teurer und kam oft auch aus Ländern, die nicht gerade von lupenreinen Demokraten regiert werden – aus Saudi-Arabien, Katar und Aserbaidschan. Unser Wohlstand war und ist abhängig von Geschäften mit den Diktaturen der Welt: Dieser Skandal ist nicht neu, aber im wieder aufs Neue bitter. Und deswegen ist der Wunsch, doch wenigstens für eine Weile selbst fossile Energien zu haben, zwar naheliegend – aber trügerisch.