Die Festnahme des früheren Karlsruher CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer am Montag gehört zum Nachspiel der Affäre um den Versuch des autoritären Regimes in Aserbaidschan, Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen. Die breite Öffentlichkeit ist im Frühjahr 2021 darauf aufmerksam geworden. Damals kam ans Licht, dass sich einige Unionspolitiker in der Anfangsphase der Corona-Pandemie dank ihrer politischen Kontakte bei der Beschaffung von Schutzmasken bereichert hatten. Mehrere der Beteiligten pflegten zugleich auffällige Beziehungen nach Aserbaidschan – in ein Land, das sonst nicht im Zentrum ihres politischen Interesses stand.
So kam die Aserbaidschan-Connection in die Schlagzeilen. Dazu gehörten auch Politiker wie Fischer, die nicht mit Masken gehandelt hatten, aber schon lange mit dem Regime in Baku verbandelt waren. Sie stellten im Bundestag Anfragen, die im Sinne Aserbaidschans waren, reisten regelmäßig dorthin und äußerten sich lobend über die angeblich demokratische Entwicklung des Landes, in dem in Wirklichkeit jede Opposition brutal unterdrückt wird.
Es war Zufall, dass die Staatsanwaltschaft in München genau zu dieser Zeit die Ermittlungen wegen Bestechlichkeit gegen Fischer aufnahm, die schließlich zur Anklage führten; ihm wird vorgeworfen, von Vertretern des aserbaidschanischen Regimes über die Jahre mehrere Zehntausend Euro in bar angenommen zu haben.
Fischer war schon lange zuvor wegen seines Einsatzes für die Belange Aserbaidschans aufgefallen. Anfang 2020 waren gleichfalls wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit Ermittlungen gegen die mecklenburg-vorpommerische CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz eingeleitet worden, die im März 2021 im Alter von 53 Jahren überraschend starb. In der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg hatten Strenz und Fischer oft im Sinne Aserbaidschans an einem Strang gezogen.
Beide haben daran mitgewirkt, dass die Versammlung im Jahr 2013 einen Bericht über politische Gefangene in Aserbaidschan ablehnte. Für das Regime in Baku war das ein Propagandaerfolg: Es wies anschließend Vorwürfe von Menschenrechtlern wegen seines Vorgehens gegen Kritiker mit dem Argument zurück, der Europarat habe festgestellt, dass es in Aserbaidschan keine politischen Gefangenen gebe.
Die „Kaviar-Diplomatie“ im Europarat
Im Europarat agierten Fischer und Strenz in einer länder- und fraktionenübergreifenden Seilschaft, die sich darum bemühte, Schlüsselpositionen in der Straßburger Versammlung mit Freunden Aserbaidschans zu besetzen. Schon 2012 hatte ein mit „Kaviar-Diplomatie“ betitelter Bericht des Thinktanks European Stability Initiative viele Indizien dafür beschrieben, wie Aserbaidschan dieses Netz von Parteigängern mit kostbaren Geschenken, Einladungen, Urlaubsreisen und anderen Vergünstigungen geschaffen hatte.
Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses – schon nach Veröffentlichung dieses Berichts – stellte diese Gruppierung den Vorsitzenden der Versammlung, eine Mehrheit im Präsidium und mehrere Fraktionsvorsitzende. Abgeordnete wie der Verfasser des abgelehnten Berichts über die politischen Gefangenen in Aserbaidschan, der SPD-Politiker Christoph Strässer, wurden gleichzeitig von Baku aus mit Einschüchterungs- und Diffamierungskampagnen überzogen, die bis in das private Umfeld reichten.
Gut vernetzte Fürsprecher Bakus in Deutschland
In Deutschland war die Aserbaidschan-Connection nicht so erfolgreich wie im Europarat. Aber auch hier versuchte das Regime, die Einnahmen aus seinem Öl- und Gasreichtum, die seit Mitte der Nullerjahre reichlich sprudelten, in politischen Einfluss umzumünzen. Und es fand einige gut vernetzte Fürsprecher. Der ehemalige CSU-Abgeordnete und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Eduard Lintner, gründete nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2009 ein Lobby-Unternehmen im Dienste Aserbaidschans. Er wurde dieses Jahr im Juli vom Oberlandesgericht München wegen Bestechung in erster Instanz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil über eine seiner Firmen Zahlungen aus Aserbaidschan an die Abgeordnete Strenz geflossen waren.
In Baden-Württemberg warb der in der CDU gut vernetzte Otto Hauser, der letzte Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl, seit 2010 als Honorarkonsul für Aserbaidschan. Und auf Veranstaltungen der Jungen Union wurden Anfang der Zehnerjahre Vertreter von Vorfeldorganisationen des Bakuer Regimes willkommen geheißen.
Axel Fischer ist der einzige Politiker aus der Aserbaidschan-Connection, der sich wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit vor Gericht verantworten muss. Alle anderen bewegten sich nach heutigem Wissen in Grauzonen, die vom Strafrecht nicht erfasst werden. In der CDU spielt keiner von ihnen mehr eine bedeutende Rolle.
Es stellt sich die Frage, welche Lehren Deutschland aus der Geschichte gezogen hat. Das Bild sei gemischt, sagt der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe, der im Europarat gemeinsam mit dem Christdemokraten Andreas Nick maßgeblich zur Aufarbeitung der Affäre beigetragen hat: „Unser Bewusstsein ist gewachsen, dass autoritäre Länder uns unterwandern wollen.“
Auf der positiven Seite steht für ihn auch, dass der Paragraph 108 des Strafgesetzbuchs, in dem es um Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern geht, voriges Jahr wegen der Erkenntnisse aus der Affäre verschärft wurde; die Transparenzregeln seien besser geworden. Aber Schwabe sieht auch Verbesserungsbedarf: Es fehle immer noch an Sensibilität dafür, welche Stellen besonders anfällig seien, Mitarbeiter müssten systematischer überprüft werden.
Source: faz.net