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Rassismus betroffene Menschen haben ein höheres
Armutsrisiko – auch bei einem hohen Bildungsabschluss oder
Vollzeitarbeit. Das stellt eine neue Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) fest, wonach eine höhere Armutsgefährdung für sogenannte rassistisch markierte Menschen besteht. Rassistisch markiert bedeutet dabei, dass sich die Personen als schwarz, muslimisch oder asiatisch identifiziert haben.
Generell ist die Zahl der von
Armut betroffenen Menschen in Deutschland in den 2010er-Jahren trotz
wirtschaftlichen Erfolgs gestiegen. Schon lange bekannt ist dabei, dass manche Gruppen – alleinerziehende Mütter, Menschen ohne Bildungsabschluss und
ohne Arbeit, oder Menschen mit Migrationshintergrund – deutlich häufiger von
Armut betroffen sind. Ein wichtiger blinder Fleck war
bisher aber die Rolle von Rassismus, der nun durch die neue Studie aufgedeckt
wurde.
Wissen sollte man, dass Menschen als von Armut gefährdet gelten, wenn sie in Haushalten leben, die
weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. So liegt das Armutsrisiko
bei muslimischen Männern bei 41 Prozent und ist damit viel höher als im Vergleich mit allen in Deutschland lebenden Menschen, für die das Risiko mit 15 Prozent zu beziffern ist. Betrachtet man nur Personen, die als nicht rassistisch-markiert gelten, überspitzt formuliert könnte man auch von Personen sprechen, die eher als „biodeutsch“ gelesen werde, so beträgt deren Armutsrisiko nur 9 Prozent.
Nun könnte man einwenden, dass zum Beispiel unter Musliminnen und Muslimen viele Menschen sind, die noch nicht lange in Deutschland leben und die vielleicht in einem Asylverfahren sind und daher nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sind. Rassistisch markierte Menschen sind entsprechend weniger häufig in Beschäftigung, haben einen geringeren Bildungsabschluss und andere soziodemografische Eigenschaften, die eher Armut bedingen. Man kann diese Faktoren methodisch für den wissenschaftlichen Vergleich korrigieren – und selbst nach Korrektur für diese Unterschiede beträgt das
Armutsrisiko bei muslimischen Männern noch immer mindestens 33 Prozent, bei
asiatischen Männern 27 Prozent und bei schwarzen Männern 20 Prozent. Diese Zahlen für die
korrespondierenden Gruppen ist für Frauen nur geringfügig niedriger.
Die Vermutung liegt nahe, dass diese riesigen Unterschiede in der Armutsgefährdung vor
allem daran liegen könnten, dass rassistisch markierte Menschen nicht nur
selbst häufig eine geringere Bildung und Qualifizierung besitzen und weniger
arbeiten, sondern dass dies auch auf ihre Familienmitglieder zutrifft.
Daher ist es bemerkenswert, dass das Armutsrisiko selbst dann enorm hoch ist, wenn rassistisch
markierte Menschen einen hohen Bildungsabschluss, also mindestens ein Studium mit einem Bachelor-Abschluss abgeschlossen oder eine Meisterprüfung erfolgreich absolviert haben und in Vollzeit beschäftigt sind. Bei in Vollzeit
beschäftigten muslimischen Männern ist das Armutsrisiko mit 21 Prozent mehr als
viermal höher als das von nicht rassistisch markierten Männern in Vollzeit.
Auch bei schwarzen Männern ist die Armutsgefährdung noch dreimal höher. Bei
muslimischen Männern mit einem akademischen Abschluss liegt die
Armutsgefährdung bei 33 Prozent, bei schwarzen Männern noch immer bei 15 Prozent – also knapp sechsmal bzw. dreimal höher als für weiße Männer mit hohem Bildungsabschluss.
Das Aufstiegsversprechen gilt für muslimische, schwarze oder asiatische Personen nicht
Diese Resultate unterstreichen, dass Armut nicht per se mit
fehlender Beschäftigung, wenig Bildung und geringer Qualifizierung verbunden sind.
Diese Zahlen bedeuten einen fundamentalen Bruch mit dem Gesellschaftsvertrag:
das Versprechen, dass Leistung durch Arbeit und gute Bildung belohnt werden
durch ein auskömmliches Einkommen, von dem es sich gut leben lässt. Das
Versprechen, Aufstieg durch Bildung und Integration durch Arbeit sind somit für
manche Menschen in unserem Land schlichtweg ein falscher Mythos.
Und auch das Geburtsland und die Staatsbürgerschaft spielen eine wichtige Rolle. Muslimische, schwarze oder asiatische Männer haben eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit
von Armut betroffen zu sein, wenn sie nicht in Deutschland geboren wurden, ebenso wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Wie Menschen in der Bundesrepublik ankommen, hat also einen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg von Zugewanderten. Die
Tatsache, dass Deutschland bei seiner Willkommenskultur große Defizite hat, ist
zwar nicht neu, aber die Daten aus dieser Studie zeigen noch einmal auf, welche Bedeutung es hat, wenn eine Gesellschaft offen ist – oder eben nicht.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch die Zukunftsperspektiven. Menschen investieren weniger in ihre
Bildung und in ihre Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft, wenn sie ein Land in den nächsten zwei Jahren wohl wieder
verlassen müssen. Diese Menschen werden nur versuchen, Geld zu verdienen, aber dabei nicht auf Investitionen in die eigene Ausbildung und Qualifizierung achten.
Deutschland sollte den mittlerweile 3,3 Millionen Schutzsuchenden eine
klare Zukunftsperspektive eröffnen, wie und unter welchen Voraussetzungen sie
in der Bundesrepublik bleiben können. Die Staatsbürgerschaft und dass man sie überhaupt erlangen kann, ist dabei wesentlich.
Es geht nicht darum, dass die deutsche Staatsbürgerschaft „verramscht“ wird, wie von
manchen behauptet, sondern Zugewanderten einen Anreiz zu geben, die Staatsbürgerschaft nach fünf
Jahren erhalten zu können. Zurzeit
befindet sich Deutschland in einem unauflöslichen Dilemma: Die
Staatsbürgerschaft wird an ein auskömmliches finanzielles Einkommen gekoppelt.
Gleichzeitig bedeutet eine fehlende Perspektive darauf ein höheres Armutsrisiko. Dieses Dilemma sollte
endlich durchbrochen werden, indem die Perspektiven auf permanenten
Aufenthaltsstatus und Staatsbürgerschaft deutlich verbessert und verlässlicher
gemacht werden.
Von einer klaren
Zukunftsperspektive, einer besseren Willkommenskultur und dem Abbau von Hürden
für die Integration in den Arbeitsmarkt profitieren nicht nur rassistisch
markierte Menschen, sondern die ganze Gesellschaft. Deutschland hat ein riesiges Arbeitskräfteproblem. Es gibt 1,8 Millionen offene Stellen, über die
nächsten zehn Jahren werden weitere fünf Millionen dazu kommen. Viele Unternehmen suchen
händeringend nach Auszubildenden und bereits qualifizierten Menschen. Viele
Firmen bilden Menschen mit Migrationsgeschichte aus, die keine klare
Bleibeperspektive in Deutschland haben, die die Sprache nicht perfekt sprechen
und auch (noch) keinen anerkannten Abschluss vorweisen können. Die Integrationsleistung vieler Unternehmen ist enorm wichtig. Denn viele Migrantinnen und Migranten können dadurch wirtschaftlich
auf eigenen Füßen stehen. Das entlastet den Sozialstaat. Und die Zugewanderten werden selbst zu Steuerzahlenden und somit zu Menschen, die sich für Deutschland engagieren. Die rasche Integration der 3,3 Millionen
Schutzsuchenden in Deutschland ist daher ein riesiges wirtschaftliches Potenzial für unser Land.
Armut hat keine
Hautfarbe, keine Religion, kein Geschlecht und keine Herkunft. Armut wird allzu
oft vererbt oder ist das Resultat von Diskriminierung und auch von Rassismus.
Die Politik muss mehr tun, um die Hürden für die Integration in Arbeitsmarkt
und Gesellschaft abzubauen und vor allem eine klare Zukunftsperspektive
anzubieten. Vor allem aber muss sie auch Rassismus als Ursache für Armut viel stärker
adressieren.
Von
Rassismus betroffene Menschen haben ein höheres
Armutsrisiko – auch bei einem hohen Bildungsabschluss oder
Vollzeitarbeit. Das stellt eine neue Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) fest, wonach eine höhere Armutsgefährdung für sogenannte rassistisch markierte Menschen besteht. Rassistisch markiert bedeutet dabei, dass sich die Personen als schwarz, muslimisch oder asiatisch identifiziert haben.
Generell ist die Zahl der von
Armut betroffenen Menschen in Deutschland in den 2010er-Jahren trotz
wirtschaftlichen Erfolgs gestiegen. Schon lange bekannt ist dabei, dass manche Gruppen – alleinerziehende Mütter, Menschen ohne Bildungsabschluss und
ohne Arbeit, oder Menschen mit Migrationshintergrund – deutlich häufiger von
Armut betroffen sind. Ein wichtiger blinder Fleck war
bisher aber die Rolle von Rassismus, der nun durch die neue Studie aufgedeckt
wurde.