Apple: Große Siri-Revolution? Die heikle KI-Offensive fürs iPhone – WELT

Wenn es um Begriffe geht, ist Apple ein Pirat. Das Unternehmen kapert sie und gibt ihnen einen neuen Namen – vielleicht in der Hoffnung, später als ihr Erfinder in die Geschichte einzugehen. So nennt Apple seine Virtual-Reality-Brille einen „räumlichen Computer“, ein Smartphone ist ein iPhone und der Dolby-Atmos-Raumklang heißt 3D-Musik.

Jetzt kommt Apples neuste Schöpfung. Eigentlich steht AI für Artificial Intelligence, oder eben künstliche Intelligenz. Doch für den iPhone-Hersteller verbirgt sich dahinter etwas anderes: Apple Intelligence.

Apple hat zum Auftakt seiner Entwicklerkonferenz WWDC eine ganze Reihe von KI-Funktionen vorgestellt, die künftig in seinen Geräten Erstaunliches vollbringen sollen: Audio-Aufzeichnungen verschriftlichen, Texte umformulieren und zusammenfassen, Bilder und Emojis aus Textbefehlen kreieren.

Im Zentrum von Apple Intelligence aber stehen der digitale Assistent Siri und das iPhone. Mithilfe von generativer KI wird Siri – so die Pläne von Apple – zum zentralen Helfer des Nutzers, der mit dem digitalen Assistenten zudem auch in natürlicher Art und Weise reden kann.

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Das Urteil dazu steht noch aus, denn die neuen Funktionen sollen erst mit dem nächsten iOS-Betriebssystem verfügbar sein, das im Herbst kommt. Aber in der Präsentation von Apple am Montag funktionierte das schon einmal. Siri greift nun tiefer ins System ein, weiß, was im Kalender und in E-Mails steht und würfelt alle Informationen im besten Fall sinnvoll zusammen.

Wird Siri dadurch am Ende doch noch zu einer Erfolgsgeschichte? Tatsächlich war Apple bei der Einführung von Siri im Jahr 2011 ein Pionier. Beobachter staunten nicht schlecht, als der Assistent plötzlich Fragen nach der Wettervorhersage, Aktienkurse und Restaurants in der Nähe beantworten konnte.

Doch die weitere Entwicklung war eine große Enttäuschung, weil Siri viele Fragen nicht verstand oder einfach nur eine Liste von Internet-Links als Antwort gab. Als Amazon Jahre später Alexa und Google seinen Assistant einführten, war Siri schnell abgehängt und führte fortan ein Schattendasein.

Neustart mit KI

Nun also ein Neustart mit generativer künstlicher Intelligenz. Für Apple ist das höchste Zeit. Zwar greift der Konzern bei seinen Geräten schon seit Jahren auf KI zurück, beispielsweise bei der Gesichtserkennung, Fotobearbeitung, Autokorrektur, Wortvorschlägen und Suchfunktionen. Doch gegenüber den jüngsten Ankündigungen ist Apple besonders blass geblieben. Insbesondere nachdem OpenAI mit seinem Chatbot ChatGPT die generative künstliche Intelligenz populär gemacht hatte, warteten Beobachter auf eine Antwort von Apple.

Doch die blieb bis am Montag aus. Dabei hatten in der Zwischenzeit schon andere Unternehmen nachgelegt. Google hat generative KI-Funktionen im vergangenen Oktober in sein Smartphone Pixel 8 gebracht, die Objekte und Personen automatisch aus Fotos entfernen und aufgenommene Gespräche zusammenfassen konnten. Genau das hat Apple am Montag auch vorgestellt. Samsung folgte mit seinen S24-Smartphones im Januar, die Telefongespräche in Echtzeit in andere Sprachen übersetzen und Nachrichten in einen anderen Schreibstil verändern konnten.

Während die Konkurrenten ihre Geräte in KI-Smartphones verwandelten und ChatGPT die Welt verblüffte, blieb das iPhone, was es ist: ein Smartphone mit den beschränkten Fähigkeiten eines Siri. Das hat zuletzt großen Druck auf Apple aufgebaut, der sich auch an der Börse spiegelte. Schon im Januar hatte Microsoft mit seinem Investment in OpenAI Apple als wertvollstes Unternehmen der Welt abgelöst. In der vergangenen Woche wurde Apple dann vom KI-Chipspezialisten Nvidia kurzzeitig weiter auf Platz drei gereicht.

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Apple kann etwas Belebung gut gebrauchen. Schon jetzt hat das Unternehmen Schwierigkeiten, die iPhone-Stückzahlen zu steigern. Im wichtigen chinesischen Markt verliert der Konzern an Boden, dort gehen die iPhone-Verkäufe stark zurück. Interessante Innovationen, wie beispielsweise faltbare Displays, liefert Apple noch nicht. Neue KI-Funktionen könnten also Kaufanreize liefern.

Der Marktforscher Canalys erwartet, dass schon in diesem Jahr 16 Prozent aller Smartphones weltweit mit generativen KI-Funktionen ausgestattet sein werden, in vier Jahren soll es dann schon mehr als jedes zweite Gerät sein. „Das Potenzial von generativer KI, die Nutzererfahrung auf Smartphones zu revolutionieren, ist enorm“, schreiben die Canalys-Analysten in einem Report.

Wenn Apple nun generative KI auf seine iPhones bringt, wird das zu einem Schlüsselmoment für die Technologie, denn die Reichweite steigt damit schnell auf mehr als eine Milliarde Nutzer. Doch reicht es, einfach nur Funktionen anzubieten, die auch die Smartphones von Google und Samsung können?

Hybride KI

Wie seine Konkurrenten setzt Apple auf eine hybride Strategie. Einige KI-Funktionen werden direkt auf den Geräten ausgeführt, andere in den eigenen Rechenzentren in der Cloud.

Zugleich ist der Konzern eine Kooperation mit OpenAI eingegangen. Weiß Siri nicht weiter, bietet sie an, ChatGPT zu fragen. So etwas macht Apple nur aus der Not, weil das Unternehmen selbst dazu noch nicht in der Lage ist. Berichten zufolge hatte Apple im Vorfeld auch mit Google und Cohere Gespräche geführt.

Apple bewegt sich hier auf einem schmalen Grat. Zum einen hebt das Unternehmen bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Schutz der Nutzerdaten in den Vordergrund und hat hier tatsächlich viel Mühe und Geld investiert. Solange KI direkt auf den iPhones ausgeführt wird, ist das weitgehend problemlos. Apple hat mit den jüngsten iPhone-15-Pro-Modellen auch einen Chip eingeführt, der zu leistungsfähigen KI-Funktionen in der Lage ist.

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Doch die Übertragung von Daten in die Cloud und das Ausführen von KI in Rechenzentren machen den Datenschutz ungleich schwieriger. Medienberichten zufolge soll das auch ein kritischer Teil in den Kooperationsgesprächen gewesen sein.

Dass Apple erst spät zur Aufholjagd ansetzt, ist nicht verwunderlich. Bei neuen Technologien war es schon immer Apples Strategie, eher zu perfektionieren als Pionierarbeit zu leisten. Auf diese Weise hat der Konzern auch seine iPods und iPhones groß gemacht, obwohl es MP3-Spieler und Smartphones schon vorher gab.

Doch generative KI-Funktionen zu perfektionieren, ist keine einfache Aufgabe. Die Systeme neigen zu Halluzinationen, manchmal erfinden sie einfach ihre Inhalte. Apple aber achtet streng darauf, die Nutzererfahrung auf seinen Geräten streng zu kontrollieren. Das könnte schnell zu einem Widerspruch werden, am Ende stünde Apple weder als Pionier noch als Perfektionist da.

Source: welt.de

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