Amsterdam hat die Nase voll vom Party-Tourismus: Flüge kürzen!

Wenn Sie in den Suchmaschinen nach der niederländischen Hauptstadt suchen, dann werden Sie womöglich das hier gefragt: Warum möchten Sie Amsterdam besuchen? Ein Online-Quiz ist nämlich die neueste Strategie, mit der Amsterdam lästige Touristen abschrecken will. Das Quiz heißt Amsterdam Rules und fragt nach den Gründen, warum man hierher reisen möchte. Wenn Sie antworten: für einen Junggesellenabschied, eine Kneipentour oder um Marihuana in der Öffentlichkeit zu rauchen, wird Ihnen gesagt: Sie werden enttäuscht sein, da dies nicht mehr erlaubt ist.

Das Quiz ist nur eines in einer langen Reihe von Experimenten, mit denen Amsterdam versucht hat, die Belästigung durch die Horden von Touristen zu mindern, die in die Stadt kommen, um wild Party zu machen.

Dazu gehören nicht nur Kampagnen, die sich an potenzielle Touristen richten, sondern auch konkrete politische Maßnahmen innerhalb der Stadt. Die Schließungszeiten von Bars im Rotlichtviertel wurden etwa vorverlegt. Andere Maßnahmen, wie das Verbot, in der Öffentlichkeit zu kiffen, sind nur schwer durchsetzbar. Und wieder andere, wie die Einschränkung der Öffnungszeiten für Fensterbordelle, wurden schnell wieder rückgängig gemacht.

Bislang hat keine der Amsterdamer Strategien zu einer echten Lösung des Problems geführt. Die nackten Zahlen: Im Jahr 2023 stiegen die Übernachtungen von Touristen um 21 Prozent auf 9 Millionen – auf 900.000 Einwohner. Damit hat Amsterdam wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, und die Stadt rechnet damit, dass die Besucherzahlen in den kommenden Jahren neue Rekordhöhen erreichen werden.

Fünf Euro Eintritt für eine europäische Innenstadt?

Die große Frage ist nun: Wie viel mehr kann diese relativ kleine Stadt verkraften? Die engen Straßen, Gassen und Brücken in dem fragilen historischen Zentrum aus dem 17. Jahrhundert waren einfach nicht dafür ausgelegt, große Menschenmengen durchzulassen – selbst wenn sich alle angemessen benehmen würden. Die Bewohner des Rotlichtviertels fühlen sich von den Touristenströmen bedrängt, die sie manchmal sogar daran hindern, ihre Häuser zu erreichen.

Diese Amsterdamer selber machen sich über das Online-Quiz lustig. Ihr Schicksal ist vergleichbar mit dem der Venezianer, die kürzlich gegen die Einführung einer Eintrittsgebühr von 5 Euro für Tagesausflügler protestierten – ein weiterer Versuch, den Übertourismus einzudämmen. Sie sind der Meinung, dass die Stadt dadurch zu einem Themenpark verkommt und sich ihre Lebensbedingungen nicht verbessern.

Vor zwei Jahren war, ähnlich wie in Venedig, die Rede davon, Zugangstore und Eintrittsgebühren für das Rotlichtviertel einzuführen. Aber es gibt einfach zu viele Gassen, die zu den Schaufensterbordellen führen, sie können nicht alle mit einem Eingang kontrolliert werden. Auch würde das Wohnviertel durch eine solche Maßnahme erst recht als Touristenpark dargestellt.

Diese Situation ist nicht auf Amsterdam und Venedig beschränkt. In ganz Europa räumen Politiker ein, dass die Zahl der Touristen in vielen beliebten Reisezielen nicht mehr tragbar ist, scheinen aber nicht in der Lage zu sein, das Problem an der Wurzel zu packen.

Zutritt zu Coffeeshops nur für Niederländer

Der niederländische Lokalpolitiker Sofyan Mbarki glaubt, dass das Hauptproblem das Image Amsterdams ist: Die Stadt ist als Ort bekannt, an dem einfach alles erlaubt ist. Mit dem Quiz hofft er, die Art und Weise zu ändern, wie potenzielle Besucher über die Stadt denken. Aber die Wahrheit ist, dass sich solch ein Image nicht über Nacht ändern lässt. Man muss auch die Realität anpassen.

Die Bürgermeisterin von Amsterdam, Femke Halsema, ist sich dessen bewusst. Vor fünf Jahren schlug sie kühn vor, die Fensterbordelle im Rotlichtviertel zu schließen – ein gewagter Schritt, wenn man bedenkt, dass viele Einwohner die Fensterprostitution immer noch als festen Bestandteil der Folklore der Stadt betrachten. Halsema ist auf heftigen Widerstand gestoßen. Interessanterweise waren es vor allem linke Parteien (einschließlich ihrer eigenen Partei GroenLinks), die sich ihren Plänen widersetzten. Im Jahr 2021 schlug sie eine weitere substanzielle Maßnahme vor: den Zutritt zu Coffeeshops nur für Niederländer. Auch hier leistete die Linke Widerstand.

Inzwischen haben Aktivisten, die jahrelang gegen den Übertourismus gekämpft haben, die Arena aus lauter Frustration verlassen. Sie haben das Gefühl, den mächtigen Lobbygruppen der Unternehmer nicht gewachsen zu sein, die im Rotlichtviertel so hohe Gewinne erzielen, dass sie problemlos Kampagnen gegen missliebige Vorschläge des Bürgermeisters finanzieren können. Im Gegensatz dazu sind die Anwohner in verschiedene kleine Aktionsgruppen zersplittert, die über sehr wenig finanzielle Mittel verfügen. Oft konzentrieren sie sich auf die spezifischen Probleme in ihrem Teil des Viertels und nicht auf das übergeordnete Thema des Übertourismus.

Welches Niveau von Tourismus ist tragbar?

Ob Venedig, Amsterdam oder jede andere europäische Stadt, die mit dem Übertourismus zu kämpfen hat: Wenn ein dramatisches Problem vorliegt, sind dramatische Maßnahmen erforderlich. Während sich die Diskussion in Amsterdam oft auf das Rotlichtviertel und eine bestimmte Art von Touristen konzentriert, reicht es nicht aus, die Belästigung durch eine bestimmte Gruppe einzudämmen: Das Gesamtvolumen der Touristen muss angegangen werden.

Dies bedeutet, dass man entscheiden muss, was ein nachhaltiges Tourismusniveau ist – und das bedeutet: ein Niveau, das es sowohl Besuchern als auch Einheimischen ermöglicht, eine Stadt zu genießen. Um dies zu erreichen, könnten die Regierungen etwa die Zahl der Flüge und Kreuzfahrtschiffe, die eine Stadt und ihr Umland ansteuern, deutlich begrenzen. So wäre, um den Übertourismus in Amsterdam einzudämmen, die Verkleinerung des Flughafens Schiphol ein guter Schritt, der gleichzeitig der Umwelt zugutekäme. Solche Pläne lagen schon einmal auf dem Tisch, aber leider hat die niederländische Regierung sie Anfang dieses Jahres auf Eis gelegt.

Die Umsetzung drastischer Maßnahmen erfordert Mut. Es erfordert Mut, eine langfristige Vision für eine lebenswerte Stadt über kurzfristige wirtschaftliche Interessen zu stellen. Und es erfordert Mut, sich den Zorn der Tourismusbranche zuzuziehen, die über eine extrem starke Lobby verfügt und nur eines will: mehr Tourismus.

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