Ampel-Regierung: Berechtiger Aufschrei dieser Familienunternehmen

Kehrwoche, Trollinger, Maultaschen. Noch immer sind bei vielen Deutschen das die ersten Assoziationen, wenn sie an Baden-Württemberg denken. Und natürlich der Slogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“, der später von „Wir sind The Länd“ abgelöst worden ist. In beiden Sprüchen schwingt in einer sehr eigenen Mischung aus Selbstbewusstsein und Selbstironie der Stolz auf die Wirtschaft im Südwesten mit, die mittelständisch geprägt ist und vor allem von Familienunternehmern getragen wird.

Auffällig ist, dass es zurzeit diese Familienunternehmer sind, die sich – eigentlich bekannt für ihre Zurückhaltung – sehr vehement zu Wort melden und die Wirtschaftspolitik kritisieren. Da ist der Stihl-Beiratsvorsitzende Nikolas Stihl, der rügt, dass man immer nur bis zur nächsten Wahlperiode denke. Oder Marquardt-Chef Harald Marquardt, der vor einem Exodus der Industriearbeitsplätze warnt. Herrenknecht-Chef Martin Herrenknecht poltert: „Die Ampel zerstört den Mythos von Made in Germany.“

Zweifel an der Warnehmung der Regierung 

Während Lapp-Chef Matthias Lapp sich „als Unternehmer hier nicht mehr frei im Wirtschaften“ fühlt, glaubt Schmalz-Chef Kurt Schmalz, dass „die Regierung noch immer nicht erkannt hat, wie groß das Problem ist“. Und Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller lehnt die „planwirtschaftliche Wirtschaftspolitik“ der Regierung ab.

Alle diese Unternehmer eint ihre Geschichte: Sie sind mit ihren Unternehmen, ihren Mitarbeitern und ihrem Engagement in Verbänden und Kommunen verwurzelt im Südwesten – stehen aber als Spezialisten auf ihren Gebieten im globalen Wettbewerb. Sie müssen sich also mit den Produktionsbedingungen und den Konkurrenten überall in der Welt auseinandersetzen – und für sie stellt sich bei jeder einzelnen Investition die Frage, ob sie in der Heimat getätigt wird oder an einem ihrer Produktionsstätten im Ausland.

Investitionen in der Heimat rechnen sich nicht mehr

So massiv die Kritik erscheint, so begründet ist sie: Denn bei einer rational ökonomischen Betrachtung müssen die Unternehmer – egal wie sehr sie die Schwäbische Alb, den Schwarzwald oder den Bodensee lieben – zum Schluss kommen, dass sich Investitionen in der Heimat für sie nicht mehr rechnen. Ein Blick auf Direktinvestitionen bestätigt das. Nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft betrug der Saldo aus Zu- und Abflüssen von Kapital nach und von Deutschland minus 100 Milliarden Euro im Jahr 2021, minus 125 Milliarden Euro 2022 und minus 94 Milliarden Euro 2023. Es ist also immer mehr Geld von Deutschland ins Ausland geflossen, als vom Ausland in Deutschland investiert worden ist.

Doch erklärt sich die Vehemenz des Aufschreis nicht allein mit Standortfaktoren; schließlich sind hohe Abgaben, teure Energie, lähmende Bürokratie und schlechte Infrastruktur größtenteils älteren Datums. Die Vehemenz basiert auf dem Empfinden, dass die Bundesregierung die Dramatik noch immer nicht erkennt. Wenn Kurt Schmalz, ein 68 Jahre alter „Elder Statesman“ der Schwarzwälder Politik, nach einem Kanzlerbesuch Zweifel hat, ob der ihm richtig zugehört hat, und sagt „Seine Antworten waren allgemein, er hat gesagt, dass doch alles am Laufen sei“, dann steht das für das Gefühl vieler Familienunternehmer in Baden-Württemberg.

Der Boss ist der Staat

Dieses Gefühl muss für die Bundesregierung ein Warnsignal sein, denn der von Familienunternehmen getragene Mittelstand ist der Motor der deutschen Wirtschaft. Für die Unternehmer stellt sich die Situation jedoch so dar, dass ihre Bedürfnisse in an Großkonzernen ausgerichteten Programmen, in denen die Regeln zwischen Berlin und Brüssel gemacht werden, keine Rolle mehr spielen. Die zunehmend dirigistische Politik gibt nicht nur die Ziele vor, sondern auch die Wege, wie die Ziele zu erreichen sind. Der Boss ist der Staat – eine Herangehensweise, die dem Selbstverständnis der Familienunternehmer diametral entgegensteht.

Die zu Recht Protestierenden brauchen eine pragmatische, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die ­Investitionshemmnisse beseitigt. Die Lapps, Marquardts, Stihls wollen frei agieren, investieren und so die Technik entwickeln und den Wohlstand erwirtschaften, mit dem Deutschland die Herausforderungen der Transformation bewältigen kann.

Und noch etwas braucht der Wirtschaftsstandort: einen positiven Blick auf Unternehmertum. „Wir brauchen das Vertrauen des Staates in die Unternehmen, dass diese es unter dem Strich gut machen wollen“, sagt Trumpf-Chefin Leibinger-Kammüller. Allein diese Worte zeigen, wie groß die Distanz zwischen der aktuellen Regierung und vielen Familienunternehmen geworden ist.

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