Ampel-Hängepartie: Echte Probleme im Haushalt sieht die Opposition nicht

Die Lücke im Haushaltsplan der Bundesregierung für das nächste Jahr ist nicht so groß, dass deswegen die Ampelkoalition auseinanderbrechen müsste. Diese Einschätzung hört man aus den Reihen der Opposition. „So dramatisch ist es nicht. Echte Probleme im Haushalt sehen anders aus“, heißt es in Kreisen der Unionsfraktion. Seit Wochen kursieren Spekulationen in der Hauptstadt, ob das Dreierbündnis in Kürze zerbricht. Als entscheidende Hürde wird gemeinhin der Haushalt für das nächste Jahr gesehen, speziell die Bereinigungssitzung des zuständigen Bundestagsausschusses am 14. November.

In der Unionsfraktion macht man folgende Rechnung auf: Weil die Wirtschaft nicht gut läuft, erlaubt die Schuldenregel eine höhere Neuverschuldung. Gegenüber dem Regierungsentwurf könnte sie um 5,3 Milliarden Euro gesteigert werden. Zudem hat der ame­rikanische Chipkonzern Intel seine Pläne für neue Produktionskapazitäten in Magdeburg auf Eis gelegt. So werden in diesem und im nächsten Jahr zugesagte Subventionen von zusammen rund sieben Milliarden Euro nicht abgerufen. Alles in allem kommt man so auf eine Größenordnung von gut zwölf Milli­arden Euro. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte die Lücke für das nächste Jahr zuletzt auf einen höheren einstelligen Milliardenbetrag taxiert. Dieses Problem sollte somit lösbar sein, wenn die Beteiligten das ernsthaft wollen.

Die Intel-Milliarden sind zwar nicht im allgemeinen Haushalt eingeplant, sondern im Klimafonds. Aber das lässt sich haushaltsrechtlich so gestalten, dass die nicht benötigten Mittel komplett den Kernhaushalt im nächsten Jahr entlasten, etwa indem dieses Jahr die Zuweisung an den Nebenhaushalt knapper gehalten wird, was die globale Reserve schonen würde. Doch das setzt natürlich voraus, dass weder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darauf pochen, die ausfallende Subvention durch andere Hilfen für die Wirtschaft zu ersetzen. Denkbar wäre da vieles: etwa Milliarden zur Senkung der hohen Stromnetzentgelte oder zur Förderung des darniederliegenden E-Auto-Absatzes.

Koalitionspartner streben in verschiedene Richtungen

Lindner pocht erstens darauf, den Haushalt auf eine stabile verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen. Zweitens dringt er auf die zügige Verwirk­lichung der Wachstumsinitiative, dazu gehören für ihn nicht zuletzt die steuerlichen Entlastungen für Bürger und Betriebe. Hier haben die Grünen den FDP-Politiker jüngst brutal ausgebremst. Anders als geplant hat der Bundestag das „Steuerfortentwicklungsgesetz“ noch nicht verabschiedet.

Nicht die Größe der Haushaltslücke dürfte somit das Problem sein, sondern die Reihung der Prioritäten. Zuletzt strebten die Beteiligten für alle sichtbar in unterschiedliche Richtungen: Indus­triegipfel (SPD, Kanzleramt), Schuldenfonds für Investitionen (Grüne, Wirtschaftsministerium), Gegengipfel (FDP, Reichstagsgebäude). Der Kanzler tagt weiterhin mit den Industrievertretern und Gewerkschaften ohne die zustän­digen Fachminister, die FDP lädt kommenden Montag zur nächsten Gegenrunde. Sie will mit Wirtschaftsvertretern, die beim ersten Mal nicht dabei waren, darüber reden, was zusätzlich getan werden muss, um das Land voranzubringen.

Haushalt für eine Minderheitsregierung verabschieden?

Offen ist die Frage, ob bei diesem Auseinanderdriften das Zusammenfinden in den verbleibenden knapp zwei Wochen gelingt. Die Ampelparteien könnten notfalls die Bereinigungssitzung verschieben. Um zwei Wochen wäre kein großes Problem, dann könnte die Koalition den Haushalt immer noch rechtzeitig vor dem Jahreswechsel durch den Bundestag bringen. Eine längere Hängepartie hieße: Das neue Jahr beginnt mit einer vorläufigen Haushaltswirtschaft. Der Bund könnte seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, auch könnte er Begonnenes weiterführen, aber nichts Neues starten. Das wäre der Beleg, dass es kein gemeinsames Regierungsverständnis gibt.

Aufhorchen lässt der Appell von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Koalition nicht vor Ablauf der Legislatur zu beenden. Er ist ein enger Weggefährte von Lindner. Zumindest solange der Haushalt 2025 noch nicht verabschiedet ist, könnte die FDP der Koalition den Stecker ziehen, ohne dass Neuwahlen nötig wären. Mit Mitteln für das nächste Jahr könnte eine rot-grüne Minderheitsregierung bis zum Herbst durchhalten. Der FDP-Vorsitzende bestreitet, dass er längst entschlossen sei, die Koalition zu verlassen. Aber er spricht immer wieder vieldeutig von notwendigen Entscheidungen, die für Deutschland getroffen werden müssten. Allerdings wurde am Freitagabend ein Grundsatzpapier aus dem Finanzministerium öffentlich, das für neuen Zündstoff in der Koalition sorgen könnte.

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