„Als Beimischung sind Staatsanleihen ok“

„Als Beimischung sind Staatsanleihen ok“

Deutschlands größte Sparkasse hat ihren Gewinn und ihre Kundenbasis im vergangenen Jahr deutlich vergrößert. Von Deutschlands gigantischer Neuverschuldung können auch die Privatanleger profitieren, sagt Haspa-Chef Harald Vogelsang – allerdings nicht in erster Linie mit Staatsanleihen.

Die Hamburger Sparkasse (Haspa), Deutschlands größte Sparkasse, hat im vergangenen Jahr 125 Millionen Gewinn erwirtschaftet, zehn Millionen Euro mehr als 2023. Auch bei anderen Kernzahlen verzeichnet die Haspa Wachstum, etwa bei der Steigerung der Anzahl von Konten um 45.000 auf nunmehr rund 770.000. Vorstandssprecher Harald Vogelsang, 66, sagte WELT, wie er Hamburgs Wirtschaftslage und Deutschlands Neuverschuldung einschätzt.

WELT: Herr Vogelsang, die Hamburger Sparkasse ist in ihren Kerngrößen im vergangenen Jahr gewachsen, vor allem auch beim Gewinn. Wie haben Sie sich von der schwächelnden deutschen Wirtschaft entkoppelt?

Harald Vogelsang: Die Finanzwirtschaft stand im vergangenen Jahr nicht so sehr unter Druck wie andere Branchen, etwa die Automobilindustrie. Dafür hatte unsere Branche in den Jahren zuvor, während der Null- und Niedrigzinsphase, eine ökonomisch sehr herausfordernde Zeit, in der wir sehr wenig Geld verdient haben. Grundsätzlich begleiten wir unsere Kunden aus der Wirtschaft und dem Privatkundensegment durch gute und durch schlechte Zeiten. Das führt bei uns tendenziell zu Wachstum. Wir verzeichnen für 2024 zum Beispiel eine Milliarde Euro zusätzliches Einlagewachstum auf insgesamt rund 40 Milliarden Euro. Wir sehen aber auch ein sehr stark wachsendes Geschäft zum Beispiel mit Wertpapier-Sparplänen. Ich werbe ja schon seit vielen Jahren für private Kapitalanlagen in Aktien. Wir haben 2024 unser bislang bestes Provisionsergebnis überhaupt erzielt, mit 383 Millionen Euro. Nach dem Zinsüberschuss – 885 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr – ist das unsere wichtigste Ertragsquelle. Und wir haben unsere Kosten im Griff, auf der Grundlage aller Maßnahmen, die wir in den vergangenen Jahren ergriffen haben. Wir freuen uns über weiterhin steigende Ergebnisse.

WELT: Wie sieht es bei der Kreditbewertung aus, die ja den steigenden wirtschaftlichen Druck gut widerspiegelt, zum Beispiel im Immobilienmarkt?

Vogelsang: Unser Bewertungsergebnis Kredit lag 2024 bei 94 Millionen Euro, inklusive zwölf Millionen Euro Pauschalwertberichtigung. Geplant hatten wir mit einem Berichtigungswert von insgesamt 100 Millionen Euro. Das Ergebnis spricht aus meiner Sicht für ein solides Kreditportfolio und ein vorausschauendes Risikomanagement bei der Haspa.

Lesen Sie auch

WELT: Die Wirtschaft und die Privathaushalte sind die beiden Säulen für das Geschäft der Haspa. Ist die Wirtschaft in der Metropolregion Hamburg solider aufgestellt als die Wirtschaft in anderen deutschen Regionen?

Vogelsang: Ich würde nicht sagen, dass sie derzeit besonders stark ist, aber sie ist breit aufgestellt und gut diversifiziert. Hamburg ist weniger konjunkturanfällig, wenn es einzelne große Branchen – wie derzeit die Automobilwirtschaft – besonders stark trifft. Der Welthandel wächst ja trotz aller Verwerfungen weiter, ungeachtet der wirtschaftlichen Schwäche in Deutschland. Zwar stagniert der Umschlag im Hamburger Hafen seit Jahren. Aber die Hamburger Wirtschaft ist eben durch Reedereien und Speditionen in den globalen Transportketten insgesamt stark vertreten. Und die führenden Reedereien unserer Stadt erwirtschaften seit Jahren sehr hohe Gewinne.

WELT: Was sollte Hamburg tun, um seine wirtschaftliche Stärke zu erhalten und auszubauen?

Vogelsang: Ich wünsche mir, dass Hamburg stärker an die wirtschaftliche Stärke anderer Metropolregionen in Europa anknüpft – ein Vorbild dafür ist zum Beispiel Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt ist extrem attraktiv für junge Menschen, für Ansiedlungen und Startup-Unternehmen. Kopenhagen wächst und prosperiert in einer ganz anderen Größenordnung als Hamburg, und das sollte unser Maßstab sein.

WELT: Woran mangelt es in Hamburg?

Vogelsang: Es mangelt an dem auch klar über die Stadtgrenzen hinaus zum Ausdruck gebrachten Willen, erfolgreich zu sein, die Stadt sehr attraktiv für Ansiedlungen zu machen und die hiesigen Unternehmen zu stärken und zu fördern – etwa auch bei Anliegen der Unternehmen wie Betriebserweiterungen und -verlagerungen. So etwas muss auch bei den nötigen Genehmigungen mit hoher Geschwindigkeit umgesetzt werden. Und natürlich muss auch die Verkehrs-Infrastruktur in der Stadt modernisiert und ausgebaut werden. Da gibt es Schwächen. Hamburg kann noch mehr als bislang den Willen versprühen, eine wirklich sehr attraktive Stadt für Unternehmen zu sein. Die Voraussetzungen als weltoffene Stadt sind dafür ideal. Hamburg darf sich nicht auf seiner Schönheit ausruhen.

WELT: Riskiert die Hamburger Politik und Wirtschaft, sich zu sehr auf dem Erreichten auszuruhen?

Vogelsang: Als gebürtiger Hamburger nehme ich mir die Freiheit zu sagen: Es war immer Hamburgs Schwäche, sich mit dem zufriedenzugeben, was da ist. Aber in der heutigen Welt reicht das nicht. Andere Länder und Destinationen sind wesentlich erfolgshungriger. Dafür muss man nicht mal nach Asien blicken. Ich muss mir nur Kopenhagen oder Aarhus anschauen.

WELT: Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump könnte den Welthandel mit der ständigen Androhung und auch Verhängung neuer Zölle ernsthaft beschädigen. Wie groß ist das Risiko für Deutschlands wichtigsten Außenhandelsstandort Hamburg?

Vogelsang: Der deutsche Außenhandel läuft ja inzwischen leider viele stärker als früher über Antwerpen und Rotterdam und weit weniger über den Hamburger Hafen. Dessen Stagnation ist deshalb nicht der einzige Indikator für den Zustand des Welthandels. Wir haben es schon mit einer besonderen Schwäche des Hamburger Hafens im europäischen Vergleich zu tun. Der deutsche Export insgesamt schwächelt zwar derzeit auch, aber aus anderen Gründen.

Lesen Sie auch

WELT: Die voraussichtliche künftige Regierungskoalition von Union und SPD hat – gemeinsam mit den Grünen – eine Neuverschuldung von mindestens 900 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Rückt für Privatanleger jetzt die klassische Staatsanleihe wieder in den Mittelpunkt?

Vogelsang: Die Staatsanleihe wird für Privatanleger wieder stärker geöffnet werden und attraktive Zinsen versprechen. Ich würde aber Privatanlegern dringend davon abraten, allein oder hauptsächlich in dieses Finanzprodukt zu investieren. Als Beimischung ist das ok, aber nicht als Hauptbestandteil des Portfolios. Attraktive Zinsen auf langfristige, zum Beispiel zehnjährige Staatsanleihen sind Ausdruck einer hohen, weiterwachsenden Staatsverschuldung, die wiederum inflationäre Tendenzen nach sich ziehen wird. Die Verzinsung von Staatsanleihen wird nach meiner Einschätzung nicht genügen, um die Inflation auszugleichen. Deshalb müssen Privatanleger am Produktivvermögen und dessen Dividenden beteiligt werden – in Form des Aktiensparens. In der Entwicklung von Aktienkursen und Dividenden ist die Inflation erfahrungsgemäß mitberücksichtigt. Auf die Aktienkurse wird das neue deutsche Schuldenpaket für Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung und anderes beflügelnd wirken, das sieht man bereits an den Börsen. Und das gilt auch für die Dividenden. Längerfristige Aktieninvestitionen, ratierlich aufgebaut, wenn man es sich leisten kann eine selbstgenutzte Immobilie, Anleihen als Beimischung und in kleinen Teilen auch Gold, trotz der bislang schon hohen Preise – das ist aus meiner Sicht eine gute Anlagestrategie.

WELT: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins auf aktuell 2,50 Prozent abgesenkt. Wo sollte er aus Ihrer Sicht idealerweise stehen?

Vogelsang: Im Moment kommt das Leitzins-Niveau, auch mit Blick auf die gesunkene Inflation, gut hin. Auf diesem Niveau kann die EZB mit weiteren Zinssenkungen stimulierend wirken, aber auch nach oben hin agieren, sollte die Inflation wieder steigen. Diesen Spielraum hat sich die EZB in den vergangenen Jahren wieder erarbeitet. Zurzeit ist das Problem der Inflation einigermaßen eingedämmt, wenn auch aus schlechten Gründen wie der schwachen Konjunktur in Deutschland. Ich wünschte mir, wir hätten diese enorme neue Schuldenaufnahme nicht. Aber Deutschland kann eine höhere Staatsschuldenquote im internationalen Vergleich durchaus verkraften. Wichtig ist nur, die Aufträge, die aus dieser Neuverschuldung resultieren, auch in Deutschland zu vergeben, so dass heimische Unternehmen davon profitieren.

Lesen Sie auch

WELT: Der Wohnungsbau in Hamburg kam in den vergangenen Jahren fast zum Stillstand – das ist ein wirtschaftliches, aber auch soziales Problem. Was erwarten Sie für diesen Markt aus Sicht der Haspa, die einer der wichtigsten Immobilienfinanzierer in der Metropolregion ist?

Vogelsang: Der Wohnungsbau zieht seit dem ersten Quartal 2024 wieder an. Den Tiefpunkt haben wir im letzten Quartal 2023 gesehen. Schwieriger einzuschätzen ist der Markt für Büroimmobilien, der hat die Talsohle noch nicht durchschritten, könnte sich aber nahe am Tiefpunkt befinden. Allerdings wird das große Verschuldungspaket – das ja gewissermaßen eine Sonderkonjunktur finanzieren soll – auch die Nachfrage nach Büroimmobilien stimulieren. Außerdem hat sich die Diskussion komplett gedreht, wieviel Büroraum die Wirtschaft angesichts des Homeoffice-Booms während und nach der Pandemie überhaupt noch braucht. Heute sehen wir: Viele Unternehmen investieren in top-aktuelle Standorte, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren, wieder ins Büro zukommen, um Innovationskraft, Kreativität, Know-how Transfer, das Onboarding neuer Kollegen und die Team- und Markenbildung zu stärken. Das gilt auch für die Haspa mit unserer neuen Zentrale am Gänsemarkt, dem Deutschlandhaus. Neue Mitarbeiter führt man nicht im Homeoffice an ein Unternehmen heran. Toplagen bei den Büroimmobilien zum Beispiel in der Hamburger Innenstadt sind deshalb gesucht. Alles zwischen Hauptbahnhof, Gänsemarkt und Millerntor ist 1a-Lage, wenn man dort ein modernes Gebäude hat.

WELT: Wie sehen Sie die Erbpacht-Regelung, die inzwischen in der Hamburger Verfassung festgeschrieben ist? Die Wohnungswirtschaft sagt, die Verpachtung öffentlicher Grundstücke anstelle des Verkaufs hemme den Wohnungsbau massiv.

Vogelsang: Ich glaube nicht, dass die Erbpacht ein unüberwindbares Hindernis sein muss, wenn die Stadt bereit ist, Erbpacht-Verträge mit sehr langen Laufzeiten von zum Beispiel 99 Jahren zu schließen. Und sehr wichtig ist: Wenn zum Beispiel ein Investor seine Bestände energetisch sanieren muss, einige Jahre, bevor die Erbpacht auf das städtische Grundstück ausläuft, braucht es frühzeitige Vereinbarungen mit der Stadt über die Verlängerung der Erbpacht, damit Investitionen stattfinden können. In London etwa steht der größte Teil der Grundstücke in der City unter Erbpacht. Und dort funktioniert der Immobilienmarkt ganz offensichtlich.

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland.

Source: welt.de

AktienEuropäische Zentralbank (EZB)Hamburger SparkasseHaraldImmobilienmarktNeuverschuldungPreuß-OlafStaatsanleihenStaatsverschuldungtexttospeechVogelsangZinsen