„Alle meine Geister“ von Uwe Timm: Wer sich aufwärts Pelze versteht, schreibt wenn schon gute Romane

Eigentlich wollte er ja von Anfang an Schriftsteller werden. Vorher Gewiss musste Uwe Timm dies Kürschner-Handwerk erlernen: Pelzmäntel planen, nähen und flicken. Der Vater, selbst Kürschner, wünschte es sich so. Was bisher nur den Kennern welcher Timmschen Biografie vertraut war, hat welcher Autor jetzt erzählerisch entfaltet: Timm, Jahrgang 1940, beschreibt in Alle meine Geister seine Jugendjahre und besichtigt die Umbruchszeit welcher späten Fünfzigerjahre.

Wer im Zusammenhang dem Gedanken an dieses mausgrau melierte Zeitkolorit schon die Lust verliert, dem sei gleich gesagt: Die unsentimentale Sentimentalität Timms, die Genauigkeit, mit welcher er den Faltenwurf welcher Pelzmäntel, die Gravität welcher bürgerlichen Gesellschaftsordnung und dies Aufkommen einer neuen Jugendkultur schildert, lässt sogar die biedere Adenauer-Zeitabschnitt leuchten. Mittendrin: Timm selbst, welcher 1955 die Kürschner-Lehre im Zusammenhang einem noblen Hamburger Pelzhändler antritt. Schnell beherrscht er dies Metier und kann schon nachher drei Jahren dies Geschäft des plötzlich verstorbenen Vaters übernehmen. Nebenher besucht er Jazzlokale, verliebt sich rettungslos in eine Arbeitskollegin und staunt reichlich die Widersprüchlichkeit einer Stadt, in welcher dies Rotlichtmilieu welcher Reeperbahn lockt und taktgesteuert welcher „Kuppelparagraf“ jeglichen Damenbesuch im Zusammenhang Untermietern verbietet.

Im Zentrum dieses Erinnerungsbuches steht jedoch die lebensverändernde Kraft großer Literatur. Kafkas Verwandlung, Henry Millers Wendekreis des Krebses, J. D. Salingers Fänger im Roggen – dies sind die titelgebenden Geister, die Timm nie gerufen hat und doch nicht loswird. Ausführlich erinnert er sich an die Lektüreempfehlungen von Freunden und rekonstruiert Buch zu Händen Buch, wie er – im Zusammenhang seinen Kollegen zärtlich-spöttelnd denn „Träumer“ vertraut – zum selbstständigen Denker und Autor heranreift. Bildung ist immer wenn schon Herzensbildung, und so entscheidet sich welcher junge Mann am Anfang welcher Sechzigerjahre gegen die lukrative Arbeit denn Kürschner und zu Händen dies vergleichsweise unsichere Dasein denn Schriftsteller.

Die Erinnerungen sprechen lassen, denn literarische Biografie – solche reizvolle Zwischenform hat Uwe Timm schon in anderen Werken gewählt. Am Beispiel meines Bruders verarbeitet die freiwillige Meldung seines Bruders zur Waffen-SS, Der Freund und welcher Fremde ist eine Hommage an Benno Ohnesorg und die verbinden verbrachte Schulzeit am Braunschweig-Kolleg. Im Gegensatz zu diesen Büchern steuert Alle meine Geister aufwärts keine Generalthese zu. Geduldig rekonstruiert Timm seine Jugendjahre und fordert von seinen Lesern dieselbe Geduld. Der Dramaturgie eines Romans würde so ein Erinnern um welcher Erinnerung willen schaden. Doch differenzierend denn im Zusammenhang einem Roman weiß man hier schon im Vorhinein, wohin die arbeits- und lektürereichen Jugendjahre einmal münden werden: zu einem welcher bedeutendsten Schriftsteller welcher deutschen Gegenwart, welcher in welcher Erfindung welcher Currywurst dieselbe weltkulturelle Bedeutung zu finden vermag wie in den 68er-Protesten.

Entsprechend übt Alle meine Geister immer dann die stärkste Faszination aus, wenn Timm im altmodischen Pelzmantel vereinigen eigenen Weltzugang entdeckt. In welcher Hierarchie des Kürschner-Ateliers beobachtet er die Herr-Knecht-Dialektik welcher Nachkriegsgesellschaft, welcher Verkauf welcher teuren Mäntel an die Oberschicht ermöglicht die Einsicht in deren Vorlieben und Manierismen. Schier erscheint Timm welcher Pelz denn Symbol des menschlichen Begehrens, welcher Kürschner wird aufwärts solche Weise zu einem Verführungskünstler: „Noch in den einfachsten Modellen von Mänteln und Capes besteht das Raffinement darin, nicht nur den Voyeur zu erwecken, sondern auch das direkte taktile Verlangen.“

Wichtiger noch sieht Timm in welcher Verarbeitung von Pelzen seine spätere Arbeit denn Schriftsteller vorweggenommen, „dieses Umbauen, Ausbessern, Ausstreichen, Überschreiben, Verschieben von Textteilen, diese dem Handwerk so nahe Arbeitsweise“. Den Beweis zu Händen solche Parallele erbringt welcher Autor gleich selbst: Alle meine Geister ist eine virtuose Erinnerungsmontage und ein maßgeschneidertes Lesevergnügen. Gut, dass Uwe Timm dies Handwerk des Kürschners gelernt hat. Besser, dass er doch noch Schriftsteller geworden ist.

Uwe Timm: Alle meine Geister. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023;  288 Schwefel., 25,– €, denn E-Book 22,99 €

Eigentlich wollte er ja von Anfang an Schriftsteller werden. Vorher Gewiss musste Uwe Timm dies Kürschner-Handwerk erlernen: Pelzmäntel planen, nähen und flicken. Der Vater, selbst Kürschner, wünschte es sich so. Was bisher nur den Kennern welcher Timmschen Biografie vertraut war, hat welcher Autor jetzt erzählerisch entfaltet: Timm, Jahrgang 1940, beschreibt in Alle meine Geister seine Jugendjahre und besichtigt die Umbruchszeit welcher späten Fünfzigerjahre.

Wer im Zusammenhang dem Gedanken an dieses mausgrau melierte Zeitkolorit schon die Lust verliert, dem sei gleich gesagt: Die unsentimentale Sentimentalität Timms, die Genauigkeit, mit welcher er den Faltenwurf welcher Pelzmäntel, die Gravität welcher bürgerlichen Gesellschaftsordnung und dies Aufkommen einer neuen Jugendkultur schildert, lässt sogar die biedere Adenauer-Zeitabschnitt leuchten. Mittendrin: Timm selbst, welcher 1955 die Kürschner-Lehre im Zusammenhang einem noblen Hamburger Pelzhändler antritt. Schnell beherrscht er dies Metier und kann schon nachher drei Jahren dies Geschäft des plötzlich verstorbenen Vaters übernehmen. Nebenher besucht er Jazzlokale, verliebt sich rettungslos in eine Arbeitskollegin und staunt reichlich die Widersprüchlichkeit einer Stadt, in welcher dies Rotlichtmilieu welcher Reeperbahn lockt und taktgesteuert welcher „Kuppelparagraf“ jeglichen Damenbesuch im Zusammenhang Untermietern verbietet.

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