Alain Delon: Oberfläche, Spiegel und Abgrund

Vor vielen Jahren hängten sich junge Menschen neben Postern von Elvis Presley, Marilyn Monroe und dann der Beatles auch Bilder eines Filmstars aus Frankreich an die Wand: Alain Delon. Eines der bekannteren zeigt einen hübschen jungen Mann im oben ziemlich offenen weißen Hemd, eine aufgelöste dunkle Krawatte hängt ihm lässig am Hals. Das schwarze Haar ist ein bisschen verstrubbelt, eine Strähne reicht bis über die Augenbrauen. In der rechten Hand hält er einen Telefonhörer, in der linken eine gerade angezündete Zigarette. Offensichtlich hört er gerade jemandem zu. Sein Lächeln könnte man unverschämt nennen. Jedenfalls hat er die Attitüde eines Verführers. Und die eines Lügners.

1961 war Alain Delon auf dem Titel des deutschen Teenager-Magazins Bravo zwar besser gekämmt, sah aber mit diesen dunklen Augen und den so sanft geschwungenen Lippen aus, als müssten deutsche Familien ihre Töchter einsperren. Und man erfuhr: „Alain Delon spielt eine wichtige Rolle in dem ungewöhnlichen Tatsachenbericht von Heinz Martin: ‘Nicht zu spät, Romy!’.“ Delon war der schöne Fremde aus dem Süden, der die Moral und die Selbstgewissheit der jungen deutschen Film-Kaiserin auflösen würde. Gefahr im Verzug.

Die Offenheit des jungen Verführers, dem alle Welt sich zuneigen muss, überdauerte indes nur wenige Jahre. Noch in Luchino Viscontis Der Leopard von 1963 ist Alain Delon voller Elan und Hoffnung, immer in Bewegung, auch und gerade in der Liebe, auch und gerade in der Politik. Es ist wunderbar, wie Delon durch Gesten und Mimik den Raum zu erobern versucht, der durch Burt Lancasters massige Statik besetzt ist. Als Tancredi bringt er die Dinge in Bewegung. Doch es steckt darin auch die Aussicht auf eine Beziehung, die „nie recht gelingen soll“, wie Giuseppe Tomasi di Lampedusa über seine literarische Figur schreibt. Auch nicht erotisch, fügt er wehmütig hinzu. Und Delons Gesicht wird auf der Leinwand bald verschlossen sein. Es wird sich nicht mehr öffnen, außer in den Abgrund.

Delon war zweifellos der ideale Tom Ripley, Patricia Highsmiths Jahrhundertfigur, ein Mann ohne Eigenschaften und dennoch gewillt, zu den Schönen und Reichen zu gehören, auch um den Preis des mitleidlosen Mords. Er kann die Rolle eines anderen einnehmen, weil er selber niemand ist. Aber selbst das ist schon zu viel der psychologischen Erklärung.

Nur die Sonne war Zeuge von René Clément, mit dem Delon 1960 recht eigentlich zum Star wurde, ist nicht nur ein Film über Mord und Identität, sondern auch einer über das Meer. Über das Wasser. So wie es Schauspieler gibt, die grandios mit Objekten spielen können, gibt es auch solche, denen ein Element die ideale Partnerschaft bietet. Alain Delon ist ein Schauspieler, der seine Aura perfekt in Verbindung mit Wasser und Rauch entwickelt. Manchmal ganz direkt, wenn Ripley nach dem Mord aus dem Wasser neu geboren wird. Oder in Swimming Pool, wo alles, einschließlich der Beziehung von Delon und Romy Schneider, ins Schwimmen gerät. Diese beiden Schönheiten, das bewegte Wasser und die perfekte Physis eines unheimlichen Mannsbildes ergänzen sich prächtig, Oberfläche, Spiegel und Abgrund. Delons Held hat in diesem Film kein Herz (was nebenbei bemerkt auch die Aussage eines der Psychologen ist, zu denen die überforderte Mutter einst den schwer erziehbaren Alain schleppte).

Nur die Sonne war Zeuge war nicht nur der Film, in dem Delons Körper, schaumgeboren, zum Objekt der Begierde wurde – der nackte Oberkörper, jeder Muskel angespannt, der Blick voll ungerührter Entschlossenheit, das Steuerruder der Jacht und das unstillbare Meer, eine Ikone, wie man so sagt. Es war auch der Film, in dem klar wurde, dass die Schönheit dieses Mannes unerträglich war. Einerseits, weil sich das erotische Versprechen so wenig erfüllen ließ wie das politische des rebel hero, der Delon in den Sechziger- und Siebzigerjahren ja auch war. Andererseits, weil sich in die endlos charmanten Züge des jungen Verführers etwas ganz anderes gemischt hatte, eine nihilistische Bosheit, ein Zorn ohne Ziel, eine fundamentale Fremdheit.

Vor vielen Jahren hängten sich junge Menschen neben Postern von Elvis Presley, Marilyn Monroe und dann der Beatles auch Bilder eines Filmstars aus Frankreich an die Wand: Alain Delon. Eines der bekannteren zeigt einen hübschen jungen Mann im oben ziemlich offenen weißen Hemd, eine aufgelöste dunkle Krawatte hängt ihm lässig am Hals. Das schwarze Haar ist ein bisschen verstrubbelt, eine Strähne reicht bis über die Augenbrauen. In der rechten Hand hält er einen Telefonhörer, in der linken eine gerade angezündete Zigarette. Offensichtlich hört er gerade jemandem zu. Sein Lächeln könnte man unverschämt nennen. Jedenfalls hat er die Attitüde eines Verführers. Und die eines Lügners.

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