Es gibt viele Sachen, die ich an New York liebe. Die Politik gegenüber Airbnb gehört nicht dazu.
Seit etwa einem Jahr gilt hier ein Gesetz, das Vermieten auf Airbnb erheblich erschwert. Sie haben im Vorfeld gesagt, das wäre ein „De-facto-Verbot“. Würden Sie sagen, Airbnb ist heute in New York de facto verboten?
Wenn es um Kurzzeitvermietungen von weniger als 30 Tagen geht, scheint das in der Tat so zu sein. Es gibt nur einige sehr eng definierte Ausnahmen. Und die Stadt hat die Ziele, die sie damit verfolgt hat, nicht erreicht.
Was heißt das?
Es gab ja diese Theorie, dass man Wohnungen auf den Mietmarkt zurückbringen kann, wenn man Airbnb verbietet, und dass dann auch die Mieten sinken. Aber das Gegenteil ist passiert. Zwölf Monate später zeigen uns die Daten, dass die Mieten in New York weiter gestiegen sind, um mehr als drei Prozent. Und Hotels sind um mehr als sieben Prozent teurer, die machen jetzt Milliarden an zusätzlichen Umsätzen. Aber das heißt eben, die Stadt ist noch weniger erschwinglich. Die Leute haben sich oft gefragt, was passiert, wenn man Airbnb in einer großen Stadt verbietet, und jetzt wissen wir es. Ich finde, es hätte hier eine andere Lösung geben können, die es Menschen erlaubt, ihre Wohnungen zeitweise zu vermieten. Aber letztlich ist das die Entscheidung der Stadt, und wir respektieren das.
Ärgert Sie das persönlich, wenn die Hotels von dem Verbot profitieren, während Ihr Geschäft leidet?
Ja, schon ein bisschen. Ich habe am Anfang noch gesagt, niemand profitiert von diesem Verbot. Es ist ja nicht so, dass Airbnb verliert und New York gewinnt. Aber dann ist mir klar geworden, dass Hotels gewinnen und jetzt viel mehr Geld verdienen. Airbnb trifft es wirtschaftlich zwar schon, aber New York stand für weniger als ein Prozent unseres Umsatzes, wir sind in 100.000 Städten auf der Welt. Am meisten ärgert mich das Verbot, weil unsere Gastgeber jetzt nicht mehr über uns vermieten dürfen. Die Leute haben manchmal eine falsche Vorstellung, wer diese Gastgeber sind. Da sind zum Beispiel auch viele Lehrer, Künstler oder Krankenpfleger dabei. Es gäbe auch andere Wege der Regulierung. Zum Beispiel, dass man nur eine bestimmte Zahl von Tagen im Jahr auf Airbnb vermieten darf und es sich dann nicht mehr rechnet, dem regulären Mietmarkt Wohnungen ganz zu entziehen.
Und solche Einschränkungen fänden Sie in Ordnung?
Wir finden sie in Ordnung und haben ihnen in Hunderten von Städten zugestimmt.
Zum Beispiel auch in Deutschland.
Ja, wobei ich finde, Städte begrenzen die Zahl der erlaubten Tage mehr, als sie das sollten. Außerdem gibt es mehr Bürokratie als nötig. Ich fände es zum Beispiel toll, wenn man alle Airbnb-Wohnungen online registrieren lassen könnte. Wir haben ja viele junge Leute auf unserer Plattform, die wollen nicht mit einem Papierdokument zu einer Behörde gehen müssen.
Ich denke, in manchen Städten gibt es zunehmende Feindseligkeit, in anderen Städten nimmt sie ab, das ist nicht so leicht zu verallgemeinern. Es ist unbestreitbar, das es in einigen Städten wie Barcelona verstärkt Spannungen zwischen Einheimischen und Touristen gibt. Wenn es um die Überfüllung von Innenstädten geht: Das hat zum großen Teil mit Touristen zu tun, die in Hotels übernachten oder nur für einen Tag mit Kreuzfahrtschiffen kommen. Es gibt natürlich auch Airbnbs in Innenstädten, aber wir sind auch in Stadtvierteln, wo es kaum Hotels gibt. Insofern kann Airbnb zwar zum Problem beitragen, aber auch zu einer Lösung des Problems, weil wir die Touristen stärker über die ganze Stadt verteilen. Im Übrigen bewegt sich unser Geschäft immer mehr hin zu längeren Aufenthalten. Eines Tages kann man über Airbnb vielleicht sogar Wohnungen oder Häuser mieten.
Also Airbnb könnte gewissermaßen mit dem gewöhnlichen Mietmarkt verschmelzen?
Ja. Man denkt bei Airbnb immer an Kurzzeitvermietung, aber zuletzt waren 17 Prozent der gebuchten Übernachtungen für Aufenthalte von mehr als 30 Tagen. Und längerfristig stelle ich mir vor, dass die Menschen über Airbnb ihre Mieten bezahlen. Ich denke, das wird absolut passieren.
Einer der wesentlichen Kritikpunkte in Städten wie Barcelona oder Lissabon ist ja, dass in manchen Vierteln ein hoher Anteil der Wohnungen über Airbnb vermietet wird und dem regulären Mietmarkt fehlt.
Es ist nicht unser Ziel, noch mehr Leute in ohnehin schon belebte Stadtviertel zu bringen. Wir versuchen vielmehr aktiv, das Reisegeschehen umzuverteilen. Eine unserer Neuheiten ist zum Beispiel eine stärker personalisierte App, und dazu gehört es, Reiseziele vorzuschlagen, die nicht so überlaufen sind. Und wenn man zum Beispiel nach Barcelona sucht, werden auch Wohnungen außerhalb der Innenstadt angezeigt. Das Umverteilen der Nachfrage ist übrigens auch zu unserem Vorteil. Wenn alle Leute nur in zehn bestimmte Städte wollen, dann gewinnen die Hotels. Wenn sie sich auf 10.000 Städte verteilen, gewinnt Airbnb.
Aber aus Sicht vieler Ihrer Gastgeber ist es doch vermutlich erstrebenswert, Wohnraum in den begehrtesten Gegenden über Airbnb anzubieten?
Sicher, das ist zu 100 Prozent richtig. Und wenn es einen Konflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Gastgebern und den Zielen einer Stadt gibt, dann muss man sich eben manchmal Restriktionen einfallen lassen. Aus unserer Sicht funktioniert das auch, sofern die Restriktionen nicht übermäßig streng sind und die Bürokratie sich in Grenzen hält.
Bei der Vorlage Ihrer jüngsten Geschäftszahlen haben Sie gesagt, Sie wollen deutlich schneller wachsen, als dies derzeit der Fall ist. Was bremst Sie im Moment?
Halten wir erst einmal fest, dass wir heute schon wirklich groß sind. Unsere Buchungen liegen jetzt bei um die 90 Milliarden Dollar im Jahr, die Menschen geben mehr Geld bei Airbnb aus als zum Beispiel bei Starbucks. Aber es gibt einige Dinge, wie wir unser Wachstum beschleunigen können. Erstens brauchen wir mehr Unterkünfte auf unserer Plattform. Dabei wird unser neues Netzwerk für Ko-Gastgeber helfen, das wir jetzt einführen. Wir bieten also an, Leuten erfahrene Ko-Gastgeber zur Seite zu stellen, wenn sie Unterkünfte auf Airbnb vermieten. Das heißt, künftig muss man nicht mehr sowohl Wohnraum als auch Zeit haben, um auf Airbnb zu vermieten, sondern nur noch Wohnraum. Wir denken, das kann Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Unterkünften für uns öffnen, und ein Gamechanger für Airbnb sein.
Was haben Sie sonst noch vor?
Wir wollen an Qualität und Konsistenz arbeiten. Wir haben einst als billigere Alternative zu Hotels begonnen, deshalb waren die Erwartungen an uns nicht so hoch. Aber nun bewegen wir uns auch in höheren Preisklassen und konkurrieren stärker mit Hotels, die ihren Gästen etliche Dienste anbieten, also sollten wir unser Angebot entsprechend anpassen. Für jede Person, die heute in einem Airbnb übernachtet, sind neun andere im Hotel. Wenn wir nur eine zusätzliche Person auf unsere Seite holen, sind wir doppelt so groß wie heute. Außerdem wollen wir die internationale Expansion vorantreiben. Wir sind zwar heute in fast jedem Land der Welt vertreten, aber in vielen Regionen ist unsere Präsenz noch enorm ausbaufähig, und wir kratzen noch an der Oberfläche. Auch in Deutschland sehen wir noch massive Chancen, das Geschäft auszubauen. Der letzte Punkt sind neue Produkte und Dienstleistungen. Airbnb wird einmal viel mehr sein als Kurzzeitvermietung. Darüber werden Sie vom nächsten Jahr an mehr von uns hören.
Was heißt das genau? In welche Richtung wollen Sie mit Airbnb gehen?
Das kann ich im Detail noch nicht sagen. Wir werden unseren sogenannten Entdeckungen – also unserem Angebot an Aktivitäten – einen ganz neuen Dreh geben. Die kommen zwar gut an, aber haben sich nie so etabliert wie unsere Vermietungen. Aber es wird noch andere Sachen geben. Ich nehme mir vor, in den nächsten fünf Jahren jeweils zwei bis drei neue Geschäfte zu starten, die irgendwann einen Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde Dollar erreichen.
Auch wenn Sie noch nicht ins Detail gehen wollen: Werden denn diese neuen Geschäfte noch immer nahe am bisherigen Kern von Airbnb sein, oder wollen Sie auch etwas ganz anderes machen?
Wir werden mit unserem Kern starten und uns von dort nach außen bewegen. Was nächstes Jahr kommt, wird noch mehr mit Reisen zu tun haben, aber wer weiß, was wir in zehn Jahren machen? Schauen wir uns doch Amazon an: Die haben damit angefangen, Bücher zu verkaufen. Dann haben sie immer mehr andere Dinge verkauft und dann sogar ganz andere Sachen gemacht wie das Anbieten von Computerkapazitäten über Amazon Web Services. Ich denke, wir werden das Gleiche tun. Wir fangen an mit Dingen, die unserem Kern am nächsten sind, und dann werden wir darüber hinausgehen.
Sind solche Expansionsvorhaben ein Stück weit eine Reaktion darauf, dass Regulierer Ihr Kerngeschäft attackieren?
Das hat damit nichts zu tun, und generell fühlen wir uns nicht attackiert. Wir sind in 100.000 Städten, und in der weit überwiegenden Mehrheit haben wir keine größeren Probleme. Wir wollen expandieren, weil die Menschen mehr von Airbnb wollen. Ich bin erst 43 Jahre alt, und ich will nicht, dass die beste oder einzige Idee in meinem Leben diejenige sein wird, die ich mit 26 Jahren hatte. Außerdem denke ich, dass neue Geschäfte auch unseren Kern stärker machen.
Wie läuft Ihr Geschäft in Deutschland?
Das ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte in der Welt für uns, und er ist gerade seit der Pandemie enorm gewachsen. In der Vergangenheit war er etwas hinter Großbritannien und Frankreich, vielleicht deshalb, weil Deutsche von ihrer Mentalität her mehr planen als andere und man sich ihr Vertrauen etwas härter erkämpfen muss. Wir müssen hier noch etwas reifer werden und auch mehr investieren. Aber wir haben gewaltige Fortschritte gemacht.
Auch in vielen deutschen Städten gibt es Restriktionen für Sie, in Berlin zum Beispiel dürfen Zweitwohnungen nur bis zu 90 Tage im Jahr auf Plattformen wie Airbnb vermietet werden. Finden Sie generell die Regulierungen für Airbnb in Deutschland angemessen?
Das kommt auf die Städte an. 90 Tage halte ich für etwas zu streng. Und grundsätzlich denke ich, es gibt auch andere Wege als zeitliche Einschränkungen, um sicherzustellen, dass Wohnungen nicht ausschließlich über Airbnb vermietet werden. Ich finde außerdem, rund um Großereignisse wie die Olympischen Spiele oder Konzerte von Taylor Swift sollte es nur minimale Restriktionen und Bürokratie geben. In manchen Städten ist es schwieriger, auf Airbnb zu vermieten, als ein Restaurant zu eröffnen. Das ergibt keinen Sinn.
Denken Sie, die Diskussion um Übertourismus wird noch an Intensität zunehmen?
Inwiefern sehen Sie das als Bedrohung für Airbnb?
Ich denke, für Hotels und Anbieter von Kreuzfahrten ist das ein größeres Problem als für uns, weil die nur in bestimmten Stadtgegenden sind. Wir sind das anpassungsfähigste Unternehmen in der Reisebranche, was man zum Beispiel daran sieht, dass wir uns nach der Pandemie schneller erholt haben als Hotels. Übertourismus bedeutet ja nicht, dass zu viele Menschen reisen, sondern dass zu viele Menschen gleichzeitig an den gleichen Ort reisen. Meiner Meinung nach sollten Städte eine Balance haben: Sie sollten nicht mit Touristen überflutet werden, aber es sollte auch nicht nur Einheimische geben. Städte sollten wissen, dass wir Teil der Lösung sein wollen, nicht Teil des Problems. Unser Geschäftsmodell hängt nicht davon ab, dass wir ständig massiv in bestimmten Städten expandieren. Aber die Städte sollten auch sehen, dass wir ihnen Umsätze bringen und dass gewöhnliche Einwohner mit uns etwas dazuverdienen können. Und wir verteilen Menschen auf verschiedene Stadtviertel, was den dortigen Betrieben hilft.
Stoßen Sie mit diesen Argumenten bei lokalen Politikern auf Gehör? Also zum Beispiel, wenn Sie mit dem Bürgermeister von Barcelona sprechen?
In gewissem Maße stoßen die Argumente alle auf Gehör, aber es kommt darauf an. Manchmal haben die Leute sehr starke Meinungen und sind nicht so leicht zu überzeugen. Und wenn Politiker einmal eine Position bezogen und sie öffentlich geäußert haben, dann ist die Hürde sehr hoch, sie umzustimmen.
Der Vermieter
Brian Chesky stammt aus der Nähe von New York und hat Industriedesign studiert. Er war 26 Jahre alt, als er zusammen mit einem Freund aus Studientagen beschloss, während einer Konferenz in San Francisco ein wenig Platz in der gemeinsamen Wohnung zu vermieten. Die beiden besorgten sich Luftmatratzen und beherbergten drei Gäste. Das war 2007, und daraus entstand die Geschäftsidee für Airbnb. Der Name stand für Airbed & Breakfast, eine Anspielung auf die Luftmatratzen, auf denen die ersten Gäste schliefen. Heute bietet Airbnb auf seiner Seite mehr als acht Millionen Unterkünfte in mehr als 100.000 Städten auf der Welt an. Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 10 Milliarden Dollar. An der Börse wird es mit rund 85 Milliarden Dollar bewertet.